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Druck - Deutscher Rat für Landespflege

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Denkmalpflege findet sich noch in der bis<br />

heute existierenden Schutzkategorie „Naturdenkmal“<br />

des Bundesnaturschutzgesetzes.<br />

Drückte der Begriff „Denkmal“<br />

aus, dass er etwas Künstliches, von Menschenhand<br />

und Geist Erschaffenes darstellt<br />

(z. B. zur Erinnerung an bestimmte hervorragende<br />

Ereignisse, Persönlichkeiten, oder<br />

aus vergangenen Zeiten stammende Baureste<br />

oder Kunstgegenstände), sollte nach<br />

CONWENTZ (1904) mit der neu eingeführten<br />

Bezeichnung „Naturdenkmal“ der<br />

Schöpfungen der Natur gedacht werden.<br />

Dies waren beispielsweise Findlinge, durch<br />

Aufbau, Form und Größe ausgezeichnete<br />

Felsen, Berge oder Gebirge, natürliche Landschaften<br />

mit ihrer Bodengestaltung, mit Wasserläufen<br />

und Seen, mit den typischen Pflanzen-<br />

und Tierarten sowie einzelnen Arten<br />

und Individuen der Flora und Fauna. Einige<br />

der damaligen Länder des Reiches regelten<br />

ab 1900 bereits den Schutz von Naturdenkmalen<br />

in Denkmal-, Heimat- und Verunstaltungsgesetzen<br />

(z. B. Großherzogtum Hessen-Darmstadt:<br />

Gesetz den Denkmalschutz<br />

betreffend von 1902, Oldenburgisches<br />

Denkmalschutzgesetz von 1911, HÖNES<br />

2004).<br />

Weimarer Verfassung<br />

Artikel 150, (1): Die Denkmäler der<br />

Kunst, der Geschichte und der Natur<br />

sowie die Landschaft genießen den<br />

Schutz und die Pflege des Staates.<br />

Den Anliegen des Heimat- und Naturschutzes<br />

wurde in der Weimarer Verfassung von<br />

1919 Rechnung getragen und sowohl der<br />

Denkmal- als auch der Natur- und Landschaftsschutz<br />

wurden als Staatsziel aufgenommen;<br />

beide gehörten in den Zuständigkeitsbereich<br />

des Ministeriums für<br />

kulturelle Angelegenheiten. Viele Heimat-,<br />

Natur- und Landschaftsschützer, insbesondere<br />

auch deren Exponenten, öffneten sich<br />

im Lauf der Zeit den aktiv antidemokratischen,<br />

rassistischen und nationalistischen<br />

Strömungen der 1920er und 1930er Jahre,<br />

ließen sich durch Erfolge vereinnahmen – z.<br />

B. wurde 1935 das Reichsnaturschutzgesetz<br />

verabschiedet und bei dieser Gelegenheit<br />

dem Reichsforstamt zugeordnet – und folgten<br />

mehr oder weniger den Ideologien des<br />

Nationalsozialismus.<br />

Die Trennung von Heimatschutz und Naturund<br />

Landschaftsschutz blieb nach dem Neuanfang<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten.<br />

Die Naturschutzbeauftragten schlossen<br />

sich 1947 zur „Arbeitsgemeinschaft <strong>Deutscher</strong><br />

Beauftragter für Naturschutz und Landschaftspflege“<br />

(heute: Bundesverband Beruflicher<br />

Naturschutz) zusammen, die 1950<br />

Mitbegründerin des Dachverbandes <strong>Deutscher</strong><br />

Naturschutzring war; die Vertreter des<br />

Naturschutzes und der Landschaftspflege<br />

knüpften dabei nahtlos an die inhaltlichen<br />

Themen (Gebietsschutz, Auseinandersetzung<br />

mit den verschiedenen Formen der<br />

Landnutzung, vgl. die ersten Deutschen<br />

Naturschutztage, KRAFT & WURZEL<br />

1997) aus der Zeit vor dem Nationalsozialismus<br />

an. KÖRNER (2003) stellte fest,<br />

dass die Begriffe Heimat und Heimatschutz<br />

bis etwa 1970 – dem Zeitpunkt der Entstehung<br />

einer eigenständigen Umweltpolitik –<br />

mit dem Nachrücken einer jüngeren Generation<br />

von Naturschützern nahezu vollständig<br />

aus der Naturschutzrhetorik und aus den<br />

Naturschutzbegründungen verschwunden<br />

waren. 6 Heimat und Heimatschutz wurden<br />

durch die Verquickung mit den Begriffen<br />

der Nazi-Ideologie als negativ belastet angesehen;<br />

gleichzeitig wurden jedoch mit<br />

ihrer Ausblendung auch ästhetische und ethische<br />

Argumente aus den Begründungen von<br />

Naturschutzzielen verdrängt. Der Schwerpunkt<br />

lag seitdem bis in die jüngere Vergangenheit<br />

auf ökologischen Begründungen<br />

(dazu KONOLD 2004). Der Deutsche<br />

Heimatbund wurde 1952 wieder gegründet<br />

und widmete sich zunächst der Pflege der<br />

Heimat, insbesondere von Brauchtum und<br />

Mundart sowie der Integration der Heimatvertriebenen,<br />

seit den 1970er Jahren verstärkt<br />

dem Schwerpunkt Umweltschutz. Er<br />

löste sich seinerseits von belasteten Begriffen,<br />

z. B. „Volkstum“ (FISCHER 2004).<br />

3 Landschaft und Heimat als<br />

Konstrukt des Kopfes<br />

Es gibt im alltäglichen Leben und auch in<br />

der alltäglichen Sprache einen kontinuierlichen,<br />

ungebrochenen und unbelasteten Gebrauch<br />

des Wortes Heimat. Die meisten<br />

Menschen hegen heimatliche Gefühle und<br />

fühlen sich irgendwo, auch an mehreren<br />

Orten, heimisch, auch wenn sie die Heimat<br />

manchmal anders nennen. Und kaum ein<br />

Mensch steht dem Thema „Heimat“ gänzlich<br />

teilnahmslos gegenüber – dies belegt<br />

die Auseinandersetzung damit, z. B. bei<br />

Politologen, Soziologen und Schriftstellern<br />

– und dies belegen auch die heterogenen<br />

Diskussionsbeiträge zu den „Vilmer Thesen<br />

zu Heimat und Naturschutz“ in den<br />

Leserzuschriften von Natur und Landschaft:<br />

Der Heimatbegriff repräsentiere nur die „Liebe<br />

zur engeren Umgebung“, der Heimatbegriff<br />

sei lediglich zu „entstauben“, eine<br />

Wiederbelebung des Heimatkundeunterrichts<br />

in den Grundschulen sei notwendig,<br />

Heimat sei „ein schöner Begriff, der das<br />

Herz anspreche“, wer „Heimat“ kritisiere<br />

sei ein naturschutzfeindlicher „Demokratie-Ideologe“.<br />

7<br />

Heimatliebe wird häufig als unschuldiges<br />

Gefühl gesehen, das man kaum einem Menschen<br />

zum Vorwurf machen kann. Kinder<br />

benötigen „Heimat“ im Sinne lebensweltlicher<br />

Geborgenheit als Grundlage für<br />

Weltzuwendung und -entdeckung. Der oft<br />

zitierte Zusammenhang von Heimat und<br />

Kindheit verleiht dem Heimatbegriff etwas<br />

Rührendes, verbunden mit dem Gefühl von<br />

Erinnerungen, von unwiederbringlichen<br />

Verlusten, da in die Kindheit kein Weg<br />

zurückführt (siehe FLITNER und OTT in<br />

diesem Heft). Aber die so harmlos klingenden,<br />

gefühlsbetonten begrifflichen Assoziationen<br />

lassen sich populistisch missbrauchen<br />

und können dann Menschen zu unmoralischem<br />

Denken und Handeln verführen,<br />

wie es im Nationalsozialismus und auch bei<br />

jüngeren rechtsradikalen Ideologien geschah<br />

und geschieht. Diese Gefahr darf nicht unterschätzt<br />

werden, wenn der Naturschutz<br />

die Heimatliebe, das Bedürfnis nach Vertrautheit,<br />

Zugehörigkeit, Gemeinschaft und<br />

Geborgenheit als positive Grundeinstellung<br />

von Menschen zu ihrer Umwelt für sich<br />

nutzen möchte. Sicherlich kann er damit<br />

seine Akzeptabilität „vor Ort“ und seine<br />

Erfolgsaussichten erhöhen, und zwar gerade<br />

für die Einbringung kultureller, ästhetischer<br />

und emotionaler Belange. Doch solche<br />

mit „Heimat“-Argumenten verknüpften<br />

Naturschutz-Konzeptionen und -Argumentationen<br />

bedürfen wegen der Missbrauchsgefahr<br />

stets einer gründlichen, auf ethische<br />

und historische Überlegungen zurückgreifenden,<br />

kritischen Überprüfung.<br />

Die heutige Umweltethik liefert nach OTT<br />

(in diesem Heft) alle Begründungen, die<br />

nicht nur für den Umweltschutz, sondern<br />

auch für den Tier- und Naturschutz vorgebracht<br />

werden können, und auch der erwähnten<br />

kritischen Überprüfung unterzogen<br />

wurden. Daher können auch „Heimat“-<br />

Argumente durchaus als Ausgangspunkt<br />

ethischer Begründungen des Naturschutzes<br />

dienen und ihn damit in übergreifende<br />

umwelt- und allgemein-ethische Zusammenhänge<br />

einbetten. Das Heimatthema sollte<br />

daher nicht länger tabuisiert werden – und<br />

es lässt sich auch nicht tabuisieren, wie die<br />

Auseinandersetzung in anderen Wissensdisziplinen<br />

bezeugt. Seine Vermeidung in<br />

der Naturschutzdiskussion, wie sie bei<br />

KIRSCH-STRACKE (2005) anklingt, kann<br />

der Deutsche <strong>Rat</strong> für <strong>Landespflege</strong> daher<br />

keinesfalls befürworten. Die in guter Absicht<br />

verwendeten Ersatzbegriffe wie „Bio-<br />

6 Vgl. hierzu auch PIECHOCKI (2004): Seine<br />

Auswertung von rd. 80 Jahrgängen der Zeitschrift<br />

Natur und Landschaft belegt dies deutlich.

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