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Druck - Deutscher Rat für Landespflege

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der Wälder und Eliminierung von Mooren<br />

oft erst die Flurbereinigungsmaßnahmen<br />

oder die Ästhetik agroindustrieller Komplexe<br />

des 20. Jh. solchen Visionen näher brachten.<br />

* * *<br />

„Zurück zur Wildnis“ hatte in den 1970er<br />

und 1980er Jahren ein Schlachtruf radikaler<br />

Umweltkritiker gelautet, die sich um die<br />

anhaltende Ausräumung oder agroindustrielle<br />

Standardisierung und Unifizierung<br />

von Landschaften und Ökosystemen sorgten<br />

– die den bereinigten Kulturlandschaften<br />

moderner Prägung ästhetisch und ökologisch<br />

wenig abzugewinnen vermochten. Die<br />

fortschreitende <strong>Rat</strong>ionalisierung und<br />

Ökonomisierung der Landwirtschaft brachte<br />

seitdem freilich noch eine weitere, parallele<br />

Erscheinung hervor: Flächenstilllegungen<br />

in nutzungsökonomisch wenig<br />

privilegierten Regionen, die in den betroffenen<br />

Gegenden in die Angst vor einer unerwünschten<br />

Rückkehr der Wildnis, vor dem<br />

Verlust von Kulturlandschaft – und sei es<br />

einer „modernen“, oft kritisierten – münden.<br />

Historisch hatte es eine dritte, fast schon<br />

vergessene Sorte von Landschaft gegeben:<br />

jene extensiv genutzten und von Romantikern<br />

gern gepriesenen Mischwälder und<br />

Weiden, in denen Wildnis und Kultur sich<br />

auf sublime Weise verschränkten – wohl<br />

nur mehr Erinnerungsbilder, auch wenn sie<br />

einem durch den Kopf gehen mögen, sobald<br />

man über Geschichte und Zukunft sich wandelnder<br />

Landschaften räsoniert.<br />

9 Zusammenfassung<br />

Auf den ersten Blick scheint sich die Gesellschaft<br />

der Aufklärung – ganz im Unterschied<br />

zu jener der Klassik – dem schwärmerischen<br />

Ideal einer „freien“ und „unberührten<br />

Natur“ – einer Art Wildnis – verschrieben<br />

zu haben. In einem seltsamen<br />

Kontrast zu ihren literarischen oder gärtnerischen<br />

Ideallandschaften verfochten zur<br />

gleichen Zeit die Vertreter einer praktischen<br />

Aufklärung die Umgestaltung der „wirklichen“<br />

Landschaft in einen eher rektangulär<br />

geordneten, ganz und gar unromantischen<br />

Raum. Ihre ästhetischen Visionen erwiesen<br />

sich als bedeutsam für die Zukunft heimischer<br />

Kulturlandschaft. Denn das Ideal der<br />

„freien Natur“ hatte sich vor dem Hintergrund<br />

eines Fortschrittsprojektes entwickelt,<br />

das realiter alle natürlichen Ressourcen des<br />

Landes einer intensiveren Nutzung zuzuführen<br />

gedachte – als Bedingung der ökonomischen<br />

und sozialen Prosperität einer bürgerlichen<br />

Gesellschaft. Die Umgestaltung<br />

herkömmlicher Kulturlandschaft – einer<br />

Landschaft, die nun radikal in ihrer Qualität<br />

als reale oder optionale Bodenressource ins<br />

Visier geriet – gehörte von Anbeginn zu den<br />

zentralen Projekten der Aufklärungszeit. Im<br />

Zuge dieser Umgestaltung hatten alle<br />

„Ödnisse“, alle „wilde Natur“ (Heiden,<br />

Moore, Brachen und ungeordnete Wälder;<br />

seminatürliche Ökosysteme) einer flächendeckenden<br />

agrarischen oder waldbaulichen<br />

Intensivkultur zu weichen. Sie hatten einer<br />

rationalen Ordnung und Kultur zu weichen,<br />

deren „Idealgestalt“ weit mehr das Schachbrett<br />

repräsentierte als die undulierten Linien<br />

künstlich-natürlicher Landschaftsparks.<br />

Die Nachwirkungen solcher Ästhetik reichten<br />

bis tief in das 20. Jh.<br />

10 Literatur<br />

Anon. (1769): Oeconomischer Vorschlag, sämtl.<br />

bis anher ungebaute sogenannte Gemeindsgründe<br />

unter die Unterthanen zur Urbar- und Fruchtbarmachung<br />

zu vertheilen; somit alle gemeinschäftliche<br />

Viehweyden gänzlich abzustellen und<br />

aufzuheben. - Der baierische und pfälzische Landmann,<br />

München, 20-40.<br />

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neue Héloise. Von Dietrich LEUBE überarbeitete<br />

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Eine Reise durch seine Geschichte. - Berlin.<br />

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Anschrift des Verfassers:<br />

PD Dr. Rainer Beck<br />

Haus 52<br />

86923 Unterfinning<br />

E-Mail: rainerbeck@t-online.de

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