Druck - Deutscher Rat für Landespflege
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die Wälder in gleichmäßige, operationale<br />
Portionen (vgl. Abb. 7) – eine äußere Ordnung,<br />
in der sie sich noch heute präsentieren.<br />
Möglicherweise lässt sich die geometrische<br />
Formensprache, zu welcher der Prozess der<br />
<strong>Rat</strong>ionalisierung der Fluren, wie er im 18.<br />
Jh. konzipiert wurde, tendierte, an der Umgestaltung<br />
der großen Forsten am einfachsten<br />
demonstrieren. Doch die geometrischen<br />
Präferenzen beschränkten sich, wie zu erwarten,<br />
keineswegs auf waldbauliches Terrain.<br />
Die Reorganisation des Offenlandes<br />
und der bäuerlichen Kernfluren gehörte zu<br />
den Ur-Anliegen der Reformer. Bereits in<br />
Justis agrarreformerischen Schriften lässt<br />
sich nachlesen, um wie viel vollkommener<br />
die Landwirtschaft eingerichtet wäre, wenn<br />
der Landmann all seine Äcker und Gründe<br />
in einem Stück liegen hätte – und zwar, wie<br />
Justi empfiehlt, „in zwölf große Quadrate<br />
eingeteilet“ (JUSTI 1761, S. 5 ff.). Wieder<br />
geht es um Aspekte ökonomischer <strong>Rat</strong>ionalität.<br />
Erstens sollten, um Arbeitswege, Zugvieh<br />
und Gesinde zu sparen, die Bauern statt<br />
in Dörfern über die Flur zerstreut inmitten<br />
ihrer Gründe, zumindest aber so wohnen,<br />
dass sie „alle ... Ländereien und Grundstücke“<br />
hinter ihrem Haus „beyeinander liegen“<br />
hatten (ebd., S. 13). Zweitens ließen<br />
sich – ähnlich wie im Falle der Wälder und<br />
Schläge – die Betriebsabläufe von Anbau<br />
und Fruchtfolge durch eine exakte und<br />
proportionierliche Flächenaufteilung optimal<br />
strukturieren. Dass es – wiederum –<br />
ausgerechnet Quadrate sein mussten (auch<br />
Rechtecke oder Parallelogramme wären<br />
denkbar gewesen), dürfte weniger mit<br />
betriebswirtschaftlichen Erwägungen als<br />
damit zu tun haben, dass das Quadrat als<br />
Grund- und Idealgestalt rechtwinkliger Ordnung<br />
schlechthin fungierte.<br />
Abb. 7: Der Wald als Schachbrett: Die vollendete Geräumterordnung des Ebersberger Forsts zu<br />
Beginn des 19. Jh. (Ausschnitt topographischer Atlas von Bayern).<br />
Wie eng die visuelle Ordnung – das<br />
„erwünschliche Aussehen und die wunderbare<br />
Gestalt“ – einer neuen und nach den<br />
„Gesetzen der Natur“ gestalteten Landschaft<br />
geometrischer Formensprache verpflichtet<br />
war (Anon. 1769, S. 39), lässt sich<br />
beispielsweise an zwei um 1800 nahe München<br />
gegründeten Mooskolonien sehen, vor<br />
allem an dem jüngeren Ludwigsfeld mit<br />
seinen in Linie liegenden Häusern und<br />
gleichförmig in das Moor getriebenen Gründen<br />
(vgl. Abb. 8). Und mehr noch an einem<br />
Idealplan, den der eingangs erwähnte Joseph<br />
Hazzi Anfang des 19. Jh. für eines der Dörfer<br />
im Altsiedelland um München entwarf:<br />
gerade Grundstücksgrenzen, absolut geradlinige,<br />
sich rechtwinklig schneidende Wege<br />
und Straßen, in Rechtecke zergliederte Gärten,<br />
ein begradigter Wasserlauf – selbst der<br />
Kirchhof im Viereck angelegt (vgl. Abb. 9).<br />
Hazzis Idealplan stellte eine durch ihren<br />
formalen Rigorismus ästhetisierte und dramatisierte<br />
Musterlandschaft vor, die dem<br />
„praktischen“ Natur- und Fortschrittsideal<br />
Abb. 8: Die Mooskolonie Ludwigsfeld im<br />
Dachauer Moor bei München 1812 (Ausschnitt<br />
topographischer Atlas von Bayern).<br />
einer auf Wohlfahrt und Glückseligkeit bedachten<br />
Aufklärung folgte – eine Zukunftsvision,<br />
die zeigen sollte, wie (jenseits verspielter<br />
Gärten und Parks) eine neue, moderne<br />
Welt aussehen könnte. Hazzis Vision<br />
hatte keine beliebige Gestalt. Indem sie die<br />
materielle und ästhetische Durchsetzung des<br />
Forschrittsprojektes des 18. Jh. antizipierte,<br />
wohnte ihr eine gewisse Zukunftskraft inne<br />
– auch wenn uns neben der Neugestaltung<br />
8 Erwünschliches Aussehen<br />
Es wäre zu kurz gegriffen, diesen „Geometrismus“<br />
rein ökonomisch erklären zu<br />
wollen. Die Ordnung, die in der Natur wie<br />
den Dörfern einkehren sollte, war nicht nur<br />
ökologisch-ökonomisches, sondern zugleich<br />
ästhetisches Programm.<br />
Wie eine Antwort auf William Kent und<br />
dessen Diktum von der Natur, die die Gerade<br />
verabscheut, lehnten anscheinend die<br />
Reformer der Wildnis das Krumme ab. Ihnen<br />
schienen noch immer Gerade und Winkel<br />
am besten geeignet, den Unterschied<br />
zwischen Gewachsenem und Gestaltetem,<br />
zwischen Wildwuchs und Kultiviertem zu<br />
betonen und damit auch die Harmonie einer<br />
ebenso schön wie zweckmäßig eingerichteten<br />
Natur zum Ausdruck zu bringen.<br />
Abb. 9: Idealplan zur Arrondierung des Dorfs und der Fluren von Freimann bei München (Josef<br />
Hazzi, 1818).