Druck - Deutscher Rat für Landespflege
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Schr.-R. d. Deutschen <strong>Rat</strong>es für <strong>Landespflege</strong> (2005), Heft 77, S. 5-16<br />
5<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Rat</strong> für <strong>Landespflege</strong><br />
Landschaft und Heimat – ein Resümee<br />
1 Einführung<br />
Naturschützer und Landschaftspfleger befassen<br />
sich wieder mit den Begriffen Heimat<br />
und Heimatschutz. Wohl als Reaktion<br />
auf die Globalisierung und eines bei vielen<br />
Menschen aufkommenden Gefühls der<br />
„Anonymisierung“, erlebt „Heimat“ nach<br />
Jahren der Tabuisierung eine Art Renaissance.<br />
Beispiele sind die „Vilmer Thesen zu<br />
‚Heimat‘ und Naturschutz“ (PIECHOCKI<br />
et al. 2003), das Schwerpunktheft „Heimat<br />
– ein Tabu im Naturschutz“ der Fachzeitschrift<br />
Natur und Landschaft vom September/Oktober<br />
2003 1 , die Publikation „Naturschutzbegründungen“<br />
(KÖRNER et al.<br />
2003), die Werkstatt „Heimat und Naturschutz“<br />
anlässlich des 27. Deutschen<br />
Naturschutztages im Mai 2004 in Potsdam<br />
oder das Symposium „Der Heimatbegriff in<br />
der Nachhaltigen Entwicklung – Inhalte,<br />
Chancen und Risiken“ zum Gedenken an<br />
Konrad Buchwald 2 im November 2004 in<br />
Hannover. Diese unter Fachleuten geführten<br />
Diskussionen widmeten sich vor allem<br />
zwei Problemen:<br />
zum einen der Belastung des Begriffs<br />
„Heimat“ wegen seiner Einbeziehung in<br />
die Ideologie des Nationalsozialismus und<br />
die für manche im Naturschutz Tätigen<br />
als zu gering empfundene Distanz zu dieser<br />
Periode,<br />
zum anderen die – wegen dieser Belastung<br />
mit Vorsicht erörterte – Überlegung,<br />
ob ein neu verstandener Begriff „Heimat“<br />
als zusätzliches Argument für die Begründung,<br />
Akzeptanz und Umsetzung von<br />
Naturschutzzielen und -maßnahmen sein<br />
könne.<br />
Dagegen wird in der breiten Öffentlichkeit<br />
der Begriff weniger problembeladen und<br />
weitaus unbefangener verwendet: In den<br />
Medien befasst man sich seit langem mit<br />
aufwendigen Heimatserien und Heimatfilmen.<br />
Und auch in der Werbung, z. B. für<br />
regionale Produkte wird er verwendet, so in<br />
dem Slogan „Heimat schmeckt“ 3 .<br />
„Landschaft und Heimat“ war auch die gemeinsame<br />
Veranstaltung des Institutes für<br />
<strong>Landespflege</strong>, der Akademie für Ländlichen<br />
Raum Baden-Württemberg und des<br />
Deutschen <strong>Rat</strong>es für <strong>Landespflege</strong> überschrieben,<br />
die anlässlich des 25-jährigen<br />
Bestehens des Institutes für <strong>Landespflege</strong><br />
am 18. und 19. November 2004 in Freiburg<br />
im Breisgau stattfand. Hierbei sollten Landschaft<br />
und Heimat aus verschiedenen Blickwinkeln<br />
und Wissenschaftstraditionen betrachtet<br />
werden: Heimat und Landschaft als<br />
Konstrukt des Kopfes, als Ergebnis zeitgenössischen<br />
Denkens, als normativer Rahmen,<br />
als konkretes Schutzobjekt der Landes-<br />
und Denkmalpflege, als Lebensraum<br />
im weitesten Sinne, als Gegenstand politischer<br />
Entscheidungen und als Forschungsgegenstand<br />
der Natur- und der Humanwissenschaften.<br />
Ziel war, die Diskussion um<br />
den Zusammenhang von Heimat und Landschaft<br />
interdisziplinär voranzubringen, Erkenntnisse<br />
für den Zugang zu gewinnen,<br />
über Handlungsoptionen für den Umgang<br />
mit Heimatlandschaft nachzudenken sowie<br />
Forschungsfragen zu formulieren. Die Zusammenhänge<br />
zwischen Naturschutz, Kulturlandschaft,<br />
Denkmalpflege, Heimat und<br />
Heimatpflege sollten beleuchtet und die<br />
Beziehungen der hierbei handelnden Akteure<br />
betrachtet werden. Es gehört zu den<br />
spezifischen Kompetenzen der interdisziplinär<br />
ausgerichteten <strong>Landespflege</strong> 4 , sich mit<br />
dem Wert und der Inwert-Setzung von Landschaften<br />
auseinander zu setzen und aktuell<br />
auch danach zu fragen, wie mit dem im<br />
Naturschutz wieder entdeckten Begriff Heimat<br />
umgegangen werden könnte.<br />
Folgende Themen wurden bei der Tagung<br />
referiert:<br />
Rainer BECK:<br />
Ästhetik des Schachbretts: Zur <strong>Rat</strong>ionalisierung<br />
der Naturgestalt im Zuge der Aufklärung<br />
Konrad OTT:<br />
Heimatargumente als Naturschutzbegründungen<br />
in Geschichte und Gegenwart<br />
Werner KONOLD:<br />
Stein und Wasser im Bild der Heimat<br />
Günter BAYERL:<br />
Verdrahtung und Verspargelung der Heimat<br />
Michael FLITNER:<br />
Die „heimatliche Landschaft“ als zeitliches<br />
Konstrukt<br />
Sylvia GREIFFENHAGEN:<br />
Politische Kulturlandschaften<br />
Kenneth ANDERS:<br />
Wiederaneignung entfremdeter Heimat: Die<br />
Kolonialisierung ehemaliger Truppenübungsplätze<br />
Franz HÖCHTL:<br />
Wildnis frisst Heimat. Erkenntnisse aus dem<br />
Val Grande-Nationalpark in Piemont<br />
Josef HERINGER:<br />
Inszenierung von Kulturlandschaft<br />
Willi STÄCHELE:<br />
Kulturlandschaft – Aufgabe und Herausforderung<br />
Martin BLÜMCKE:<br />
Der schwäbische Heimatbund: Arbeit für<br />
die Kulturlandschaft<br />
Jörg LEIST:<br />
Heimatpflege braucht Landschaftspflege<br />
Wolfgang THIEM:<br />
Sind Denkmallandschaften konservierte,<br />
statische Heimat?<br />
Wolfgang HABER:<br />
Pflege des Landes – Verantwortung für Landschaft<br />
und Heimat<br />
Mario F. BROGGI:<br />
Eckpunkte einer europäischen Kulturlandschaftsforschung.<br />
1 Mit Beiträgen von PIECHOCKI, KÖRNER<br />
et al., FRANKE, KÖRNER und AUSTER.<br />
2 Gründungsmitglied des Deutschen <strong>Rat</strong>es für<br />
<strong>Landespflege</strong>.<br />
3 Slogan der Arbeitsgemeinschaft für Direktvermarktung<br />
in Mayen-Koblenz.<br />
4 Nach gängiger Interpretation verbindet der<br />
Begriff „<strong>Landespflege</strong>“ zwei Bedeutungen:<br />
Inhaltlich beschreibt er die Gesamtheit der<br />
Maßnahmen zur nachhaltigen Sicherung und<br />
Entwicklung von Landschaften, technischorganisatorisch<br />
handelt es sich um eine zusammenfassende<br />
Bezeichnung für die Aufgabengebiete<br />
Naturschutz, Landschaftspflege<br />
und Grünordnung. Die nachhaltige Sicherung<br />
und Entwicklung von Landschaften hat<br />
den Schutz der Umwelt des Menschen zum<br />
Ziel, wobei neben dem Naturraumpotenzial<br />
auch alle Formen von Kulturlandschaften,<br />
nämlich Wohn-, Gewerbe-, Industrie-,<br />
Forst-, Agrar- und Erholungsgebiete Gegenstand<br />
landespflegerischer Betrachtungen sind.<br />
<strong>Landespflege</strong> versteht sich daher als Bestandteil<br />
einer ökologisch, ethisch und ästhetisch<br />
ausgerichteten Raumplanung und Raumordnung<br />
mit Arbeitsschwerpunkt im ökologisch-gestalterischen<br />
Bereich. Die <strong>Landespflege</strong><br />
soll einen Ausgleich zwischen den<br />
Ansprüchen der Gesellschaft an die Ökosysteme<br />
der Umwelt und dem Leistungsvermögen<br />
des Naturhaushaltes und seiner Potenziale<br />
herstellen.