R. Dilg (2000) als damaliger Präsident der SPR davon gesprochen, dass empirische Forscher und professionelle Psychotherapeuten in ‚differing social systems‘ leben und zugleich festgehalten, die derzeitige empirische Forschung in der Psychotherapie sei ‚infant science‘.“ (a. a. O.) In dem gleichen Bericht wird ein Vortrag von Caspar zusammengefasst, der die Ansicht vertritt, dass sich die „Wirksamkeit therapeutischer Methoden nur mit randomisierten klinischen Studien (RCT) sicher beurteilen“ lasse. Voraussetzung sei, dass „sowohl die Behandlung (etwa über Manuale) standardisiert ist wie auch die untersuchten Patienten hinsichtlich der Diagnose homogen sind.“ (a. a. O.) Interessant scheint mir, dass selbst Caspar als Vertreter standardisierter empirischer Psychotherapieforschung auch einräumen musste, dass die Standardisierung „in der Regel die Übertragbarkeit auf die Behandlungspraxis beeinträchtigen dürfte.“ (a. a. O.) Dass der Manualisierung praktische Grenzen gesetzt sind, wird in diesem Bericht ebenfalls deutlich: „Chambless und Ollendick (2001) fanden 108 empirisch abgesicherte Manuale zur Behandlung von Erwachsenen und 37 weitere zur Behandlung von Kindern. Diese 145 Manuale deckten aber nur 51 von 392 Diagnose- und Problemgruppen ab. Selbst wenn die Manualisierung für weitere Störungsbilder zügig fortschreiten sollte, wäre es in der Praxis kaum vorstellbar, dass Therapeuten so viele Behandlungsmanuale beherrschen könnten, dass es in der alltäglichen Arbeit von Wert wäre.“ Und man muss hinzufügen, das selbst wenn es für alle Diagnosegruppen Manuale gäbe, der Therapeut immer noch keine Manuale für die nicht geringe Zahl von Patienten mit Ko- und Multimorbidität hätte. Aber auch die bereits existierenden Manuale reichen nicht aus, um gute Therapien durchführen zu können. Neben der Orientierung auf die Diagnose sind für die Gestaltung des therapeutischen Prozesses weitere Faktoren (wie z. B. die Gestaltung der therapeutischen Arbeitsbeziehung, s. o.) bedeutsam. In vielen Diskussionen wird die Bedeutung von Manualen überschätzt. Psychotherapeutische Praxis ist eben mehr als die bloße Ausführung von Handlungsanweisungen. Zurück zum Verhältnis von Forschung und Praxis. Die Dominanz der Wissenschaft führt dazu, dass wichtige Fragen, die in der und aus der Praxis entstehen, vernachlässigt werden. Wenn der wissenschaftliche Diskurs sich zu sehr auf eine diagnosespezifische Behandlung konzentriert, wird ein großer Teil der Realität praktischer Psychotherapie ausgeblendet. Hier wäre ein Rückgriff auf epidemiologische und Versorgungsforschung sinnvoll, z. B. für Fragen zur Häufigkeit von Ko- und Multimorbidität. Aber auch vielfältige Fragen zum Verstehen und zu Interventionstechniken bei der Behandlung dieser Patienten sind bisher nicht ins Blickfeld der Forschung geraten. Eine Forschung, die lediglich auf Diagnosespezifität orientiert ist, macht sich zum Instrument von kurzsichtigen Effektivitätsforderungen, die an der Realität der Versorgungspraxis mit vielen schwer gestörten Patienten vorbeigeht. Literatur Brandl, Y., Bruns, G., Gerlach, A., Hau, S., Janssen, P. L., Kächele, H., Leichsenring, F., Leuzinger-Bohleber, M., Mertens, W., Rudolf, G., Schlösser, A.-M., Springer, A., Stuhr, U., Windaus, E. (2004) Psychoanalytische Therapie. Eine Stellungnahme für die wissenschaftliche Öffentlichkeit und für den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie. Forum der Psychoanalyse 20 (1), März 2004 Grande, T., Dilg, R., Jakobsen, T., Keller, W., Krawietz, B., Langer, M., Oberbracht, C., Stehle, S., Stennes, M., Rudolf, G. (<strong>2005</strong>) Differentielle Wirkungen zweier psychoanalytischer Therapieformen. Ergebnisse der Heidelberg-Berlin-Studie. (In Vorbereitung) Grawe, K. (<strong>2005</strong>) (Wie) kann Psychotherapie durch empirische Validierung wirksamer werden? <strong>Psychotherapeutenjournal</strong>, 1, 4 – 11 Jung, C. G. (1973) GW 5, § 672 Psychotherapeutenkammer Hessen (2004) Das Verhältnis von Praxis, Profession und Wissenschaft. <strong>Psychotherapeutenjournal</strong>, 4, 376 – 377 Rudolf, G., Grande, T., Dilg, R., Jakobsen, Th., Keller, W., Oberbracht, C., Pauli-Magnus, C., Stehle, S., Wilke, S. (2001) Strukturelle <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2005</strong> 251
Zur Diskussion: Welche Rolle kann empirische Validierung für die psychotherapeutische Praxis spielen? Veränderungen in psychoanalytischen Behandlungen – Zur Praxisstudie analytischer Langzeittherapien (PAL) in: Stuhr, U.; Leuzinger-Bohleber, M.; Beutel, M. Langzeit-Psychotherapie. Perspektiven für Therapeuten und Wissenschaftler. Stuttgart: Kohlhammer Tschuschke, V.; Heckrath, C.; Tress, W. (1997) Zwischen Konfusion und Makulatur: Zum Wert der Berner Psychotherapie-Studie von Grawe, Donati und Bernauer. Göttingen: Vandenhock & Ruprecht. Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie (<strong>2005</strong>) Stellungnahme zur Psychodynamischen Psychotherapie bei Erwachsenen, Deutsches Ärzteblatt (PP), Heft 1, Januar <strong>2005</strong> Dipl.-Psych. Reiner Dilg (PP) Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin Praxis für Psychoanalyse und Psychotherapie Zehdenickerstr. 1 10119 Berlin dilg@zedat.fu-berlin.de 252 <strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2005</strong>
- Seite 2 und 3: Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter
- Seite 4 und 5: änderungen der Gesundheitsversorgu
- Seite 6 und 7: Zum Tod von Klaus Grawe Klaus Grawe
- Seite 8: Gesetz als Heilberuf konstituiert w
- Seite 11 und 12: Inhalt Zum Tod von Detlev Kommer .
- Seite 13: Die schriftlichen Prüfungen nach d
- Seite 16 und 17: U. Scherer, K. Mayer, J. Neuser Im
- Seite 18 und 19: U. Scherer, K. Mayer, J. Neuser Not
- Seite 20 und 21: U. Scherer, K. Mayer, J. Neuser Pun
- Seite 22 und 23: U. Scherer, K. Mayer, J. Neuser Pr
- Seite 24 und 25: A. Wolff Struktur denen der Psychot
- Seite 26 und 27: A. Wolff bildung zu werden mit Cras
- Seite 28 und 29: Erziehungsberatung - eine Standortb
- Seite 30 und 31: G. Hensen, W. Körner So ist es ver
- Seite 32 und 33: G. Hensen, W. Körner mativen ein,
- Seite 34 und 35: G. Hensen, W. Körner theoretisches
- Seite 36 und 37: G. Hensen, W. Körner Jordan, E. (2
- Seite 38 und 39: H. Gerlach ten Bezeichnungen berufs
- Seite 40 und 41: H. Gerlach lenz (a. a. O. Bl. 8):
- Seite 43: Aktuelles aus der Forschung Petra K
- Seite 46 und 47: P. Kümmler im Rahmen von Repräsen
- Seite 48 und 49: Zur Diskussion: Welche Rolle kann e
- Seite 50 und 51: R. Dilg Strukturen therapeutischer
- Seite 58 und 59: Mitteilungen der Bundespsychotherap
- Seite 60 und 61: Gesundheitssystem-Modernisierungsge
- Seite 62 und 63: artig bei ca. 2,5 % der Niedergelas
- Seite 64 und 65: Baden-Württemberg Niederlassung un
- Seite 66 und 67: Baden-Württemberg Gesundheitssyste
- Seite 68 und 69: Mitteilungen der Bayerischen Landes
- Seite 70 und 71: Bayern als 5 Leistungen in der Woch
- Seite 72 und 73: Mitteilungen der Psychotherapeutenk
- Seite 74 und 75: Berlin Resolution der Delegiertenve
- Seite 76 und 77: Mitteilungen der Psychotherapeutenk
- Seite 78 und 79: Bremen Parallel laufen in Bremen di
- Seite 80 und 81: Mitteilungen der Psychotherapeutenk
- Seite 82 und 83: Hamburg Forschungsprojekts untersuc
- Seite 84 und 85: Hessen ■ einer unreflektierten Ps
- Seite 86 und 87: Hessen peutische Beziehung und für
- Seite 88 und 89: Niedersachsen hintan gestellt. Alle
- Seite 90 und 91: Niedersachsen Aufruf an Kolleginnen
- Seite 92 und 93: Nordrhein-Westfalen mit und ohne We
- Seite 94 und 95: Nordrhein-Westfalen den Sozialfonds
- Seite 96 und 97: Nordrhein-Westfalen ginnen und Koll
- Seite 98 und 99: Mitteilungen der Landespsychotherap
- Seite 100 und 101: Rheinland-Pfalz „Notfallpsycholog
- Seite 102 und 103:
Mitteilungen der Landespsychotherap
- Seite 104 und 105:
Saarland Psychotherapeutenkammer Rh
- Seite 106 und 107:
Saarland Das zuletzt von der KV abg
- Seite 108 und 109:
Saarland Aktivitäten Anhörung zur
- Seite 110 und 111:
Mitteilungen der Psychotherapeutenk
- Seite 112 und 113:
Schleswig-Holstein liegt auch daran
- Seite 114 und 115:
Leserbriefe Durch die Abschaffung d
- Seite 116 und 117:
Leserbriefe In vielen Einrichtungen
- Seite 118 und 119:
Kontaktdaten/Kleinanzeigen Kontaktd
- Seite 120 und 121:
Kleinanzeigen Praxisgesuche Praxisv