Magazin 198611
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11. Problemlage<br />
Die Allgemeinheit hat einen Anspruch darauf,<br />
vor den Gefahren der technischen Entwicklung<br />
und den Risiken der Industriegesellschaft<br />
- soweit wie irgend möglich -<br />
geschützt zu werden. Von daher ist es<br />
pflicht des Gesetzgebers, Vorschriften zu<br />
erlassen, die hohe Sicherheit gewährleisten<br />
und Unfälle nach Möglichkeit verhindern.<br />
Die deutschen Gefahrgutvorschriften entsprechen<br />
einem anerkannt hohen Sicherheitsstandard<br />
und werden aufgrund neuer<br />
Erfahrungen und Erkenntnisse in Wi ssenschaft<br />
und Technik sowie unter Berücksichtigung<br />
von Beschlüssen und Empfehlungen<br />
der Vereinten Nationen und anderer zuständiger<br />
internationaler Gremien laufend<br />
überprüft und weiterentwickelt. Besondere<br />
Aufmerksamkeit gilt dabei der Verpackung,<br />
Kennzeichnung und Verladung der Gefahrgüter,<br />
der Ausbildung der Fahrzeugführer<br />
sowie dem Bau, der Au srüstung und der<br />
Überprüfung der Fahrzeuge.<br />
Die besten Vorschriften allein gewährleisten<br />
aber noch nicht die Sicherheit der<br />
Menschen vor den Gefahren, die mit dem<br />
Transport gefährlicher Güter verbunden<br />
sein können. Entscheidend ist, daß auch<br />
alle Betroffenen in Industrie, Handel und im<br />
Verkehrsgewerbe sich ihrer großen Verantwortung<br />
bewußt sind und die zum Schutze<br />
der Bevölkerung und der Umwelt erlassenen<br />
Sicherheitsvorschriften einhalten.<br />
Trotz aller Vorkehrungen können Unfälle mit<br />
gefährlichen Stoffen jedoch nicht gänzlich<br />
ausgeschlossen werden. Den für die Gefahrenbekämpfung<br />
zuständigen Stellen<br />
kommt deshalb ein hohes Maß. an Verantwortung<br />
für den Schutz der körperlichen<br />
Unversehrtheit der Bevölkerung und von<br />
Sachwerten bei Unfällen mit gefährlichen<br />
Stoffen zu. Bedingt durch die Verdreifachung<br />
der Produktion der chemischen Industrie<br />
in den letzten zehn Jahren wurden<br />
nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes<br />
jährliCh ca. 230 Mio. t Gefahrgüter<br />
befördert. Hieraus resultieren Gefährdungspotentiale,<br />
die die Umwelt und die in<br />
ihr lebende Bevölkerung vielfachen Risiken<br />
aussetzen. So ereigneten sich beim Transport<br />
wassergefährdender Stoffe, die zu<br />
etwa 95 % auch gefährliche Güter im Sinne<br />
der Transportvorschriften sind, nach Angaben<br />
des Statistischen Bundesamtes im<br />
Zeitraum von t 975 bis t 983 insgesamt<br />
4875 Unfälle (einschließlich Unfälle beim<br />
Be- und Entladen.<br />
Die folgenden Ausführungen beziehen sich<br />
auf gefährliche Stoffe im Sinne der Gelahrgutvorschriften.<br />
Ihre Vielzahl und die Unterschiedlichkeit<br />
des Risikocharakters der<br />
Stoffe stellen die Einheiten der Gefahrenbekämpfung<br />
vor eine komplexe Situation, die<br />
durch folgende Besonderheiten gekennzeichnet<br />
ist:<br />
1, Transportrisiko<br />
Mit der Trennung des auf dem Transport<br />
befindlichen Gefahrenguts von der Produktionsstätte<br />
ist die Kontrolle gefährlicher<br />
Stoffe durch den Hersteller kaum möglich,<br />
wenn Schadensereignisse in Gang gesetzt<br />
werden, u, a. durch :<br />
- Transport-, Ent-, Be- und Umladeunfälle,<br />
die durch menschliches Versagen herbeigeführt<br />
werden,<br />
- technische Mängel,<br />
- Verkehrsunfälle,<br />
- Naturereignisse,<br />
- Eingriffe Unbefugter.<br />
2. Gefahrenbekämpfungsprobleme<br />
Aus den Besonderheiten der Transportgefahren<br />
resultieren für die Gefahrenbekämpfung<br />
eine Reihe von Problemen, die sich<br />
auf zwei Ebenen zusammenfassen lassen.<br />
2.1 Informationslücken<br />
Während des Transportes werden gefährliche<br />
Güter von ihren Produktionsstätten und<br />
damit auch von dem Hersteller als dem originären<br />
Träger wichtiger Informationen im<br />
Falle einer SChadensbekämpfung getrennt.<br />
Bei Unfällen mit gefährlichen Gütern sind<br />
den Einheiten der Gefahrenbekämpfung<br />
die aus dem jeweiligen Stoff resultierenden<br />
Gefahren nicht immer bekannt. Dies führt zu<br />
Unsicherheiten hinsichtlich der zu ergreifenden<br />
Bekämpfungs- und Sicherungsmaßnahmen<br />
und damit zwangsläufig zu<br />
Zeitverlusten bei der Einsatzabwicklung.<br />
Die Ursachen hierfür können einmal darin<br />
liegen, daß die zur Informationsübermittlung<br />
getroffenen Maßnahmen nicht greifen<br />
können, z. B. weil die am Fahrzeug befindlichen<br />
Begleitpapiere durch die Unfallfolgen<br />
vernichtet worden sind oder weil der Fahrer<br />
des Kraftfahrzeuges, soweit er als Informant<br />
in Betracht käme, etwa infolge Verletzung<br />
oder Unfall schocks, ausgefallen ist. Manchmal<br />
enthält auch die Gefahrgutliteratur noch<br />
keine Angaben über bestimmte Stoffe, so<br />
daß die Einheiten der Gefahrenbekämpfung<br />
nicht über den an sich notwendigen Informationsstand<br />
für die Bekämpfung der von<br />
gefährlichen Gütern ausgehenden Gefahren<br />
verfügen können. Diese Lücke wäre<br />
durch einen Informationstransfer vom Produzenten<br />
über den Beförderer hin zur Gefahrenbekämpfungsselte<br />
zu schließen.<br />
2.2 . Struktur des<br />
Gefahrenabwehrsystems<br />
Diese Informationsdefizite werden bei der<br />
Mobilität der Gefahrenherde durch das<br />
Fehlen eines durchgängig auf hohem Niveau<br />
stehenden flächendeckenden Gefahren<br />
bekämpfungssystems noch verschärft.<br />
Das duale System aus professionellen und<br />
freiwilligen Einheiten (Berufsfeuerwehr -<br />
Freiwillige Feuerwehr - Katastrophenschutz-Einheiten)<br />
hat, abgestuft nach dem<br />
Grad der Professionalität, erhebliche Unterschiede<br />
in der Ausbildung und Ausstattung<br />
zur Folge.<br />
111. Lösungsansätze<br />
Die Probleme der Gefahrenbekämpfung<br />
können sicher nicht vollständig gelöst, wohl<br />
aber durch ein Bündel von Maßnahmen wesentlich<br />
entschärft werden. Die wichtigsten<br />
werden im folgenden dargestellt:<br />
1. Informatlonsübermltllung aufgrund<br />
von GefahrgutvorschriHen<br />
Die Gefahrgutvorschriften leisten ohne jeden<br />
Zweifel einen entscheidenden Beitrag<br />
zur Risikominderung und zur Schadensbekämpfung<br />
bei Unfällen mit gefährlichen Gütern.<br />
Durch die vorgeschriebene Kennzeichnung<br />
und die Angaben in den Begleitpapieren.<br />
im Falle der Beförderung in<br />
Tanks durch die Nummern auf den orangefarbenen<br />
Warntafeln. ist eine Stoff- und Gefahrenidentifizierung<br />
stets möglich, vorausgesetzt.<br />
daß die Einheiten der Gefahrenbekämpfung<br />
sie am Unfallort vorfinden. Die<br />
am Fahrzeug mitgeführten Unfallmerkblätter<br />
enthalten zusätzliChe kurzgefaßte Angaben<br />
über unmittelbar nach dem Unfall zu treffende<br />
Sofortmaßnahmen, denen jedoch<br />
weitere Maßnahmen folgen müssen, die ihrerseits<br />
einen weiteren Informationsbedarf<br />
auslösen. In Verbindung mit Handbüchern<br />
und kleineren Gefahrgutcomputern werden<br />
die Bedarfsträger der Gefahrenabwehr mit<br />
der erforderlichen Erstinformation versorgt.<br />
Die in den Unfallmerkblättern enthaltenen<br />
Anweisungen sind so gestaltet. daß Einsatzkräfte<br />
in der Lage sein dürften, zunächst<br />
danach zu verfahren. Bei professionellen<br />
Einheiten ist dies in der Regel auch<br />
der Fall. Freiwillige. ehrenamtlich tätige Helfer<br />
werden jedoch bei Unfällen mit bestimmten<br />
Chemieprodukten nicht selten<br />
überfordert sein. Dies gilt sowohl in bezug<br />
auf ihre Ausbildung , deren Dauer zwangsläufig<br />
begrenzt sein muß. als auch auch -<br />
bei kleineren Gemeinden - hinsichtlich ihrer<br />
Ausstattung .<br />
Hieraus folgt die Forderung der Gefahrenbekämpfungsseite,<br />
dieses System noch<br />
einfacher und übersichtlich zu gestalten.<br />
Das vom Bund erlassene Vorschriftenwerk<br />
ztfr vorbeugenden Gefahrenabwehr beim<br />
Transport gefährlicher Güter ist an internationale<br />
Bestimmungen angebunden. Hinzu<br />
kommen im nationalen Bereich Regelungen<br />
mit anderen Schutzzwecken. wie Wasserhaushaltsgesetz<br />
(vorrangiQ : Schutz des<br />
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