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Orthopädie und Unfallchirurgie - Deutsche Gesellschaft für ...

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Recht <strong>und</strong> Wirtschaft<br />

NIEDERGELASSENE VERTRAGSÄRZTE<br />

Korruptives Verhalten nicht strafbar<br />

Der Große Senat für Strafsachen des B<strong>und</strong>esgerichtshofes (BGH), der für die Beantwortung gr<strong>und</strong>sätzlicher<br />

Rechtsfragen zuständig ist, hat in seinem seit Monaten mit Spannung erwarteten Gr<strong>und</strong>satzbeschluss<br />

(Az.: GSSt 2/11) entschieden, dass niedergelassene <strong>und</strong> zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene<br />

Ärzte, die von Pharmaunternehmen Geschenke oder andere Vorteile <strong>und</strong> Provisionen für die<br />

Verschreibung bestimmter Arzneimittel entgegennehmen, sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar<br />

machen.<br />

Der erst jetzt veröffentlichten Entscheidung<br />

vom 29. März 2012 lag die Frage<br />

zugr<strong>und</strong>e, ob niedergelassene, für die<br />

vertragsärztliche Versorgung zugelassene<br />

Ärzte bei der Wahrnehmung der<br />

ihnen gemäß § 73 Absatz 2 Sozialgesetzbuch<br />

V (SGB V) übertragenen Aufgaben,<br />

insbesondere bei der Verordnung von<br />

Arzneimitteln, als Amtsträger im Sinne<br />

des § 11 Absatz 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch<br />

(StGB) <strong>und</strong>/oder als Beauftragte der gesetzlichen<br />

Krankenkassen im Sinne des<br />

§ 299 StGB handeln. Diese Eigenschaft ist<br />

Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach<br />

den sogenannten Korruptionstatbeständen<br />

des Strafgesetzbuches. In seinem am<br />

22. Juni 2012 veröffentlichten Beschluss<br />

stellt der BGH nunmehr klar, dass niedergelassene<br />

Ärzte weder als „Amtsträger“<br />

noch als „Beauftragte“ der gesetzlichen<br />

Krankenkassen anzusehen sind, so dass<br />

eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit<br />

nach den derzeit geltenden Strafvorschriften<br />

ausscheidet.<br />

Dieser Entscheidung lag ein Fall zugr<strong>und</strong>e,<br />

in dem ein Arzneimittelhersteller<br />

niedergelassenen Ärzten Provisionen in<br />

Höhe von fünf Prozent des Herstellerabgabepreises<br />

dafür gezahlt hatte, dass sie<br />

ein bestimmtes Arzneimittel verschrieben.<br />

Das Landgericht Hamburg verurteilte<br />

den Arzt wegen Bestechlichkeit sowie<br />

die Pharmareferentin wegen Bestechung<br />

zu Geldstrafen. Gegen diese Entscheidung<br />

legte die Pharmareferentin Revision<br />

zum B<strong>und</strong>esgerichtshof ein.<br />

Freiberufliche Vertragsärzte sind keine<br />

Amtsträger<br />

Der BGH führte in seiner Entscheidung<br />

aus, dass zwar die Krankenkassen als<br />

Stellen der öffentlichen Verwaltung zu<br />

qualifizieren seien <strong>und</strong> das System der<br />

gesetzlichen Krankenversicherung eine<br />

aus dem Sozialstaatsprinzip folgende<br />

Aufgabe sei. Dennoch seien Vertragsärzte<br />

nicht dazu bestellt, Aufgaben der öffentlichen<br />

Verwaltung wahrzunehmen.<br />

Der freiberuflich tätige Vertragsarzt sei<br />

weder Angestellter noch Funktionsträger<br />

einer öffentlichen Behörde <strong>und</strong> damit<br />

kein Amtsträger. Er werde aufgr<strong>und</strong> der<br />

individuellen, freien Auswahl des gesetzlich<br />

versicherten Patienten tätig. Sein<br />

Verhältnis zu dem Patienten werde – ungeachtet<br />

der mit der Zulassung verb<strong>und</strong>enen<br />

Verpflichtung zur Teilnahme an<br />

der vertragsärztlichen Versorgung – wesentlich<br />

von persönlichem Vertrauen <strong>und</strong><br />

einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet,<br />

die der Bestimmung durch die gesetzlichen<br />

Krankenkassen entzogen sei.<br />

Die Einbindung des Vertragsarztes in das<br />

System der öffentlichen Daseinsfürsorge<br />

verleihe der vertragsärztlichen Tätigkeit<br />

daher nicht den Charakter hoheitlich gesteuerter<br />

Verwaltungsausübung.<br />

Auch sei der Vertragsarzt bei der Verordnung<br />

von Arzneimitteln nicht Beauftragter<br />

der gesetzlichen Krankenkasse.<br />

Zum einen bewegten sich Vertragsärzte<br />

<strong>und</strong> Krankenkassen bei der Versorgung<br />

gesetzlich versicherter Patienten auf Augenhöhe.<br />

Zum anderen träfen nicht die<br />

Krankenkassen, sondern die Patienten<br />

die Arztwahl, an welche die Krankenkassen<br />

geb<strong>und</strong>en sei. Von der Übernahme<br />

einer Aufgabe durch den Vertragsarzt für<br />

die Krankenkasse könne daher auch bei<br />

der Verordnung von Medikamenten keine<br />

Rede sein.<br />

Urteil stärkt die Freiberuflichkeit des<br />

Arztberufes<br />

Die Entscheidung des Großen Senats für<br />

Strafsachen beim BGH ist sehr zu begrüßen,<br />

da sie den ärztlichen Beruf als freien<br />

Beruf stärkt <strong>und</strong> das Arzt-Patienten-<br />

Verhältnis in den Vordergr<strong>und</strong> rückt.<br />

Der BGH betont in seinem Beschluss zu<br />

Recht, dass der freiberuflich tätige Vertragsarzt<br />

weder Angestellter noch Funktionsträger<br />

einer öffentlichen Behörde<br />

ist. Dennoch darf diese Entscheidung<br />

nicht insoweit missverstanden werden,<br />

dass unzulässige Zuwendungen an Ärzte<br />

nur an strafrechtlichen Vorschriften<br />

gemessen werden. Vielmehr sind solche<br />

Zahlungen an den geltenden Vorschriften<br />

des Berufsrechts, des Sozialrechts sowie<br />

des Wettbewerbs- <strong>und</strong> Heilmittelwerberechts<br />

zu messen, welche die Forderung<br />

oder Annahme unzulässiger Zuwendungen<br />

als unzulässig qualifizieren <strong>und</strong> auch<br />

entsprechend sanktionieren.<br />

So ist es nach § 31 der Musterberufsordnung<br />

(MBO) allen Ärzten untersagt, für<br />

die Verordnung oder den Bezug von Arznei-<br />

oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten<br />

ein Entgelt oder andere Vorteile<br />

zu fordern oder anzunehmen. Darüber<br />

hinaus enthält § 32 MBO das Verbot, Geschenke<br />

oder andere Vorteile zu fordern<br />

oder anzunehmen, wenn hierdurch der<br />

Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit<br />

der ärztlichen Entscheidung<br />

beeinflusst wird. Diese Verbote sind Ausfluss<br />

der Verpflichtung aus § 30 MBO,<br />

dass Ärzte in allen vertraglichen <strong>und</strong><br />

sonstigen beruflichen Beziehungen zu<br />

Dritten ihre ärztliche Unabhängigkeit bei<br />

der Behandlung der Patienten zu wahren<br />

haben. Auch im SGB V finden sich<br />

entsprechende Regelungen. Nach § 128<br />

SGB V sind Zahlungen an Ärzte im Zusammenhang<br />

mit der Verordnung von<br />

Arznei-, Heil- <strong>und</strong> Hilfsmitteln untersagt.<br />

Diese Vorschrift wurde zuletzt im Zuge<br />

des Versorgungsstrukturgesetzes um einen<br />

weiteren Absatz ergänzt, in dem der<br />

412<br />

Orthopädie <strong>und</strong> <strong>Unfallchirurgie</strong> Mitteilungen <strong>und</strong> Nachrichten |August 2012

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