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Druck - Deutscher Rat für Landespflege

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44<br />

infolge der mangelnden Zusammenarbeit<br />

schlechte, oder infolge einer zufriedenstellenden<br />

Zusammenarbeit gelungene Beispiele<br />

aufgeboten.<br />

Eine objektive Notwendigkeit der vorgetragenen<br />

Kritik in der Anfangszeit der Ausgestaltung<br />

des neuen technischen Systems<br />

bestand auf jeden Fall! Den Heimatschützern<br />

gebührt das Verdienst, die Techniker<br />

und Wirtschaftsvertreter davon in Kenntnis<br />

gesetzt zu haben, dass die Landschaft überziehende<br />

technische Systeme möglichst auch<br />

landschaftskonform oder zumindest landschaftsverträglich<br />

gestaltet werden sollten.<br />

Verdrahtung oder Verkabelung? –<br />

Propaganda im „Dritten Reich“<br />

Zunächst finden wir auch unter der Herrschaft<br />

des Nationalsozialismus die Fortschreibung<br />

der heimatschützerischen Anliegen,<br />

wobei zunehmend die Erfahrungen<br />

mit dem Ausbau der großen Versorgungsnetze<br />

ihren Niederschlag finden. Prof. Dr.<br />

Hans SCHWENKEL, Landesbeauftragter<br />

für Naturschutz in Württemberg, behandelt<br />

in seinen 1938 erschienenen „Grundzügen<br />

der Landschaftspflege“ in einem eigenen<br />

Kapitel die „Drahtleitungen“. Hier wird die<br />

Kontinuität besonders deutlich, da in diesem<br />

Kapitel eine mehr oder weniger bearbeitete<br />

Version seines Aufsatzes „Die<br />

Verdrahtung unserer Landschaft“ von 1927<br />

vorliegt, wobei der Aufsatz seinerzeit noch<br />

mit dem typisch heimatschützerischen Bildmaterial<br />

„gutes Beispiel – schlechtes Beispiel“<br />

ausgestattet war.<br />

SCHWENKEL (1938, S. 152) vertritt die<br />

These, dass es kaum ein menschliches Bauwerk<br />

gebe, das von Haus aus und seinem<br />

Wesen nach so landschaftsfremd sei wie die<br />

elektrische Leitung: „Hier gibt es schlechterdings<br />

keine Möglichkeit der Verbindung<br />

mit der Landschaft.“ Es sei ein Irrweg des<br />

Heimatschutzes gewesen, durch Berankung<br />

oder Anstrich der Masten, mit zusätzlichen<br />

Stilelementen etc. den technischen Charakter<br />

zu verleugnen: „Es ist aber zu bedenken,<br />

daß diese Vorschläge aus der <strong>Rat</strong>losigkeit<br />

gegenüber diesen völlig landschaftsfeindlichen<br />

Gebilden, die über Berg und<br />

Tal, Feld und Wald, Wege und Bäche geradlinig<br />

hinwegschreiten und sich nicht einmal,<br />

wie die Telegraphenleitungen an Straßen<br />

halten, entsprungen sind, daß die Leitungen<br />

in offener Landschaft ein völlig ungewohntes<br />

Bild darboten, und daß die Einsicht in<br />

die physikalisch-technischen Notwendigkeiten<br />

der Fernleitungen auch weithin fehlte.<br />

Heute ist auch dem Heimatschutz klar, daß<br />

man der Technik kein ihr fremdes Gesetz<br />

der Gestaltung aufzwingen kann, daß diese<br />

landschaftsfremden Gebilde eben ertragen<br />

werden müssen, daß man an sie keine weiteren<br />

Forderungen stellen kann als die einer<br />

möglichst vollkommenen und ausgeglichenen<br />

technischen Lösung und Gestaltung der<br />

Stützen, Isolatoren, Querträger usw., der<br />

Wahl des jeweils besten Mastbildes, der<br />

unauffälligen Farbgebung und der Rücksichtnahme<br />

auf das Landschaftsbild bei der<br />

Führung der Leitung selbst.“ (ebd.).<br />

SCHWENKEL (1938, S. 155 ff.) gibt im<br />

Folgenden vor allem technische Hinweise<br />

und auch technische Begründungen von<br />

Notwendigkeiten der Leitungsführung etc.<br />

Er plädiert dann für Verkabelung in besonderen<br />

Fällen, weist aber auch auf die hohen<br />

Kosten der Verkabelung hin. Abschließend<br />

stellt er sechs Grundsätze für die praktische<br />

Arbeit auf, die wir auch schon 1927 finden.<br />

Da diese mehr oder weniger die Quintessenz<br />

der heimatschützerischen Diskussion<br />

seit Beginn der Auseinandersetzung mit der<br />

„Verdrahtung der Landschaft“ darstellen,<br />

sollen sie hier zusammenfassend referiert<br />

werden:<br />

1. Nur Schwachstrom- und Niederspannungsleitungen<br />

sind schmiegsam und<br />

können sich an die Linien der Landschaft<br />

anpassen.<br />

2. Bäume an der Straße sind schonend zu<br />

behandeln, Naturschutzgebiete etc. sollen<br />

unangetastet bleiben.<br />

3. Überlandleitungen müssen an der Geraden<br />

festhalten, in der flachen Landschaft<br />

ist die Gerade am schönsten – Naturschönheiten<br />

sollten umgangen werden.<br />

4. „Masten, Tragarme, Isolatoren und Umspannhäuschen<br />

sollen aus dem Zwecke<br />

heraus, dem sie dienen, gut und unauffällig<br />

gestaltet sein. Jeder unnötige Zierat,<br />

jede falsche Romantik ist zu vermeiden,<br />

ebenso aber jedes Flickwerk und jedes<br />

technische Stümpertum. Technische Vollendung<br />

und Schönheit decken sich meist.“<br />

(ebd., S. 157 f.).<br />

5. „Die Platzwahl für Masten ist wichtig, die<br />

der Umformer für die Gesamtentwicklung<br />

elektrischer Anlagen in einem Gebiet jedoch<br />

entscheidend.“ Auch Baustoff, Farbe<br />

und Gestalt sollen der Umgebung entsprechen,<br />

„jedoch nicht in romantischem<br />

Sinn. Friedhöfe, Feldkreuze, Baudenkmale,<br />

Brunnen und schöne Plätze im Ortsbild<br />

sind von der Nachbarschaft mit Masten<br />

und Umformertürmen zu verschonen.<br />

Auch am Wasser wirken Drahtleitungen<br />

und Masten meistens schlecht, schon weil<br />

sie Bäume verdrängen.“ (ebd., S. 158).<br />

6. Das Stadt- und Dorfbild soll im Inneren<br />

sowie auch in der landschaftlichen<br />

Gesamterscheinung geschont oder in der<br />

alten Schönheit wiederhergestellt werden.<br />

Masten stören im Ortsbild mehr als Dachständer,<br />

wenn letztere geschickt angebracht<br />

sind. Doch stören diese im<br />

Siedlungsbild, wenn sie auf dem First<br />

stehen und die Drähte wie ein Netz über<br />

den Häusern schweben. Sie sollten<br />

möglichst niedrig am Dach stehen und die<br />

Leitung unter dem Dachfirst geführt werden,<br />

so dass sie im Dorf nur von Haus zu<br />

Haus sichtbar ist. „Am besten ist die völlige<br />

Verkabelung.“ (ebd., S. 158).<br />

Die relative Sachlichkeit dieser Darstellungen<br />

darf nicht darüber hinweg täuschen,<br />

dass auch Hans Schwenkel zu den Ideologen<br />

des „Dritten Reiches“ gehörte, wenngleich<br />

seine „Grundzüge der Landschaftspflege“<br />

einen weitaus sachlicheren Charakter<br />

tragen als beispielsweise die „<strong>Landespflege</strong>“<br />

von Erhard Mäding oder gar die<br />

„Landschaftsfibel“ von Heinrich Friedrich<br />

Wiepking-Jürgensmann.<br />

Zur Diskussion über Kontinuitäten zwischen<br />

Heimat- und Naturschutz vom Kaiserreich<br />

bis in die Bundesrepublik Deutschland liegen<br />

seit langer Zeit Arbeiten von GRÖNING<br />

& WOLSCHKE-BULMAHN (zuletzt 2003)<br />

vor, sowie aus jüngster Zeit diverse zusammenfassende<br />

Tagungsbände (z. B. RAD-<br />

KAU & UEKÖTTER 2003), so dass diese<br />

Diskussion hier nicht geführt werden muss.<br />

Die Heimatschützer verfielen zum Teil der<br />

Ideologie des Nationalsozialismus, breite<br />

Kreise wandten sich aber nach der Erkenntnis,<br />

dass das Reichsnaturschutzgesetz von<br />

1935 im Großen und Ganzen keine praktischen<br />

Konsequenzen nach sich zog, auch<br />

von diesem ab. Wie sehr Bestimmungen des<br />

Reichsnaturschutzgesetzes von Anfang an<br />

durch die auf Autarkiewirtschaft und Krieg<br />

ausgerichtete Struktur des Nationalsozialismus<br />

konterkariert waren, konnte man selbst<br />

bei den Propagatoren der „völkischen Landschaft“<br />

nachlesen: „Noch viel umfassender<br />

sind die Maßnahmen zur Sicherstellung<br />

unserer Ernährung aus eigener Scholle. Es<br />

werden Fluren umgelegt, Bäche geregelt,<br />

Wiesen und Äcker entwässert, Wege gebaut,<br />

Hecken und Feldgehölze umgehauen,<br />

Moore und andere sogenannte Ödländer<br />

kultiviert, Seen und Sümpfe trockengelegt,<br />

Schafweiden gesäubert, Bäume geschlagen<br />

und Wälder gerodet. Es ist eine Forderung<br />

des Reichsnaturschutzgesetzes, daß der ,Naturschutz‘<br />

und die ,Landschaftspflege‘ schon<br />

zu Beginn aller solcher Planungen herangezogen<br />

werden.“ (SCHWENKEL 1938, S.<br />

19.)<br />

Besser als dieses Zitat hätte auch Satire den<br />

illusorischen Charakter des Reichsnaturschutzgesetzes<br />

kaum ausdrücken können!<br />

Allgemein tendiert die aktuelle Forschung<br />

zur Auffassung, dass Vierjahrespläne<br />

und Kriegswirtschaft ein flächenwirksames<br />

Greifen der neuen Gesetze und<br />

Verordnungen verhinderten: „Fragt man<br />

nach der tatsächlichen Durchsetzung des

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