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Druck - Deutscher Rat für Landespflege

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Um die Dimension dieses technischen Netzes<br />

zu veranschaulichen, sind die Zahlen<br />

des Jahres 2004 für Deutschland wiedergegeben:<br />

Die Anzahl der Transformatoren beträgt<br />

566.000.<br />

Die „Stromkreislänge“ beträgt insgesamt<br />

1.641.500 km.<br />

Davon:<br />

Niederspannung (0,4 kV) : 1.039.500 km<br />

Mittelspannung (6 – 60 kV): 490.600 km<br />

Hochspannung (60 – 220 kV): 75.400 km<br />

Höchstspannung (220 u. 380 kV) :<br />

36.000 km.<br />

„In die elektrischen Netze werden jährlich<br />

ca. 2 Milliarden Euro investiert, das sind<br />

über 50 % der gesamten Investitionen in der<br />

Stromwirtschaft (Prognosewert 2003)“ (Verband<br />

der Netzbetreiber 2004).<br />

Dieser erneute enorme Ausbau des Netzes<br />

blieb nicht ohne Einfluss auf die gesamtgesellschaftliche<br />

Diskussion. Die Autoren<br />

einer 1985 publizierten Studie über die technische<br />

und wirtschaftliche Bewertung der<br />

Trassenführung und Verkabelung elektrischer<br />

Leitungen konstatierten seit etwa 1975<br />

das „Kreuzfeuer einer öffentlichen Kritik,<br />

auf die die Energiewirtschaft wenig vorbereitet<br />

war“, sowie einen gewissen Sättigungszustand,<br />

„einer Sättigung einerseits der<br />

Umwelt mit technischen Anlagen, die die<br />

Bürger sensibler gemacht hat gegenüber<br />

weiteren Eingriffen, aber auch einer Sättigung<br />

der Bedürfnisse nach weiteren Produkten<br />

des Stromsektors, die mittlerweile ja<br />

auch durch den Rückgang der Nachfragezuwächse<br />

von 7 % bis 8 % pro Jahr auf<br />

1 % bis 3 % pro Jahr (2 %/a von 1974 bis<br />

1983) signalisiert wird.“ (OBERMAIR et<br />

al. 1985, S: 15 f.).<br />

Diese Kritik hatte Konsequenzen sowohl<br />

für Stromversorger als auch für Behörden,<br />

die jeweils angewandte Technik musste nun<br />

legitimiert werden, allein mit der Maxime<br />

der sicheren Versorgung aus dem Energiewirtschaftsgesetz<br />

konnte nicht mehr argumentiert<br />

werden.<br />

Damit war eine völlig neue Situation gegenüber<br />

den früheren Diskussionen entstanden:<br />

Die Begriffe Heimat und Landschaft<br />

tauchten in dem Diskurs nur noch am Rande<br />

auf, die Notwendigkeit des technischen<br />

Ausbaus selbst wurde in Frage gestellt.<br />

Darüber hinaus wurde die „Naturvernutzung“<br />

ökonomisiert: Die Beeinträchtigung<br />

des Landschaftsbildes, das Fällen eines<br />

Waldes etc. gehen als „soziale Kosten“<br />

nun in die Kostenkalkulation des Leitungsbauers<br />

ein. Die bis dahin „freien Güter“ wie<br />

Landschaft, Wasser, Luft haben nun ihren<br />

Preis bekommen, Inanspruchnahme von<br />

Umweltressourcen wird in das Marktsystem<br />

integriert. Natürlich brachte diese neue Betrachtungsweise<br />

und ihre Institutionalisierung<br />

erhebliche Fragen und Probleme<br />

mit sich, doch ist so zumindest gewährleistet,<br />

dass vor dem Bau die landschaftsverändernden<br />

Eingriffe von den verschiedenen<br />

Interessengruppen diskutiert und in<br />

einem Kompromissverfahren bewertet werden.<br />

3<br />

Damit ist letztlich die Forderung der<br />

Heimatschützer nach Beteiligung eingelöst<br />

und gesellschaftlich institutionalisiert worden.<br />

Das geschilderte Verfahren ist praktisch eine<br />

ökonomische Konsequenz der Ökologiebewegung<br />

und Umweltdiskussion seit den<br />

1970er Jahren, die auf das marktwirtschaftliche<br />

Instrumentarium setzt. Unabhängig<br />

davon bleibt seit Jahrzehnten die grundsätzliche<br />

Kritik an den herrschenden Strukturen<br />

der Energiewirtschaft virulent.<br />

So wurde der unüberschaubaren „Großtechnologie“,<br />

die das Individuum in ein<br />

„ehernes Gehäuse“ von Sachzwängen einschließe,<br />

eine dezentrale Technik gegenübergestellt<br />

(„Sanfter Weg“), die dem Gebot<br />

der Nachhaltigkeit oftmals eher entspreche<br />

als große technische Systeme mit ihren enormen<br />

Leitungsverlusten, Wachstumszwängen<br />

etc.<br />

Politisch wurde in den letzten Jahren bei der<br />

Nutzung regenerativer Energiequellen vor<br />

allem die Windkraftnutzung forciert. Diese<br />

hat durchaus Geschichte. Aus den Windmühlen<br />

des Mittelalters wurden die Getreidemühlen<br />

und Windmotoren der Neuzeit, die<br />

in vielfältiger Anwendung und großer Zahl<br />

durchaus bis in die jüngere Zeit landschaftsprägend<br />

geblieben waren (vgl. z. B.<br />

BAYERL 1989, KÖNIG 1978).<br />

Allerdings ergab sich in Deutschland ein<br />

Bruch in der Entwicklung, auf den vor allem<br />

HEYMANN (1995) in seiner „Geschichte<br />

der Windenergienutzung 1890–1990“ hingewiesen<br />

hat: Während beispielsweise in<br />

Dänemark die kleinen Anlagen erfolgreich<br />

weiterentwickelt wurden, pflegte man in<br />

Deutschland utopische Entwürfe gigantischer<br />

Windkraftwerke, die nie umgesetzt<br />

wurden oder scheiterten. „Während Windmühlen<br />

und Windmotoren nicht mehr als<br />

20–30 PS leisten konnten, schienen im Zeitalter<br />

von Großkraftwerken erheblich<br />

leistungsstärkere Anlagen wünschenswert<br />

oder erforderlich zu sein. ,Schon in einigen<br />

Jahren wird es möglich sein, Maschinen zu<br />

bauen, bei denen Hunderte, ja, Tausende<br />

von Pferdestärken aus dem Winde entnommen<br />

werden können‘, verkündete der schillernde<br />

Erfinder Anton Flettner 1926 großspurig<br />

... Eine Steigerung erfuhren Flettners<br />

Größen-Visionen durch den Stahlbauingenieur<br />

Hermann Honnef, der in den 30er<br />

und 40er Jahren die Errichtung riesiger<br />

47<br />

,Großwindkraftwerke‘ mit einer Höhe von<br />

bis zu 430 m, ausgestattet mit bis zu drei<br />

gewaltigen Rotoren von bis zu 160 m Durchmesser<br />

und einer Gesamtleistung von 60.000<br />

kW vorschlug ... In den 50er Jahren bestand<br />

ein internationaler Konsens, daß Anlagen<br />

bis zu etwa 1.000 bis 3.000 PS realisierbar<br />

seien.“ (HEYMANN 1996, S. 242 f.). Diese<br />

Prognose der 1950er Jahre ist allerdings<br />

überholt; die größte derzeit in Bau befindliche<br />

Windkraftanlage hat 4,5 Megawatt, was<br />

über 6.000 PS Leistung entspricht.<br />

Eigentlich wiederentdeckt wurde die Windkraftnutzung<br />

in Deutschland aber erst in den<br />

1970er Jahren nach dem Ölschock. Obwohl<br />

„Riesenspargel“ á la Honnef nicht gebaut<br />

wurden, ergab sich Kritik an der „Verspargelung<br />

der Landschaft“, nicht zuletzt,<br />

da den Windrädern ebenfalls Umweltbeeinträchtigungen<br />

wie Geräuschemission<br />

anhaften.<br />

Vor allem wurde in jüngster Zeit jedoch die<br />

Landschaftsbeeinträchtigung zum Diskussionsthema.<br />

Ob Windenergieanlagen<br />

(WEA) als optische Umweltverschmutzer<br />

oder als sichtbares Zeichen umweltfreundlicher<br />

Energiegewinnung angesehen werden,<br />

hängt zunächst ganz sicher von der<br />

subjektiven Einstellung des Betrachters ab.<br />

Sicherlich spielt dabei auch die landschaftliche<br />

Umgebung und die Größe der Anlagen<br />

eine wesentliche Rolle. Auch ist es wichtig,<br />

dass zwischen den Anlagen Mindestabstände<br />

und besonders solche zu menschlichen<br />

Ansiedlungen eingehalten werden. Allerdings<br />

ist die Anzahl der Windkraftanlagen<br />

im Verhätnis zu rund 400.000 Hochspannungsmasten<br />

immer noch relativ klein:<br />

Zum 31.12.2004 werden ca. 16.000 Anlagen<br />

genannt (Bundesverband Windenergie<br />

e. V. 2005).<br />

Wir haben jedoch das Phänomen, dass viele<br />

Leute mittlerweile Hochspannungsleitungen<br />

als selbstverständlich akzeptieren, die<br />

Windräder aber als verunstaltend empfinden.<br />

Dies hat – so ergeben Untersuchungen – mit<br />

grundsätzlichen Haltungen gegenüber Technik<br />

und Industriesystem zu tun: Es ist naheliegend,<br />

dass von den Anhängern regenerativer<br />

Energienutzung Windräder und Windparks<br />

als Technologie der Zukunft und damit<br />

als sinnvolle Nutzung der Landschaft<br />

gesehen werden, während beispielsweise<br />

Atomkraftwerke als letztendlich die Heimat<br />

3 Vgl. zu den hieraus resultierenden Problemen,<br />

beispielsweise die Unsicherheiten bei<br />

der Monetarisierung der Umweltbeeinträchtigungen,<br />

OBERMAIR et al. (1985, S.<br />

20 ff.).

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