Magazin 198611
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Auszüge aus den Reden von Staatssekretär Wolfgang Müllenbrock vom Senator für Inneres in Berlin<br />
und von Volker KrOning, Senator für Inneres der Freien und Hansestadt Bremen, zum Thema Zivilschutz<br />
Das Thema Zivilschutz wird immer wieder<br />
in die pOlitische Auseinandersetzung eingebracht<br />
und von Vertretern verschiedenster<br />
Couleur diskutiert. So äußerte sich zum<br />
Beispiel Staatssekretär Wolfgang Müllenbrock<br />
vom Senator für Inneres in Berlin<br />
zum .zivilschutz in Beriin' im Rahmen der<br />
Vortragsveranstaltung .zivilschutz in der<br />
Diskussion", von der das .zivilschutz-<strong>Magazin</strong>"<br />
bereits berichtete (Ausgabe 6/86).<br />
Volker Kröning, Senator für Inneres der<br />
Freien Hansestadt Bremen, sprach anläBlieh<br />
einer BVS-Ausstellungseröffnung über<br />
.ziele und Grenzen des Zivil- und Katastrophenschutzes".<br />
Nachfolgend geht das<br />
.zivilschutz-<strong>Magazin</strong>" auf beide Ansprachen<br />
näher ein.<br />
Zlvit.ehutz - ein .vornanglg<br />
pollti.ehe. Thema"<br />
Als ein ,vorrangig politisches Thema" bezeichnet<br />
Staatssekretär Wolfgang Müllenbrock<br />
den Komplex Zivilschutz. Aus diesem<br />
Grunde ist es für den Redner wichtig, allgemein<br />
politische Bemerkungen dem eigentlichen<br />
Referatsthema voranzustellen. So sei<br />
,die Konfrontation zweier hochgerüsteter<br />
antagonistischer Paktsysteme' mit ein<br />
Grund daJür, daß ,wir zugleich in einer Epoche<br />
(leben), die länger von kriegerischen<br />
Auseinandersetzungen auf unserem Kontinent<br />
verschont geblieben ist als es der<br />
Menschheit in diesem Jahrhundert bis dahin<br />
vergönnt war.' Ob man sich dieser<br />
Phase des Friedens, die in der Bundesrepublik<br />
seit 1945 besteht, sicher sein kann -<br />
diese Frage stellt Müllenbrock während<br />
seines Vortrags. Die Antwort gibt er sogleich<br />
selbst: ,Ich meine Ja, und zwar<br />
heute mehr noch als wenige Jahre nach<br />
Beendigung des 2. Weltkrieges, weil das<br />
Führen eines Krieges mit einem so immensen<br />
selbstmörderischen Risiko für jeden<br />
Beteiligten verbunden ist, daß dies auf jeden<br />
Fall die erziel baren Vorteile unendlichfach<br />
übersteigt:<br />
Aus diesem Grunde meint der Staatssekretär<br />
auch, ,daß die Vorstellungen der Friedensbewegung<br />
im Falle ihrer Realisierung<br />
den Frieden nicht sicherer machen ... Die<br />
als langfristige Zielvorstellung propagierte<br />
Abschaffung aller Atomwaffen hätte zur Folge,<br />
daß Kriege wieder möglich, da übe riebbar<br />
würden:<br />
Den , Exkurs in die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik<br />
... erscheint" dem Staatssekretär<br />
.notwendig zum Verständnis und<br />
zur Deutung vieler Phänomene und Probleme,<br />
denen wir uns heute gegenübersehen,<br />
wenn es gilt, die Notwendigkeit von Strategien<br />
und Einzeimaßnahmen auf dem Gebiet<br />
des Zivilschutzes zu begründen und sie gegen<br />
den Vorwurl zu verteidigen, sie seien -<br />
schlimmstenfalls - Akte der Kriegsvorbereitung<br />
oder - bestenfalls - sinnlose Geldausgaben:<br />
Zitat von Carl-Frledrleh von<br />
Welzaleker<br />
, ... die grundsätzlichen Positionen, Wertungen<br />
und Interessen der beiden großen<br />
politischen Lager in unserem Land', so<br />
fährt Müllenbrock fort, driften .in unserem<br />
Land im Augenblick auf immer mehr sicherheitspolitisch<br />
relevanten Politikfeldern auseinander.<br />
Eines dieser Felder ist der Bereich<br />
des Zivilschutzes. Dies gilt bundesweit,<br />
aber auch und in ganz besonderem<br />
Maffe in bezug auf unsere Stadt .. : Auf die<br />
Berlin-spezifische Situation - nämlich hinsichtlich<br />
der rechtlichen Verankerung (Besatzungsrecht)<br />
- geht der Referent im weiteren<br />
Verlauf seiner Ausführungen ein.<br />
Zivilschutz bzw. den ,Bau von Bunkern" als<br />
,kriegsvorbereitende Maßnahmen' zu bezeichnen,<br />
hält Müllenbrock ,nicht nur für<br />
falsch, sondern auch entschieden für gefährlich<br />
und unverantwortlich. Sie beruhen<br />
auf Prämissen, die in dieser Form ganz<br />
oder teilweise unzutreffend sind :<br />
- Es trifft nicht zu, daß jeglicher Krieg, in<br />
welchem Atomwaffen ein?esetzt werden,<br />
schlechthin nicht überleöbar oder überlebenswert<br />
ist. Diese Aussage orientiert<br />
sich an der Vorstellung, es würden in<br />
jedem Falle Atomwaffen größter Detonationskraft<br />
und in größtem Umfange eingesetzt<br />
werden. Demgegenüber ist es jedoch<br />
vorstellbar, daß ein Krieg mit einem<br />
beiderseits bewußt und kalkuliert reduzierten<br />
Arsenal an Atomwaffen geführt<br />
werden könnte.<br />
- Es trifft nicht zu, daß eine kriegerische<br />
Auseinandersetzung heutzutage nur als<br />
Atomkrieg denkbar ist. In der makaberen<br />
Logik des beiderseitigen vielfachen atomaren<br />
Overkill-Potentials liegt auch die<br />
Möglichkeit der Krieg Sführung mit konventionellen<br />
Waffen als der einzig ,gewinnbaren'.<br />
Es sollte zu denken geben,<br />
daß auf unserer Erde seit 1945 annähernd<br />
70 Kriege mit herkömmlichen Waffen<br />
geführt wurden, aber keine einzige<br />
Atomwaffe eingesetzt wurde, obwohl<br />
dies einer Reihe von kriegführenden<br />
Staaten möglich gewesen wäre:<br />
Mit einem Zitat von Carl-Friedrich von Weizsäcker<br />
belegt der Referent die Notwendigkeit<br />
des Zivilschutzes:<br />
.Dringend not tut heute ein Wandel des<br />
öffentlichen Bewußtseins in Fragen des Bevölkerungsschutzes.<br />
Es handelt sich darum,<br />
seit Jahrzehnten Versäumtes rasch,<br />
maßvoll, entschlossen und ohne Panik<br />
nachzuholen. Der Grund dafür ist rein humanitär.<br />
Menschen müssen geSChützt werden<br />
: Wir, unsere Angehörigen, unsere Kinder<br />
und Enkel, unsere Freunde und Mitbürger.<br />
Begrenzte Kriegshandlungen in unserem<br />
Lande sind möglich, und ob es, vielleicht<br />
in wenigen Jahren, zu ihnen kommt,<br />
hängt nicht von uns allein ab.<br />
Die Meinung, der Friede sei schon gesichert,<br />
war immer ein Irrtum. Die Meinung,<br />
jeder mögliche Krieg sei so übergroß, daß<br />
es keinen Schutz gegen ihn gäbe, ist eben-<br />
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