Druck - Deutscher Rat für Landespflege
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Schr.-R. d. Deutschen <strong>Rat</strong>es für <strong>Landespflege</strong> (2005), Heft 77, S. 89-92<br />
89<br />
Martin Blümcke<br />
Der Schwäbische Heimatbund: Arbeit für die Kulturlandschaft<br />
Der Schwäbische Heimatbund (SHB) zählt<br />
annähernd 6.000 Mitglieder. Der Schwäbische<br />
Albverein kommt auf 120.000, der<br />
Schwarzwaldverein auf 90.000, der NABU<br />
in Baden-Württemberg auf ca. 40.000 und<br />
der Bund für Umwelt- und Naturschutz<br />
(BUND) auf ca. 70.000 Förderer und Mitglieder.<br />
Was dem SHB an zahlenmäßiger<br />
Größe abgeht, das muss er durch Aktivitäten<br />
und geistige Anstöße auszugleichen versuchen.<br />
Anders als die Wandervereine Albverein<br />
und Schwarzwaldverein ist der SHB aus der<br />
Heimatschutzbewegung hervorgegangen,<br />
deren Vordenker der Berliner Musikprofessor<br />
Ernst Rudorff war. Er beklagte<br />
Ende des 19. Jh. die Veränderungen in den<br />
Städten und in der Landschaft, so die ausufernde<br />
Industrialisierung, die Arbeiterquartiere,<br />
den forcierten Eisenbahnbau, die<br />
Begradigung von Bachläufen und die<br />
Kanalisierung der Flüsse sowie die Beseitigung<br />
von Hecken, um nur einiges zu nennen.<br />
Dazu eine Angabe: Im 19. Jh. wuchs<br />
die Residenzstadt Stuttgart von 23.000 auf<br />
286.000 Einwohner, also um das Zwölffache.<br />
Im Jahr 1904 wurde in Dresden unter der<br />
geistigen Schirmherrschaft von Ernst<br />
Rudorff der „Bund Heimatschutz“ gegründet.<br />
Dabei war Heimatschutz nach Rudorff<br />
der Oberbegriff für Naturschutz samt Denkmalschutz,<br />
für die Erhaltung der ursprünglichen<br />
Landschaft und der gebauten Geschichte.<br />
In Preußen war Heimatschutz früher ein<br />
militärischer Begriff, in den USA gibt es als<br />
Folge des 11. Septembers 2001 mittlerweile<br />
ein Ministerium für Heimatschutz zur Abwehr<br />
terroristischer Bedrohung. Nach 1945<br />
wurde in Deutschland das Wort Heimatschutz<br />
obsolet, nicht so in Österreich und in<br />
der Schweiz. Folglich nannte sich der 1909<br />
gegründete „Bund für Heimatschutz in<br />
Württemberg und Hohenzollern“ 1949 bei<br />
der Wiedergründung „Schwäbischer Heimatbund“.<br />
Parallel dazu entstand 1909 im<br />
Großherzogtum Baden der „Landesverein<br />
Badische Heimat“, der jedoch den grünen<br />
Bereich ausklammerte.<br />
In einem Aufruf zur Gründung im Königreich<br />
Württemberg heißt es im Jahre 1908:<br />
„Heimatschutz fordern wir! – Kriegerische<br />
Verwüstungen vergangener Jahrhunderte<br />
haben nicht so verheerend gewirkt, so gründlich<br />
in Stadt und Land mit dem Erbe der<br />
Vergangenheit aufgeräumt, wie die Übergriffe<br />
des modernen Lebens mit seiner rücksichtslos<br />
einseitigen Verfolgung praktischer<br />
Zwecke. Und hier handelt es sich nicht mehr<br />
allein um die Zerstörung des Menschenwerks,<br />
sondern ebensosehr um die brutalsten<br />
Eingriffe in das Leben und die Gebilde<br />
der Natur. Busch und Hecke, Heide und<br />
Anger, Moor und Wiese verschwinden, wo<br />
irgend ihr Vorhandensein mit einem sog.<br />
rationellen Nutzungsprinzip in Widerstreit<br />
gerät. Wollen wir, so rufen wir mahnend<br />
jetzt ins schwäbische Land hinein, unsere<br />
traute und teure Heimat für alle Zeiten der<br />
Entstellung preisgeben? – Wir wollen denn<br />
doch verhüten, daß uns einstmals die Enkelkinder<br />
anklagen, ihr habt uns unsere Heimat<br />
verdorben! Es handelt sich hier nicht nur um<br />
eine Liebhaberei, sondern um eine Kulturfrage.<br />
Die Vaterlandsliebe wurzelt in der<br />
Heimatliebe, und niemand kann eine Gegend<br />
lieben, die aller Schönheit und Eigenart<br />
bar ist.“ (Flugblatt im Archiv des SHB).<br />
Nun, die Enkelkinder haben nicht angeklagt,<br />
sondern den Umwandlungsprozess,<br />
um es neutral zu sagen, tapfer fortgeführt.<br />
Ein anderes Grundsatzpapier aus der Vorbereitungsphase<br />
des Bundes für Heimatschutz<br />
in Württemberg bringt ethische und<br />
soziale Argumente ins Spiel: „Wir sehen<br />
unsere Hauptaufgabe darin, die Industrialisierung<br />
unseres Landes dahin zu beeinflussen,<br />
daß die Flut des industriellen Kapitalismus<br />
unsere alte Kultur nicht zerstört. Wir<br />
fragen: Wie kann bei der industriellen Entwicklung<br />
des Landes eine neue, nicht nur<br />
technisch, sondern auch sozial und künstlerisch<br />
befriedigende Gestaltung unseres Landes,<br />
unserer Dörfer und Städte, herbeigeführt<br />
werden? Unser Ziel ist: Die Bändigung<br />
des Kapitalismus, daß er nicht unersetzliche<br />
geistige Werte zerstört, indem er<br />
materielle Werte schafft.“ (Mitteilungen des<br />
Württembergischen Bundes für Heimatschutz<br />
1909, S. 2).<br />
Im Verhältnis Mensch und Natur hatte nach<br />
1870 ein grundsätzlicher Umschwung eingesetzt,<br />
die Natur war nicht mehr für alle<br />
eine verfügbare Reserve, sondern bedurfte<br />
schützenswerter Anstrengungen. Es galt, die<br />
herkömmliche Einstellung zu verändern, die<br />
der Wiener Feuilletonist Otto Neurath zu<br />
Beginn des 19. Jh. griffig so charakterisiert<br />
hatte: „Wenn früher der Mensch auf einen<br />
Sumpf traf, dann verschwand der Mensch.<br />
Wenn heute der Mensch auf einen Sumpf<br />
trifft, dann verschwindet der Sumpf.“<br />
Diesen Umschwung hat Friedemann<br />
SCHMOLL (2004) in seiner Tübinger Habilitationsschrift<br />
eindrucksvoll dargestellt:<br />
„Erinnerung an die Natur. Die Geschichte<br />
des Naturschutzes im deutschen Kaiserreich“.<br />
Der Bund für Heimatschutz in Württemberg<br />
hatte von Anfang an einen starken Rückhalt<br />
bei den Professoren der Tübinger Universität<br />
und der Stuttgarter Staatsbauschule, aber<br />
auch in den Ministerien. Die Hochschullehrer<br />
wirkten gleich im Vorstand und in den<br />
Ausschüssen mit. Mit Schreiben an Bürgermeister<br />
und Behördenvertreter, mit Tagungen<br />
und Presseartikeln versuchte man, seine<br />
Ziele zu verfolgen. Man hob stark auf bauliche<br />
und städtebauliche Probleme und<br />
Gestaltungsfragen ab und beschäftigte sich<br />
im Naturschutz eher mit besonderen Pflanzen<br />
und ihrem Vorkommen. Nach der Unterbrechung<br />
durch den Ersten Weltkrieg<br />
bewies der Verein weiter seine Attraktivität<br />
in Württemberg und erreichte Ende der<br />
1920er Jahre mit 15.000 Mitgliedern den<br />
Höchststand in seiner Geschichte. In allen<br />
64 Oberämtern war der SHB mit einer Ortsgruppe<br />
vertreten.<br />
Das Stuttgarter Landesamt für Denkmalpflege,<br />
das von dem Archäologen Peter<br />
Goeßler geleitet wurde, spielte 1919 eine<br />
Vorreiterrolle in Deutschland und richtete<br />
eine Abteilung für Naturschutz ein, die mit<br />
Dr. Hans Schwenkel (1886–1957) besetzt<br />
wurde. Als Beauftragter für den Naturschutz<br />
in Württemberg wurde Schwenkel in den<br />
1930er Jahren eine im ganzen Reich anerkannte<br />
Größe im Bereich Landschaftspflege.<br />
Er nahm bald Kontakt zum Bund für<br />
Heimatschutz auf und kämpfte zusammen<br />
mit ihm gegen innerörtliche Reklameflächen<br />
und Tafeln an den Straßen und für die Erhaltung<br />
des Landschaftsbilds bei der Kanalisierung<br />
des Neckars, für die Paul Bonatz die<br />
Stauwehre entwarf.<br />
Nachdem im Juni 1935 das Reichsnaturschutzgesetz<br />
in Kraft getreten war, gab<br />
es eine rechtliche Grundlage für die Ausweisung<br />
von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten.<br />
Schwenkel ermunterte,<br />
ja drängte den Heimatschutzbund, in<br />
diesen Flächen Grunderwerb zu tätigen. Bis<br />
zum Zweiten Weltkrieg konnten ca. 70 ha