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Druck - Deutscher Rat für Landespflege

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Abb. 6: Bahnkreuzung mit Kastenschutznetz in<br />

Coschütz, 1899 (aus: PUNDT 1994 S. 68).<br />

Die Beiträge der Heimatschützer zeichneten<br />

sich durch reichliches Bildmaterial aus,<br />

da ihnen eine „Gut-Schlecht-Didaktik“<br />

zugrunde lag: Zeichnungen oder Fotos<br />

schlimmer Land- und Ortschaftsentstellungen<br />

wurden solche gelungener Beispiele<br />

gegenübergestellt. Allein diese Arbeit mit<br />

Bildern weist schon auf das Problem der<br />

„Geschmacksbildung“ hin, auf die unzulängliche<br />

Möglichkeit der Konkretisierung,<br />

was unter „ungestörter Heimat“, „intakter<br />

Landschaft“ verstanden wird.<br />

So standen die Bilder des schlechten Beispiels,<br />

des hässlichen Trafohäuschens, der<br />

störenden Leitung, des misslungenen<br />

Kraftwerkbaus Aufnahmen der schönen<br />

Landschaftspartie, des idyllischen Dorfes<br />

gegenüber. Konkretisiert wurde die Kritik<br />

an der Ausführung der einzelnen Elemente<br />

des Elektrizitätsnetzes und es wurden Vorschläge<br />

zu dessen Anpassung an den vorhandenen<br />

Baubestand bzw. die jeweilige<br />

Landschaft erarbeitet.<br />

In der frühen Phase des Heimatschutzes<br />

wurde gerade die mangelnde Anpassung<br />

der Leitungen an die Umgebung geschildert,<br />

z. B. bei SEEMANN (1911, S. 13): „Es<br />

ist eine offensichtliche Tatsache, daß die<br />

starren wagrechten und senkrechten Linien<br />

der Drähte und Stützen mit der Umgebung<br />

selten harmonieren, und daß der in der Struktur<br />

dieser Teile begründete Mangel an Anpassungsvermögen<br />

zu schrillen Mißklängen<br />

führen kann. Je regelloser die Anordnung,<br />

je zahlreicher die Kreuzung und Überschneidungen,<br />

desto schlimmer wird die Sache.“<br />

SCHULTZE-NAUMBURG (1917, S. 39)<br />

kritisiert das „bündelweise Auftreten“ der<br />

Kabel und fordert, dass man die Maste „nicht<br />

mit zu gedankenloser Rücksichtslosigkeit<br />

,irgendwo‘ hinsetzt und von Fall zu Fall auf<br />

die Notschreie der Natur hört.“<br />

Die groben Schutznetze der Freileitungen<br />

(bei Kreuzung von Straßen, Bahnlinien oder<br />

anderen Leitungen) wurden kritisiert, die<br />

unschöne Situierung der Leitung mitten im<br />

Tal oder schräg einen Berg hoch etc. Die<br />

Maste seien oft vor sehenswerten Hintergrund<br />

gesetzt, ungünstig vor Aussichtspunkten<br />

oder mitten im Dorfplatz oder einem<br />

schönen Stadtplatz: „Leider müssen wir es<br />

noch überall sehen, daß jedesmal, wo ein<br />

schönes Fachwerkhaus im Straßenbild, ein<br />

alter Baum, ein malerisches Dorfkirchlein<br />

oder gar nur ein Heiligenhäuschen, Wegekreuz<br />

oder ein prächtiger Einzelbaum steht,<br />

rücksichtslos der elektrische Mast gerade<br />

davor oder daneben gepflanzt wird.“ (Zeitschrift<br />

des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege<br />

und Heimatschutz 1921, S. 16).<br />

Lindner wie auch Schwenkel monierten den<br />

Umgang mit Bäumen bei der Verlegung der<br />

Leitungen entlang von Alleen: Entweder<br />

würden kilometerweit<br />

Bäume gefällt<br />

oder sie würden gestutzt,<br />

ihre Kronen<br />

teils herausgesägt,<br />

damit die Leitung<br />

nicht mit dem Baum<br />

in Berührung komme.<br />

Welche Maste jeweils<br />

genommen werden<br />

sollten, war auch bei<br />

den Heimatschützern<br />

umstritten – die einen<br />

bevorzugten Holzmaste,<br />

hier wieder farbig<br />

oder nicht angemalt,<br />

andere die neuen<br />

Betonmasten, da<br />

diese zierlich seien,<br />

andere Eisenmasten,<br />

obwohl deren Diagonalen<br />

als landschaftsstörend<br />

kritisiert wurden.<br />

In den 1920er<br />

Jahren, insbesondere<br />

bei Lindner und<br />

Schwenkel, setzte sich<br />

dann zunehmend die<br />

Befürwortung der<br />

klaren, einfachen und<br />

reinen technischen<br />

Form durch. Die „Anpassungen“<br />

der früheren<br />

Heimatschützer<br />

– Bemalung von Masten<br />

und Trafos, Be-<br />

rankung etc. – wurden jetzt abgelehnt.<br />

Sieht man die Bilder früher Wellblechhäuschen,<br />

äußerst hässlicher Masten, in der<br />

Bauform störende „Trafokästen“, dann wird<br />

deutlich, wie notwendig eine „Geschmacksbildung“<br />

durch den Heimatschutz war,<br />

wenngleich offensichtlich ist, dass auch hier<br />

keine einhellige Meinung herrschte. Dass<br />

regionale Baustoffe verwendet werden, die<br />

Häuschen in bestehendes Mauerwerk eingefügt,<br />

den umgebenden Baulichkeiten angepasst<br />

werden sollten, das war allerdings<br />

allgemeine Überzeugung. Ländliche Nutzbauten<br />

– beispielsweise Weinberghäuschen<br />

– wurden als bauliches Vorbild genannt.<br />

Die Sicht auf dörfliche und urbane Attraktionen<br />

– Kirchen, <strong>Rat</strong>häuser, Fachwerkhäuser<br />

– sollte nicht behindert, die Hausleitungen<br />

nicht auffällig an der Straße, sondern eventuell<br />

im hinteren Bereich der Häuser geführt<br />

werden etc.<br />

Der häufigste Vorwurf der Heimatschützer<br />

war jedoch, dass Leitungen und Trafostationen<br />

erbaut würden, ohne dass sich die<br />

Techniker mit Architekten, Künstlern,<br />

Denkmalpflegern, Heimatschützern ins Benehmen<br />

setzten. Immer wieder wurden<br />

Abb. 7: Hässlicher Eisenbetonmast für Starkstromleitung / Hässlicher<br />

Masttransformator (aus: LINDNER 1926, Tafel 28).

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