6. Man sieht, dass und wie der Heimatbegriff sich vergeistigt: Kontingente Herkunft, Suchen eines Zuhauses, Beisammensein mit besonderen Anderen, Orientierung durch geistige und normative Traditionen, utopische Sehnsucht und Religion im ursprünglichen Wortsinn. Die Herkunftsheimat ist gewissermaßen der erdenschwere Beginn eines Weges. Dies heißt nicht, dass intellektuelle Personen nur in geistigen Gefilden („Elfenbeinturm“) schweben oder gar „entwurzelt“ sind. Sie gehen aber, um im Bilde des Marionettentheaters bei Kleist zu sprechen, nach der Vertreibung aus dem Paradiese der Kindheitsheimat auf eine Weltreise, um vielleicht (zufällig?) am Ende eine Hintertür zum Paradiese zu finden. V Ergebnis Die Geschichte des Heimatschutzes gilt es ungeschönt aufzuarbeiten (Abschnitt II). Durch die Einbettung von Heimatargumenten in den Argumentationsraum der Umweltethik, der im Horizont einer Diskurstheorie normativer Gültigkeit kritisch rekonstruiert wird, 29 wird die partikularistische Schwerkraft von Heimatargumenten relativiert und gemildert (Abschnitt III). Wenn man anschließend den Heimatbegriff selbst differenziert (Abschnitt IV), ergibt die in ihren Grundzügen dargestellte Kombination aus historischer Kritik, Einbettung und Differenzierung eine auch moralisch vertretbare Position. Die längst nicht beendete Deutung der drei eingangs eingeführten Chiffren „Ithaka“, „Quedlinburg“ und „Siebenlinden“ kann jetzt nur noch im Lichte dieser Position erfolgen. 29 In nuce verstehe ich mein Geschäft als Diskurs- und Umweltethiker als kritische Diskursrekonstruktion in praktischer Absicht. Literatur ARMSTRONG, J. (2000): Whispering in Shadows. - Theytus Penticton. 296 S. AUSTER, R. (2003): Ein ,progressiver’ Heimatbegriff. - Natur und Landschaft, 78, H. 9/10, 401- 408. 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