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Magazin 198611

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Johanniter-Unfall-Hilfe<br />

Kalamata/G riechen land :<br />

Die JUH im Auslandskatastropheneinsatz<br />

Hilfe und Hoffnung den verzweifelten Erdbebenopfern gebracht<br />

Am 13. September kurz nach 20.00 Uhr<br />

Ortszeit: Die Erde bebt in Griechenland.<br />

Es ist ein schweres Beben, daß die<br />

Stärke 6,3 auf der Richterskala erreicht.<br />

Besonders betroffen sind die Stadt Kalamata<br />

auf dem Peleponnes und die umliegenden<br />

Gebiete.<br />

Kalamata bietet ein verheerendes Bild :<br />

Trümmerhaufen, wo vorher noch die malerische<br />

Altstadt gestanden hat, zerstörte<br />

Häuser, verschüttete Straßen und Wege,<br />

entwurzelte Bäume, verschüttete und um<br />

Hilfe rufende Menschen, Tote.<br />

In Kalamata kommt man kaum dazu, das<br />

ganze Ausmaß der Katastrophe zu ertassen<br />

und systematisch ihre Folgen zu beseitigen.<br />

Denn nur zwei Tage später bebt<br />

die Erde erneut (Stärke: 5,6 auf der Richterskala).<br />

Aus leicht beschädigten Häusern<br />

werden Ruinen, Krankenhäuser,<br />

Schulen und andere öffentliche Gebäude<br />

fallen in Trümmer.<br />

Eine erste Bilanz zeigt: 80 % aller Gebäude<br />

in Kalamata sind zerstört, 20 Tote,<br />

Hunderte von Verletzten, 40 000 Obdachlose.<br />

Der Sachschaden liegt nach den ersten<br />

Schätzungen bei über drei Milliarden<br />

DM.<br />

Besonders betroffen ist das Dort Palaeochori,<br />

15 Kilometer von Kalamata enllernt.<br />

Der Ort ist total zerstört. Von seinen 120<br />

Häusern stehen noch drei. Zum Glück<br />

befinden sich fast alle 400 Einwohner zur<br />

Zeit des Bebens im Freien bei einer Prozession.<br />

Die Hilfsmaßnahmen im betroffenen Gebiet<br />

setzen bald ein. Doch es zeigt sich,<br />

daß die nationalen Hilfsmaßnamen nicht<br />

ausreichen. Zu groß sind die Erdbebenfolgen.<br />

Internationale Solidarität ist gefragt.<br />

Viele Organisationen, Verbände, Regierungen<br />

und Einzelpersonen fühlen sich<br />

angesprochen, auch in Deutschland. Die<br />

JUH ist dabei. Schon am 16. 9. 1986<br />

bricht ein erstes Team nach Kalamata<br />

auf. Geleitet wird es vom Oberarzt Dr.<br />

Rainer Schmitz, Chirurg aus Köln.<br />

Ein Notarztwagen der JUH-Frankfun, versehen<br />

mit einer medizinischen Ausstattung<br />

für zehn Tage, wird ins Katastrophengebiet<br />

übertührt. Der Einsatz ertolgt<br />

im Auftrag des Weltrates der Kirchen und<br />

in enger Abstimmung mit dem Diakonischen<br />

Werk.<br />

Wichtigste Aufgabe des Teams ist die<br />

Mitwirkung bei der ärztlichen Versorgung<br />

der notleidenden Bevölkerung. Innerhalb<br />

der ersten drei Wochen werden vom<br />

JUH-Team über 3000 Betroffene betreut,<br />

wie Dr. Schmitz in einem seiner ersten<br />

Telefonberichte feststellt.<br />

Die JUH betreibt dort die einzige feste<br />

Sanitäts station im Schichtdienst. Die Akzeptanz<br />

ist hervorragend. Das Tearrf hat<br />

sich auf Grund seiner Zuverlässigkeit einen<br />

sehr guten Namen gemacht. Es wird<br />

zu allen wichtigen Entscheidungen herangezogen.<br />

Anfängliche Schwierigkeiten<br />

sind bereits behoben oder werden es<br />

gerade. Zwei Dolmetscher und eine grie­<br />

Chische Kinderärztin haben sich angeschlossen<br />

und arbeiten tatkräftig mit.<br />

14 Stunden sind die Helfer täglich im Einsatz.<br />

Am 23. 9. 1986 fliegt mit einer Transali<br />

der Bundeswehr von Köln-Wahn aus das<br />

2. JUH-Team nach Griechenland. Es soll<br />

vor allem bei der Betreuung und Versorgung<br />

eines Camps für die Erdbebenopfer<br />

mitwirken. Eine Krankenschwester, ein<br />

Krankenpfleger, zwei Köche und zwei<br />

Techniker haben Urlaub genommen, um<br />

selbstlos in Not geratenen Menschen zu<br />

helfen. Eine ganze Kücheneinheit, eine<br />

•<br />

. Krankenpflegeausstattung und viele weitere<br />

Versorgungsmaterialien werden mitgenommen.<br />

Gleichzeitig laufen in Deutschland Spendenaktionen<br />

an. Vor allem in Göttingen<br />

tut sich für die JUH viel. Das .Götlinger<br />

Tageblatt· und der allgemeine Anzeiger<br />

.Göttinger Blick" beginnen eine gemeinsame<br />

Spendenaktion. Initiator ist der<br />

Wissenschaftler Dr. Dieter Mengel, der<br />

während des Unglücks nur 10 Kilometer<br />

enllernt bei seinem griechischen Freund<br />

Petros zu Besuch war.<br />

Gemeinsam fuhren sie nach Kalamata<br />

und sahen das ganze Ausmaß der Katastrophe.<br />

Zurückgekehrt nach Deutschland<br />

entwickelt Mengel die Idee, die die beiden<br />

Göttinger Zeitungen unterstützen:<br />

Zeitungsleser spenden für einen neuen<br />

Kindergarten in Kalamata und übernehmen<br />

die Patenschaft. Das Gebäude soll<br />

aus Fertigteilen errichtet werden, um<br />

möglichst schnell zur Vertügung zu stehen.<br />

Es wird ein Spendenkonto der Johanniter-Unfall-Hilfe<br />

eingerichtet. Und die JUH<br />

erklärt sich bereit, den Transport von<br />

Sachspenden nach Kalamata zu übernehmen.<br />

Informationsstände werden in<br />

der Göttinger Innenstadt aufgebaut. Es<br />

wird gesammelt ; Firmen, Institutionen und<br />

Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens<br />

werden um Unterstützung gebeten. Mit<br />

allen Mitteln wird versucht, das Schicksal<br />

der Erdbebenopfer im Bewußtsein zu halten.<br />

Celle schließt sich der Spendenaklion<br />

an.<br />

Information tut Not. Denn das Schicksal<br />

von Kalamata gerät schnell, zu schnell<br />

aus den Schlagzeilen der Medien. Terrormeldungen<br />

aus Frankreich, die Vorbereitung<br />

des Gipfeltreffens zwischen Reagan<br />

und Gorbatschow in Rejkjavik, der Verkauf<br />

der Neuen Heimat, das Erdbeben in<br />

EI Salvador beherrschen bald das Bild.<br />

Es waren ja nur 20 Tote, da wird schnell<br />

zur Tagesordnung übergegangen.<br />

Dabei hätten es leicht Tausende und<br />

mehr sein können. Tatsächlich hatte die<br />

BeVÖlkerung Kalamatas Glück im Unglück.<br />

Denn zur Einweihung einer neuen<br />

Fähre nach Kreta wurde im Hafen Qin<br />

Volksfest gegeben. Daran nahmen mehr<br />

als 10000 Schaulustige teil. Sie befanden<br />

sich nicht in ihren Häusern, sie wurden<br />

nicht unter den Trümmern begraben oder<br />

von ihnen erschlagen.<br />

In Göttingen, in Celle, aber auch in anderen<br />

Städten und Gemeinden wird weiterhin<br />

alles daran gesetzt, das Bewußtsein<br />

um Kalamata wach zu haften und es nicht<br />

zur "vergessenen Katastrophe" werden<br />

ZS-MAGAZIN 11-12186 61

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