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Druck - Deutscher Rat für Landespflege

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die Berge Colloros jedoch als den Ort der<br />

Erinnerung an ihre Familiengeschichte. Sie<br />

denken dort etwa an die Großeltern und an<br />

deren unvorstellbar mühevolles Leben zu<br />

den Zeiten, als die Almen noch bewirtschaftet<br />

waren. Hierbei sei angemerkt, dass diese<br />

Antworten schriftlich formuliert wurden,<br />

obwohl zahlreiche vorformulierte Auswahlmöglichkeiten<br />

zur Verfügung standen, was<br />

die Bedeutung dieser Statements besonders<br />

hervorhebt.<br />

Das Thema „Landschaft und persönliche<br />

Geschichte“ begleitete viele Gespräche, die<br />

wir im Laufe unserer Untersuchungen mit<br />

den Menschen des Ossola- und Stronatales<br />

führten und so entschlossen wir uns, im<br />

Rahmen einer weiteren Bevölkerungsbefragung<br />

im Jahr 2003 in Malesco,<br />

wiederum die Frage zu stellen: „Wenn Sie in<br />

das Val Grande gehen, weshalb gehen Sie<br />

dorthin?“ Diesmal war jedoch das folgende<br />

Item zusätzlich angeführt: „Um mich an das<br />

Leben, das meine Vorfahren geführt hatten,<br />

zu erinnern“. 33 % der Befragten entschieden<br />

sich für diese Möglichkeit. Die Landschaft<br />

ist folglich für viele Menschen der<br />

Ort, an dem sie persönliche Geschichte erleben,<br />

wo sie sich mit ihren Ursprüngen verbunden<br />

fühlen.<br />

Wie vollzieht sich jedoch die Erinnerung an<br />

das Vergangene? Gibt es Landschaftselemente,<br />

an denen dieses Gedächtnis greifbar<br />

wird, an denen Geschichte ablesbar ist?<br />

Die „Marca Zaveri“ (Abb. 6) gibt darauf<br />

eine Antwort. Es handelt sich um eine ausladende,<br />

alte Buche auf halbem Weg vom<br />

Ossolatal in das Val Grande. Sie war ein<br />

wichtiger Treffpunkt, welcher der Übergabe<br />

von Waren, dem Austausch von Informationen,<br />

letztlich dem Kontakt der Menschen<br />

zwischen den Almen des Val Grande und<br />

den Dörfern im Tal diente. Interessant sind<br />

die unzähligen Inschriften, Initialen ehemaliger<br />

Älpler und auch amouröse Botschaften,<br />

von denen der Stamm gezeichnet ist.<br />

Spricht man die Einheimischen heute auf<br />

die Marca Zaveri an, so entlockt dies nicht<br />

wenigen ein gefälliges Schmunzeln. Es stellt<br />

sich jedoch die Frage, wie lange es noch<br />

möglich sein wird, vor diesem Baum die<br />

Gedanken kreisen zu lassen. Die Begehbarkeit<br />

der ehemaligen Almwege nimmt in<br />

der „größten Wildnis Italiens“ von Jahr zu<br />

Jahr ab. Somit ist es nur noch eine Frage der<br />

Zeit, bis mit der Marca Zaveri ein unverwechselbares,<br />

identitätsstiftendes Element<br />

der Landschaft, ein Teil ihres speziellen<br />

Genius loci, verloren geht.<br />

Drei Teilnehmer der Befragung in<br />

Premosello brachten schließlich die Bedeutung,<br />

die die Landschaft für sie hat, auf den<br />

Punkt. Im letzten Teil der Fragebögen wurden<br />

die besonderen Einstellungen zur Wildnis<br />

des Val Grande eruiert. Die Teilnehmer<br />

waren aufgefordert, in einer offenen Frage<br />

schriftlich darzulegen, ob das Tal, wie von<br />

der Nationalparkverwaltung propagiert, für<br />

sie ebenfalls Wildnis bedeutet oder ob es<br />

keine bzw. noch keine Wildnis ist. Auf die<br />

Frage „Wenn Sie der Meinung sind, dass<br />

das Val Grande für sie keine Wildnis ist,<br />

weshalb denken Sie so?“ antwortete eine<br />

54-jährige Teilnehmerin aus Premosello:<br />

„Non la considero, perchè è casa mia.“ –<br />

„Ich denke es nicht [dass es Wildnis ist],<br />

weil es mein Heim ist.“ – Eine bemerkenswerte<br />

Aussage, da in ihr der lokale Bezug<br />

der Einheimischen zur Landschaft nun ganz<br />

deutlich wird: Die Sicht der Berge von<br />

Premosello und Colloro als Heimat.<br />

Einstellungen gegenüber<br />

Verbrachung und Sukzession<br />

Das Urteil von mehr als 80 % der Bevölkerung<br />

des Ossola- und Vigezzotales hinsichtlich<br />

der Verbrachung ehemaliger Nutzflächen<br />

ist negativ (Abb. 7) (HÖCHTL &<br />

LEHRINGER 2004, HÖCHTL et al. 2005a).<br />

Unerwünscht ist auch ein weiteres Fortschreiten<br />

der Sukzession. Die Bewirtschaf-<br />

Abb. 6: Die „Marca Zaveri“ am Weg zwischen Colloro und dem Val Grande. Rechts unten:<br />

Stammdetail (Fotos: F. Höchtl).

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