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Druck - Deutscher Rat für Landespflege

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39<br />

Stellt man die „Leitfrage der Heimatschützer“,<br />

welche Technik für die Heimatlandschaft<br />

akzeptabel ist, so hätte die Verspargelung<br />

der Landschaft durch Kamine<br />

ein Hauptthema der Diskussion werden<br />

müssen.<br />

Nun wuchsen diese in den Himmel, lange<br />

bevor überhaupt der Bund Heimatschutz<br />

gegründet worden war. Aber es wurde<br />

durchaus gegen sie argumentiert: „Mit der<br />

großen Industrie kamen die Schornsteine.<br />

Seitdem Dampfmaschinen zunächst in England,<br />

dann in anderen europäischen Ländern<br />

aufgestellt wurden, seitdem diese Technik<br />

eine Kraftquelle ganz neuer Qualität<br />

erschlossen hatte ... seitdem war die Fabrik:<br />

Rauch und Ruß ... An diesen neuen Zacken<br />

im Stadtpanorama, schnell zahlreicher als<br />

Kirchtürme, schieden sich die Geister. Den<br />

einen war der schlanke Zweckbau des<br />

Schornsteins, dieses notwendigen Abgasverteilers,<br />

Symbol der eigenen und der Herrlichkeit<br />

der epochalen neuen Möglichkeiten,<br />

den anderen ... war er Zeichen für die<br />

zerstörende Kraft der Industrie, für den kommenden<br />

Untergang.“ (SPELSBERG 1984,<br />

S. 9).<br />

Doch es war weniger die auffällige Baulichkeit<br />

des Schornsteins als solche, die kritisiert<br />

wurde, sondern die Rauch- und Rußplage,<br />

die von den Schornsteinen ausging.<br />

Der Schutz der unmittelbaren Umgebung<br />

der Fabriken erforderte es, die Schornsteine<br />

immer höher zu bauen, um den Ausstoß<br />

weiträumig zu verteilen und damit die Schädigungen<br />

der Bewohner und Vegetation zu<br />

mindern. Je höher, desto besser für die unmittelbare<br />

Umgebung – der Schornstein<br />

dominierte damit die Landschaft, nicht nur<br />

in seiner immer größeren Baulichkeit, sondern<br />

auch in seiner damit wachsenden Potenz,<br />

die Schadstoffe immer weiter über das<br />

Land zu verteilen!<br />

Abb. 2: Hohe Kamine des Kraftwerkes Trattendorf/Niederlausitz (aus: Elektrotechnische Zeitschrift<br />

45/ II, 1924, S. 931).<br />

Angesichts dieser Dimension industrieller<br />

Landschaftsverwüstung zeichnete sich eine<br />

spezifische Lösung des Landschaftsschutzes<br />

ab: Die Enteignung bestimmter<br />

Landschaftsteile, d. h. ihre Ausgestaltung<br />

als spezifische Erscheinungsform von Landschaft,<br />

als Industrielandschaft. Der Rest der<br />

Landschaft sollte dadurch geschützt werden,<br />

dass man die angesichts der damaligen<br />

technischen Mittel nicht „landschaftskompatiblen“<br />

Betriebe in dem Verfall anheim<br />

gegebenen Industriebezirken zusammenfasste.<br />

Als der Zentrums-Abgeordnete<br />

Graf von Spee 1913 im Haus der Abgeordneten<br />

vorschlug, Fabriken in Gegenden zu<br />

errichten, „die so verheert sind, daß eine<br />

weitere Anlage da vielleicht auch nicht mehr<br />

schaden tut“ (zit. nach BRÜGGEMEIER &<br />

ROMMELSPACHER 1992, S. 47), beschrieb<br />

er reale Entwicklungen der Industrialisierung:<br />

„Diese waren nicht von langer<br />

Hand vorbereitet, sie erfolgten nicht systematisch,<br />

und es gab keinen entsprechenden<br />

Plan, doch verschiedene Faktoren trugen<br />

dazu bei, daß das Ruhrgebiet weitgehend<br />

unbemerkt und nahezu automatisch zu einem<br />

Gebiet wurde, wo Belastungen geduldet<br />

und konzentriert wurden, die andernorts<br />

nicht gewünscht waren. Es kann als eine<br />

faktisch verwirklichte Industrieschutzzone<br />

bezeichnet werden, in Abgrenzung zu den<br />

im Kaiserreich angestrebten Naturschutzgebieten,<br />

die über bescheidene Anfänge nicht<br />

hinaus kamen.“ (ebd.).<br />

Zwar gab es durchaus Gegenvorschläge, die<br />

Industrie zu dezentralisieren und damit die<br />

Schäden gleichmäßiger zu verteilen oder<br />

eventuell durch Verdünnung zu überwinden,<br />

es blieb aber dabei, dass Gebiete wie<br />

das Ruhrgebiet oder auch in kleinerem Maßstabe<br />

die Niederlausitz sozusagen als „Opferregionen“<br />

die breitflächige Verwüstung der<br />

Landschaft verhinderten.<br />

Die Diskussion über die „Verspargelung<br />

der Landschaft“ fand für die Kamine also<br />

aus mehreren Gründen kaum statt: zum Ersten,<br />

da die Diskussion nicht über die Bauwerke<br />

selbst, sondern deren Auswirkungen,<br />

also die Rauch- und Rußplage geführt wurde,<br />

und zum Zweiten, da sich mit der<br />

„Industrielandschaft“ eine Heimat besonderen<br />

Gepräges herausbildete.<br />

In dieser „Industrieheimat“ wurden nicht<br />

zuletzt industriespezifische Eigenheiten –<br />

beispielsweise die Faszination der großen<br />

Industrie – als Momente der Heimat erlebt.<br />

Der rauchende Schornstein als Symbol der<br />

Arbeitsplatzgarantie war zum Teil sogar<br />

positiv besetzt und so überrascht es nicht,<br />

dass in altindustriellen Regionen wie der<br />

Niederlausitz die Schornsteinsprengungen<br />

heute unter großer Anteilnahme der Bevölkerung<br />

stattfinden, da vertraute Wahrzeichen<br />

der Heimat, Symbole der alten – Arbeit<br />

und Brot gebenden – Werke niedergelegt<br />

werden.<br />

Neben dieser quasi Enteignung von<br />

Landschaftsteilen und ihrer Preisgabe als<br />

„Industrielandschaft“ waren es fernerhin<br />

wohl die gewaltigen Dimensionen offensichtlicher<br />

Umweltverschmutzungen, die<br />

den Landschaftsschutz nicht ins Zentrum<br />

der Diskussion rückten. Angesichts völlig<br />

verschmutzter Wasserläufe, unhygienischer<br />

Lebensbedingungen in der Stadt, verpesteter<br />

Luft etc. war es naheliegend, dass Hygiene-<br />

und Umweltdiskussionen vorrangig<br />

waren (vgl. z. B. BAYERL & TROITZSCH<br />

1998).<br />

In dieser Situation entwickelte sich die Elektrizität<br />

zum gesellschaftlichen Hoffnungsträger.<br />

1 Werner Lindner stellte keine Ausnahme<br />

dar: „Bis in die 1930er Jahre bleibt<br />

die Vorstellung der Elektrizität als feenhafte<br />

Kraft gebräuchlich.“ (FELBER 1998, S.<br />

105). Es waren insbesondere die Weltausstellungen<br />

der 1890er Jahre, die als<br />

Wallfahrtsstätten des Fortschritts auch die<br />

Lösung der industriellen Umweltfrage durch<br />

die Elektrizität verkündeten und die Vision<br />

von der „sauberen Industrie“ verbreiteten.<br />

Gerade die Internationale Elektrotechnische<br />

Ausstellung 1891 in Frankfurt am Main<br />

demonstrierte mit der ersten Fernübertragung<br />

hochgespannten Drehstroms einen wesent-<br />

1 Vgl. zu den euphorischen Vorstellungen des<br />

Bürgertums über die Elektrizität PLITZNER<br />

1998.

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