Druck - Deutscher Rat für Landespflege
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Schr.-R. d. Deutschen <strong>Rat</strong>es für <strong>Landespflege</strong> (2005), Heft 77, S. 93-95<br />
93<br />
Jörg Leist<br />
Heimatpflege braucht Landschaftspflege<br />
Da unsere Landschaft weitestgehend Kulturlandschaft<br />
darstellt, wäre es eigentlich<br />
besser, gleich zu sagen: „Heimatpflege<br />
braucht Kulturlandschaftspflege“. Man<br />
könnte aber auch sagen: „Heimat braucht<br />
Landschaft“!<br />
Für die meisten Menschen ist „Heimat“<br />
lokalisierbar. „Heimat“ ist deshalb im landläufigen<br />
Sinn orts- und meist auch<br />
landschaftsgebunden. Regelmäßig bildet die<br />
Landschaft durch ihre Entwicklungsgeschichte<br />
und ihre durch den Menschen mitverursachte<br />
Besonderheit, im Idealfall durch<br />
ihre Harmonie und Schönheit, den Urgrund<br />
des Heimatgefühls. Dieses wird, im Kindesalter<br />
zunächst unbewusst, später bewusst,<br />
aus dem Zusammenspiel aller Sinne entwickelt.<br />
– Und wenn es den Idealfall nicht gibt,<br />
dann wächst auch in beschädigter Landschaft,<br />
in mondäner und greller Stadtlandschaft<br />
und auch im Hinterhof ein<br />
Heimatgefühl. Wie heißt es so schön: „Ich<br />
hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm<br />
...“<br />
Am schönsten und eindrücklichsten zeigt<br />
uns Joseph von Eichendorff den Zusammenhang<br />
zwischen Heimat und Landschaft<br />
in seinem Gedicht „Abschied“ (s. Kasten).<br />
Wenn wir jetzt versuchen wollten, den Begriff<br />
Heimat zu definieren, um zunächst<br />
festzulegen, welche und wessen Heimat mit<br />
Heimatpflege eigentlich gepflegt werden<br />
soll, dann wird aus dieser Veranstaltung<br />
eine unendliche Geschichte!<br />
Ich halte mich deshalb an den gottlob noch<br />
immer gar nicht so seltenen Idealfall, schon<br />
damit das Eichendorff-Gedicht passt. Zudem<br />
versichere ich, dass ich – trotz des Hinweises<br />
auf Eichendorff – kein Romantiker bin,<br />
dass ich mich im Gegenteil jahrzehntelang<br />
mit den alltäglichsten Kulturlandschaftsproblemen,<br />
etwa dem Straßenbau, dem<br />
Hochwasserschutz, den Hochspannungstrassen,<br />
der Intensivlandwirtschaft, der<br />
Landschaftszersiedelung, den Aufforstungswünschen,<br />
den Windkraftanlagen und allen<br />
anderen Tendenzen zur oft gedankenlosen<br />
Beschädigung landschaftlicher Harmonie<br />
herumgeschlagen habe. Dabei habe ich mir<br />
schlechte wie gute Noten eingehandelt.<br />
Ich weiß, dass es inzwischen schon fast<br />
Mode ist, von der Notwendigkeit der Erhaltung<br />
unserer Kulturlandschaft zu reden. Es<br />
Abschied (J. v. Eichendorff)<br />
O Täler weit, o Höhen,<br />
O schöner, grüner Wald<br />
Du meiner Lust und Wehen<br />
Andächt'ger Aufenthalt!<br />
Da draußen, stets betrogen<br />
Saust die geschäft'ge Welt,<br />
Schlag noch einmal die Bogen<br />
Um mich, du grünes Zelt !<br />
Wenn es beginnt zu tagen,<br />
Die Erde dampft und blinkt<br />
Die Vögel lustig schlagen,<br />
Daß dir dein Herz erklingt:<br />
Da mag vergehn, verwehen<br />
Das trübe Erdenleid,<br />
Da sollst Du auferstehen<br />
In junger Herrlichkeit!<br />
Da steht im Wald geschrieben<br />
Ein stilles, ernstes Wort<br />
Vom rechten Tun und Lieben<br />
Und was des Menschen Hort.<br />
Ich habe treu gelesen<br />
Die Worte schlicht und wahr,<br />
Und durch mein ganzes Wesen<br />
Wards unaussprechlich klar.<br />
Bald werd ich dich verlassen,<br />
Fremd in der Fremde gehen,<br />
Auf buntbewegten Gassen<br />
Des Lebens Schauspiel sehn;<br />
Und mitten in dem Leben<br />
Wird deines Ernsts Gewalt<br />
Mich Einsamen erheben,<br />
So wird mein Herz nicht alt.<br />
ist allerdings dringend notwendig, auch etwas<br />
zu tun! Die allgemeine wirtschaftliche<br />
Verunsicherung und das derzeit pausenlose<br />
Reden über Geld und Kein-Geld haben eine<br />
Welle von Neo-Wirtschaftsliberalismus ausgelöst,<br />
die gefährlich ist. Auch auf das Risiko,<br />
als hoffnungslos vorgestrig zu erscheinen,<br />
denke ich gerade jetzt an Eichendorff:<br />
„Da draußen, stets betrogen, saust die<br />
geschäft'ge Welt ...!“ Vor lauter Wirtschaftsaktionismus<br />
werden z. B. selbst so elementare<br />
Dinge wie die Hochwassergefahr<br />
beiseite geschoben, wenige Jahre nach den<br />
schlimmsten Überschwemmungen! Man<br />
kann ja Dämme bauen! Und die Unterlieger<br />
sollen schauen wie sie zurechtkommen. Nur<br />
vergisst man, dass es auch bei den Oberliegern<br />
hochmotivierte Wirtschaftsförderer<br />
gibt, die gerne alte Überschwemmungsflächen<br />
bebauen würden – und dass man<br />
dann selbst zum leidtragenden Unterlieger<br />
wird. Und wer sind heute diese die Stabsstellen<br />
besetzenden Wirtschaftsförderer, die<br />
man selbst in kleinen Städten für unverzichtbar<br />
hält? Smarte, agile Leute, nach allen<br />
Seiten vernetzt, an deren Lebenserfahrung<br />
und Allgemeinbildung ich aber zu zweifeln<br />
wage. Ich frage mich, ob sie bereits das<br />
rechte Verständnis für die tiefgründigen<br />
Wurzeln der sog. „Standortgunst“ entwickelt<br />
haben und ob ihnen der Erfolgsdruck<br />
Zeit zum Nachdenken lässt.<br />
Ich meine, Standortgunst entsteht –<br />
zumindest im ländlichen Raum – durch geduldiges<br />
Summieren und sorgsames Pflegen<br />
gerade der „weichen“ Standortfaktoren,<br />
wie wir einige gerade in einer gesunden und<br />
in Wert gesetzten Kulturlandschaft finden.<br />
Es ist kurzsichtig, der Kulturlandschaft nur<br />
ideellen Wert beizumessen. Wer mit Tourismus<br />
zu tun hat, weiß das natürlich. Behütete<br />
und erschlossene Kulturlandschaft lässt<br />
darüber hinaus Heimatgefühl entstehen,<br />
bewirkt Lebensqualität und damit Standorttreue<br />
– und darum beten heute doch alle<br />
Kommunen!<br />
Gehen wir also davon aus, dass Kulturlandschaft<br />
wichtig und erhaltenswert ist, weil sie<br />
den Menschen Heimat ist, Identitätsgefühl<br />
entstehen lässt und im weitesten Sinne –<br />
ganz simpel und unreflektiert – „Wohlgefühl“<br />
vermittelt. Nur – was tun zu Erhaltung<br />
unserer wertvollen Kulturlandschaften? Wie<br />
kommt Kulturlandschaftspflege in Gang,<br />
wie wird sie wirksam? Über Wert und Bedeutung<br />
gibt es wunderbare Literatur,<br />
Seminarveranstaltungen und Modelluntersuchungen,<br />
die vor allem zeigen, dass<br />
alles gar nicht so einfach ist. Ergebnis – auf<br />
gut schwäbisch: „Mr sott ...!“ („Man sollte<br />
...! Man müsste!“) Und man fragt sich: Wer<br />
pflegt wie wo was – und wer darf das eigentlich?<br />
Gibt es Verbindlichkeit? Kann man<br />
notfalls auch etwas verhindern oder durchsetzen?<br />
Und wer muss oder darf das tun?<br />
Also die unvermeidliche deutsche Frage<br />
nach den rechtlichen Grundlagen für die<br />
Kulturlandschaftserfassung und -sicherung.