Genussmagazin 3/2011 - Genussakademie
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Winzer-Porträt<br />
Archaische Romantik in der Toskana<br />
Tomilaia im Glas<br />
Goldschmied, morgen Architekt und übermorgen bestellte man<br />
seinen Garten. So behielt man den Blick fürs Ganze.“ Und dieser<br />
Blick ist bei ihm durchaus kritisch und geschärft. „Wenn ich das<br />
Gefühl habe, ein anderer macht den Job schlechter als ich, dann<br />
mache ich ihn lieber selbst“. Also packt Bock sowohl auf seinem<br />
Weingut als auch bei der Planung oder sogar auf der Baustelle<br />
eines seiner Projekte oft mit an und betreut seine Kunden sogar<br />
noch nach dem Einzug. „So behalte ich immer im Blick, was<br />
geschieht“. Akribie? Pure Leidenschaft!<br />
Der Wein, den eine solche Persönlichkeit erzeugt, fällt<br />
dementsprechend aus: Kraftvoll, dicht, konzentriert, aber nie<br />
vulgär, sondern immer fein gewoben und von großer Ausdruckskraft.<br />
Dass solche Gewächse nicht von jetzt auf gleich geboren<br />
werden, ist nicht nur Bock, sondern auch seinem Freund und<br />
Partner Henner Prefi und allen anderen Beteiligten völlig klar. So<br />
wurde das Weingut in den letzten Jahren bereits behutsam, aber<br />
zielstrebig modernisiert. Die Idee ist scheinbar einfach: „Wir sind<br />
ein Sangiovese-Weingut. Das ist unsere Identität“. Was nicht<br />
bedeutet, dass man hier stur auf Tradition setzt. Sangiovese<br />
piccolo und grosso geben zwar die Richtung vor, Malvasia nera,<br />
Ciliegiolo, Merlot, Syrah und sogar Riesling spielen aber<br />
ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Erzeugung der<br />
ungewöhnlichen Weine von Tomilaia. Bei internationalen<br />
Rebsorten denkt man schnell an die Weine des Bordelais, die<br />
vielen Winzern der Toskana lange Vorbild waren. Tom Bock und<br />
sein Team orientieren sich jedoch weniger an deren erdiger Kraft,<br />
sondern vielmehr an der ätherischen, eleganten Art des Burgunders,<br />
und so setzt er auch mehr auf Finesse denn auf Wucht –<br />
obwohl einige seiner Tropfen bis zu 15% Alkohol erreichen.<br />
Das Terroir der auf bis zu 380 Metern Höhe ansteigenden<br />
und meist nach Süd/Südwest ausgerichteten Weinberge steht im<br />
Mittelpunkt der Arbeit. Die Mischung aus verwittertem Sandstein,<br />
Gallestro, Mergel und Lehm liefert jene Buchstaben und<br />
Sätze, aus denen Tom Bock später seine flüssigen Geschichten in<br />
Flaschen abfüllt. Direkt unter den Weinberg wurden die Keller<br />
unterirdisch angelegt, drei unterschiedliche Gärführungen<br />
sorgen hier für den enormen Nuancenreichtum der Weine. So<br />
scheut man sich hier auch nicht davor, einige Weine spontan,<br />
also mittels der auf der Beerenhaut siedelnden Hefestämme zu<br />
vergären, setzt bei anderen Weinen aber auf Reinzuchthefen und<br />
die temperaturgeregelte Gärung in Stahltanks oder arbeitet sogar<br />
mit offener Vergärung in kleinsten Gebinden. Bis zu ein Jahr<br />
kann diese Phase dauern, bevor der Wein dann im Holzfass-Reifelager<br />
und nach der Zusammenstellung der unterschiedlichen<br />
Cuvees schließlich im Flaschenlager eintrifft. Was jetzt nach<br />
einem Großbetrieb klingt, ist in Wirklichkeit eher übersichtlich.<br />
„Zur Zeit haben wir 7 Hektar Wein und 12 Hektar Oliven unter<br />
Ertrag, hinzu kommen 6 Hektar, die wir gepachtet haben. Später<br />
sollen es maximal 20 Hektar Weinberge sein“.<br />
Da bleibt auch Platz für Spezialitäten, die sonst niemand<br />
in dieser Region erzeugt. Zum Beispiel eine süße Spätlese aus<br />
Trebbiano, Malvasia bianco, Sauvignon blanc und Riesling, von<br />
dem ein paar Rebstöcke in seinem Wingert stehen und dem eleganten,<br />
feinfruchtigen und dennoch üppigen Wein die fehlende<br />
Säure geben. Gerade mal 800 Flaschen füllt man hier davon ab,<br />
die natürlich schnell vergeben sind. Die Reduzierung auf kleine<br />
Mengen gehört zum Konzept: So behält man den Überblick und<br />
hat immer Platz für Neues, Unerwartetes. Eine Cuvee wie der<br />
2000Otto (also 2008) wird man wohl kaum bei einem anderen<br />
Erzeuger finden, denn hier geht es nicht um Uniformität, sondern<br />
um die Idee eines absoluten Spitzenweines, der seinen Jahrgang<br />
ideal repräsentiert. Und da jedes Jahr anders ist, wechselt<br />
auch die Zusammensetzung der Rebsorten. Hier tritt der Winzer<br />
gänzlich hinter das Terroir und die Rebe zurück und bemüht<br />
sich, das Beste aus dem zu machen, was beide zu bieten haben.<br />
Der Pancarta hingegen ist ein „Sangiovese in purezza“, der weit<br />
über dem steht, was der anspruchslose Weintrinker als unkomplizierten<br />
Tropfen für jeden Tag bezeichnet, aber genau jenen<br />
Ansprüchen genügt, die ein Tom Bock an guten Wein stellt. Hier<br />
geben die ältesten Reben des Weinguts ihr Bestes – und das ist<br />
viel Struktur, Kraft, Finesse und Würze. Weicher, aber keinesfalls<br />
oberflächlicher präsentiert sich die in der Toskana immer<br />
populärer werdende Verbindung von Sangiovese und Syrah. Der<br />
DilàeDilà, ein Joint Venture von Tom Bock und dem Weingut von<br />
Stefano Amerighi – jeder steuert<br />
50% der Reben bei – verbindet<br />
robuste, körperreiche<br />
Struktur<br />
mit einer Seele aus<br />
Samt und gehört<br />
46 GenussMAGAZIN 3 /<strong>2011</strong>