Effekte auf Gitterebene (Versetzungen) aus der Verformungsinkompatibilität zwischen weicher Matrix <strong>und</strong> harten Inklusionen. Aufgr<strong>und</strong> der stark unterschiedlichen Verformungen der beiden Konstituenten bilden sich in der weicheren Phase (Ferrit) starke Verformungsgradienten aus, dies bedeutet die Bildung <strong>von</strong> hohen Versetzungsdichten nahe der Inklusionen ( geometrically necessary dislocations“) wodurch es zu einer sehr hohen Verfestigung des ” Ferrits kommt [2]. In der Simulation ist die Versetzungsbildung nicht abgebildet. Erdogan et al. [30] haben in Experimenten eine unterschiedliche 0,2 %-Dehngrenze für Druck<strong>und</strong> Zugbelastung an <strong>Dual</strong>-<strong>Phasen</strong> Stählen gemessen. Dies steht im Widerspruch zu den hier angestellten Berechnungen. Sie führen den Unterschied auf einen mean tensile residual ” stress“ in der Ferrit-Matrix zurück. Da in der Matrix im Mittel Zugspannungen überwiegen, soll die Dehngrenze bei Zugbelastung früher erreicht sein, da aufgr<strong>und</strong> der Vorspannung in der Matrix eine geringere äußere Last ausreicht, um in der Matrix Fließen hervorzurufen. Diese Annahme wird durch die Simulationsrechnungen nicht bestätigt: Der frühe Fließbeginn des Verb<strong>und</strong>es ist, wie <strong>von</strong> Chen et al. [18] angenommen, Folge <strong>von</strong> Druckspannungen in der Matrix. So sind die <strong>von</strong> Erdogan et al. [30] festgestellten Unterschiede in den Zug<strong>und</strong> Druckversuchen auch sehr gering. Dies wird auf eine nicht näher beschriebene alterungsbedingte Spannungsabnahme in der Matrix zurückgeführt, leider fehlen Angaben zum Alter der Proben. Zu der Beantwortung der Frage, ob sich bei Raumtemperatur im <strong>Dual</strong>-<strong>Phasen</strong> <strong>Stahl</strong> so genannte Niedrig-Temperatur Karbide ausscheiden, wie z. B. <strong>von</strong> De [25] festgestellt, tragen die hier ermittelten Ergebnisse nur bedingt bei. Nachdem Cottrell <strong>und</strong> Bilby [20] da<strong>von</strong> ausgegangen sind, dass eine Versetzung auf einer zu ihr senkrecht stehenden Atomebene nur etwa 1 bis 2 Kohlenstoffatome fangen kann, wurde bereits früh aufgr<strong>und</strong> <strong>von</strong> Messungen, die etwa 10-15 Atome ermittelten, angenommen, dass sich Kohlenstoff in Versetzungsnähe als Karbid ausscheidet [79]. Inzwischen ist bekannt, dass Versetzungen wesentlich mehr Atome fangen können [19] ohne dabei Karbide zu bilden. Die bei thermischen Behandlungen um etwa 200 ◦ C gebildeten ε-Karbide werden bei Raumtemperatur sicher nicht ausgeschieden [1, 25]. Als Beweis für die Bildung der Niedrig-Temperatur Karbide wird <strong>von</strong> De [25] die unterschiedliche Zunahme der 0,2%-Dehngrenze bei unterschiedlichen Alterungsbedingungen angeführt. Diese Größe ist aber schon für den tatsächlichen Fließbeginn u. U. wenig aussagekräftig [49]. Es bleibt festzustellen, dass für die Abnahme an freiem Kohlenstoff in der Matrix, wie sie in Drehpendel-Versuchen festgestellt wird, keine Karbid-Bildung notwendig ist. In dieser Arbeit wurde das Verformungsverhalten <strong>von</strong> <strong>Dual</strong>-<strong>Phasen</strong> <strong>Stahl</strong> am Beginn der plastischen Verformung untersucht. Das Materialverhalten bei der Entlastung ist allerdings in Hinblick auf die Berechnung <strong>von</strong> Tiefziehprozessen auch beachtenswert: Der Entlastungsast folgt im Diagramm eines Zugversuchs keineswegs einer Geraden sondern biegt <strong>von</strong> der Geraden, der er zu Beginn folgt, ab [92]. Dieses Verhalten kann Probleme bei der Vorhersage des Spring-Back-Effekts beim Tiefziehen bereiten. Bekannt ist, dass <strong>Stahl</strong> bei einer Wieder- 83
elastung in die andere Richtung, also Druck anstelle <strong>von</strong> Zug, sich deutlich früher, also bei niedrigerem Lastniveau plastisch verformt. Dass dieser Bauschinger-Effekt allerdings bei der Entlastung auftritt, deutet darauf hin, dass die weiche Matrix-Phase des <strong>Dual</strong>-<strong>Phasen</strong> <strong>Stahl</strong>es bereits an dieser Stelle plastischen Verformungen ausgesetzt ist. 84