Genussmagazin 3/2011 - Genussakademie
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Winzer-Porträt<br />
Fotos: A Casa di Tomilaia/Tom Bock<br />
zu den modernsten Weinen der Region. Wer jetzt noch nicht<br />
bemerkt hat, dass Tom Bock auch bei den Namen eigene Wege<br />
geht, der wird spätestens beim Hash Ish hellhörig. Diese Cuvee<br />
aus Sangiovese und Merlot ist natürlich absolut legal, ähnelt im<br />
Duft aber tatsächlich Cannabis und verführt mit saftiger, an<br />
Gewürze erinnernder Tiefe. Hier wird ein Teil der Sangiovese-<br />
Trauben nach Art eines Passito getrocknet, wie man es eigentlich<br />
vom Amarone kennt, und später dem gärenden<br />
Wein hinzugegeben. So entsteht jene herrlich<br />
feine Süße, die nie vordergründig, sondern samtig<br />
und elegant das reiche Aromenspektrum dieses<br />
Weines transportiert – ein eleganter Maestro der<br />
Philosophie und der edlen Kunst der Verführung.<br />
Eine ganz andere Geschichte erzählt der Storia,<br />
eine Cuvee aus unterschiedlichen großen Jahrgängen,<br />
die mindestens acht Jahre in Holzfässern<br />
reifen, anschließend miteinander vermählt und<br />
schließlich in einer Auflage von 888 Magnumund<br />
88 Imperial-Flaschen abgefüllt werden.<br />
Hier spielen die Weine von Tomilaia ihr volles<br />
Potential aus, denn in einer Zeit, die junge Weine<br />
ins Rampenlicht der Medien stellt, beweist Tom<br />
Bock, dass erst angemessene Geduld und Reife<br />
wirklich große Gewächse hervorbringt. Die Toskana<br />
hat eine große Tradition an Dessertweinen,<br />
und in dieser steht der Mille e una Goccia. Für diesen<br />
Wein werden die reifen Trauben des Sangiovese<br />
nach traditioneller Art unter der Decke des<br />
Weinkellers aufgehängt. Das Wasser verdunstet,<br />
in den Rosinen verdichtet sich das Aroma und schließlich keltert<br />
man puren Nektar, der mit feinem Spiel von Süße und Säure<br />
noch nach vielen Jahren glücklich macht. Tom Bock hat sich<br />
ganz dem Rotwein verschrieben, was jedoch nicht bedeutet, dass<br />
man sich bei Tomilaia nicht auch auf Weißwein versteht: Der<br />
in kleinster Auflage erzeugte Bianco, eine Cuvee aus Trebbiano,<br />
Malvasia bianco und Sauvignon blanc ist ein frischer, ehrlicher<br />
Bursche, der viele Vorurteile zu toskanischen Weißweine Lügen<br />
straft, ausschließlich für das Frankfurter Restaurant A Casa Di<br />
Tomilaia erzeugt wird und hier schon viele Freunde gefunden<br />
hat. Ein Sommer, ein Rosé: der Rosato wird zu 100% aus Sangiovese<br />
gekeltert, wobei der Most nach dem Vorbild der Provence<br />
nur ganz kurz im Kontakt mit den Traubenschalen bleibt und<br />
bei niedrigen Temperaturen vergoren wird. Das Ergebnis ist ein<br />
heller, feiner Rosé, der perfekt in den Sommer passt.<br />
Auf Tomilaia wird nicht nur emsig gearbeitet, sondern<br />
man hat auch noch einiges vor: Das Projekt Terra Innamorata<br />
20/20 beinhaltet die Errichtung eines acht Hektar großen<br />
neuen Weinbergs in optimaler Ausrichtung an einem einzigen,<br />
zuvor präzise auf seine Eignung für Spitzenweine untersuchten<br />
Hang. Neue Keller werden gebaut und darauf ein architektonisches<br />
Juwel mit acht Degustationssuiten für Gäste errichtet,<br />
die unmittelbar am Weinberg gelegen den direkten Kontakt mit<br />
Land, Leuten und Wein ermöglichen. „Sie spazieren aus ihrem<br />
Zimmer über den Weinkellern direkt in den Weinberg hinein<br />
und können im Schlaf den Atem der Weine spüren“.<br />
Müdigkeit oder Erschöpfung sucht man bei Tom Bock<br />
vergebens, und wie erfrischend ein Leben, dass sich aus der<br />
Leidenschaft für Kunst und Kultur, Land und Leute, Präzision<br />
und Genuss entwickelt, auf das Umfeld wirkt, lässt sich gut<br />
im Florentinischen Viertel beobachten. Hier ist rund um den<br />
Walther-von-Cronberg-Platz ein öffentlicher Raum mit authentisch<br />
italienischem Flair entstanden. „Architektur ist für die<br />
Menschen da. Einer Mode hinterherzulaufen, ist der falsche Weg,<br />
modern ist vielmehr, was auch nach 200 Jahren noch begehrt<br />
Das Florentinische Viertel am Walther-von-Cronberg-Platz<br />
ist – und somit modern. Da hat Architektur eine ganz andere<br />
Halbwertszeit.“ Seine Ideen vermittelt Bock auch als Dozent am<br />
Dessau Institute of Architecture. Ob er bei der ein- oder anderen<br />
Vorlesung eine Flasche seiner Weine dabei hat, um sinnlich zu<br />
unterstreichen, was sachlich nicht vollends zu erklären ist, bleibt<br />
sein Geheimnis. Italienischen Freunden bringt er jedenfalls ganz<br />
aktiv die Rhein-Main-Region und deren Winzer näher. Eine<br />
Delegation italienischer Politiker wurde kurzerhand zum Weingut<br />
Battenfeld-Spanier gefahren, um etablierte Vorurteile im Glase<br />
zu widerlegen. Die Delegierten ließen sich denn auch nicht lange<br />
bitten, kauften kistenweise Wein und brachten so ein gutes Stück<br />
deutscher Weinbaukunst in ihre Heimat.<br />
Fragt man Tom Bock nach einem Attribut, das er für sich in<br />
Anspruch nehmen würde, so ist es Authentizität. Das erstaunt<br />
zunächst angesichts seiner unglaublichen Schaffensbreite und<br />
-vielfalt, die wirkt wie das Leben auf einer zehnspurigen Autobahn.<br />
Doch betrachtet man in Ruhe diesen diskreten, höflichen<br />
und immer zugewandten Menschen, so leuchtet es ein. „Ich<br />
gehöre nicht zu den Leuten, die mit ihren Leistungen herumprahlen.“<br />
Stimmt. Der ist wirklich so, macht einfach nur sein Ding.<br />
Und das sieht richtig gut aus, schmeckt gut, man kann ausgezeichnet<br />
darin wohnen oder es einfach mit nach Hause nehmen!<br />
Bezugsquelle für die Weine:<br />
A Casa di Tomilaia, Walther-von-Cronberg-Platz 9<br />
60594 Frankfurt, Tel. 069 68977625<br />
GenussMAGAZIN 3 /<strong>2011</strong><br />
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