Genussmagazin 3/2011 - Genussakademie
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Erzeuger-Porträt<br />
so weit ab vom Schuss zu liegen scheint – hier residiert ja der<br />
Sterne- und Haubenkoch Großfeld, bekannt aus RHEIN-MAIN<br />
GEHT AUS!, Varta-, Michelin und Wieauchimmer-Führer!<br />
Lernt man den sympathischen und bodenständigen Genussmenschen<br />
näher kennen, so erschließt sich schnell, weshalb er<br />
lieber im verträumten Dorf als im Stadtzentrum der Mainmetropole<br />
aufkocht. Hier kann er ganz in Ruhe sein Konzept entwickeln<br />
und verfeinern, hat um sich herum „seine“ Lieblingsproduzenten<br />
und kann somit aus der reichen Region Wetterau/Vogelsberg kulinarischen<br />
Nektar saugen. Sein Credo ist ganz einfach: Man sollte<br />
jeden Erzeuger persönlich kennen und genau wissen, wie das<br />
jeweilige Produkt entstanden ist, das anschließend in der winzig<br />
anmutenden Küche verarbeitet wird. Gerade mal vier Personen<br />
arbeiten hier auf engstem Raum wie ein Präzisionsuhrwerk und<br />
versorgen die Gäste mit dem Stoff, aus dem ihre Träume sind:<br />
Gerichte, die ihren regionalen Bezug nicht verleugnen, sondern<br />
die im Gegenteil vom Ort ihrer Entstehung aus in die Welt verweisen.<br />
So bedeutet Großfelds tiefe Verwurzelung in seiner neuen<br />
Heimat nicht etwa, dass man auf der Speisekarte Schnitzelvariationen<br />
auf Sterneniveau findet, sondern bringt Rezeptideen hervor,<br />
die beispielsweise Maibock aus dem Vogelsberg auf ein internationales<br />
kulinarisches Niveau erheben.<br />
So urhessisch Großfeld rein optisch übrigens auch wirken<br />
mag (und das ist hier als Kompliment gemeint) – er stammt<br />
ursprünglich aus dem Münsterland. Dort bewies sich bereits<br />
vor Jahrzehnten der pädagogische Wert von Schulpraktika: Der<br />
kleine André verbrachte in der 8. Klasse ein paar Wochen in<br />
der Küche des ortsansässigen Wirtshauses und wusste fortan,<br />
wo die Reise des Lebens hingehen sollte – in die Küchen dieser<br />
Welt! Ausgangspunkt hierfür war die Ausbildung bei einem der<br />
seinerzeit führenden deutschen Köche: Alfons Schuhbeck. Im<br />
idyllischen Waging am See brachte er Großfeld das Kochen bei.<br />
Nach erfolgreichem Abschluss begann der junge Kochkünstler<br />
weit entfernt von seinem Ausbildungsplatz seine Laufbahn –<br />
Hamburg war mit Stationen bei Michael Wollenberg und Josef<br />
Viehhauser für 10 Jahre seine Heimat, bevor ihn Schuhbeck im<br />
Jahr 2000 ins Check-Inn nach Egelsbach rief. Und wie man es<br />
nicht nur aus beliebten Fabeln kennt, so spielte auch hier die<br />
Liebe eine wichtige Rolle bei der Wahl des Standortes, denn<br />
So macht man einen guten Schnitt<br />
Lebensgefährtin Stifanka Kurbasa machte für Großfeld Hessen<br />
gleich noch viel attraktiver. Dennoch sollte noch ein Traum in<br />
Erfüllung gehen: Ganze vier Jahre musste er warten, um endlich<br />
ein Engagement am Herd von Hans Haas zu bekommen – in<br />
der Restaurantlegende Tantris arbeiteten lange Zeit nur österreichische<br />
Fachkräfte, doch Großfelds Geduld wurde 2002 endlich<br />
belohnt.<br />
Der Gastraum der Sinne<br />
Lange hielt es ihn jedoch nicht in der bayrischen Landeshauptstadt,<br />
denn die Zusammenarbeit mit dem ungemein kreativen<br />
Volker Drkosch im Frankfurter Restaurant Brick lockte ihn<br />
2004 wieder an den Main. Nach nur sechs Monaten war mit der<br />
Arbeit als Souschef allerdings endgültig Schluss – 2005 war es<br />
höchste Zeit für ein eigenes Konzept! Wer so viele spannende<br />
und inspirierende Stationen durchlaufen hat, der hat auf dem<br />
Teller einiges zu erzählen. Doch anstelle fremder Handschrift<br />
kochte Großfeld von Anbeginn einen ganz authentischen Stil, der<br />
nicht die Summe aller Teile, sondern etwas ganz Neues darstellte.<br />
Vor fünf Jahren war seine Interpretation regionaler Rezepte noch<br />
völliges Neuland, das der neugierige Koch begeistert beackerte.<br />
Mit reichem Ertrag, denn schnell entdeckten nicht nur die Feinschmecker,<br />
sondern auch Journalisten den lauschigen Platz für<br />
Genießer im hintersten Eck eines kleinen Dorfes.<br />
Seit zwei Jahren bezieht Großfeld so irgend möglich sämtliche<br />
Zutaten aus der Region. Keine weiten Wege oder anonyme<br />
Herkunft soll seine kreative Leistung verfälschen, gleichzeitig<br />
spielt der Gedanke der Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle in<br />
seiner Planung. Erdbeeren im Winter oder Wild aus Polen?<br />
Geht gar nicht! Ums Eck schießt der Jäger Schwarz-, Dam- oder<br />
Rotwild, und angeblich laufen dem ab und an sogar Mufflons<br />
vor die Flinte! Drei lange Jahre hat Großfeld suchen müssen, um<br />
seinen Bedarf vor Ort und nicht bei Großhändlern oder Versendern<br />
decken zu können. Dabei bieten die durchaus gute Ware<br />
für kleines Geld: „Wer kauft denn heute schon deutsches Fleisch<br />
in der Gastronomie? Das kostet glatt das Doppelte, und reifen<br />
lassen muss man es meist auch noch“, sagt der Küchenchef.<br />
Aber es schmeckt halt richtig gut und sorgt für die Erhaltung<br />
und Entwicklung einer regionalen Genusskultur. Bio ist da<br />
natürlich ebenfalls selbstverständlich, wenn man auch manchmal<br />
Ausnahmen machen muss – es ist immer noch zu wenig<br />
Ware in Spitzenqualität zu bekommen.<br />
Eine Adresse, die Großfeld regelmäßig besucht, um sich<br />
mit hervorragenden Produkten einzudecken, ist der Obsthof<br />
am Steinberg. Hier hat Andreas Schneider nichts weniger als<br />
Apfelweingeschichte geschrieben, denn wo seine Eltern seit 1965<br />
GenussMAGAZIN 3 /<strong>2011</strong><br />
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