Druck - Deutscher Rat für Landespflege
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28<br />
naturschutzgesetz von 1935 erfüllte eine<br />
alte, bis auf Conwentz zurückgehende Forderung<br />
der Naturschützer. Reinhold Tüxen<br />
und seine Mitarbeiter gestalten die Reichsautobahnen<br />
und entwickeln dabei das Konzept<br />
der Potentiellen Natürlichen Vegetation,<br />
das noch heute als (krypto)normatives<br />
Konzept im Naturschutz Verwendung findet.<br />
Alvin SEIFERT träumt im „Zeitalter<br />
des Lebendigen“ (1941, S. 87 ff.) von der<br />
Fahrt mit dem Automobil durch eine deutsche<br />
Ideallandschaft zwischen München und<br />
Salzburg. Fritz TODT versteht den Bau der<br />
Reichsautobahn als Naturschutzaktivität<br />
(1939, S. 254). Auch die aktive Beteiligung<br />
der Landschaftsplaner, Raumordner und<br />
Naturschützer an der germanischen „Neugestaltung“<br />
der eroberten Ostgebiete in aller<br />
„Planungsfreiheit“ kann nicht mehr ernsthaft<br />
bestritten werden. 17 Der Aufbau von<br />
„Wehrlandschaften“ im Osten und die Stabilisierung<br />
der „Heimatfront“ im Inneren<br />
ergänzen sich. 1939 heißt es in einem Aufruf<br />
der Zeitschrift „Naturschutz“: „Ob Krieg<br />
oder Frieden, der Ruf der Heimat schweigt<br />
nie!“ Julius KOBER, die maßgebliche Person<br />
des thüringischen Heimatschutzes<br />
schreibt 1940: „Die Heimatgemeinden (haben)<br />
ein ausgiebiges und dankbares Arbeitsfeld,<br />
nämlich die innere Front, die ‚Front der<br />
Heimat‘ gemäß der nationalsozialistischen<br />
Forderung von ‚Blut und Boden‘ so zu gestalten,<br />
daß sie nie zerbrechen kann.“ (zit. in<br />
OBERKROME 2004, S. 269. Zu Julius<br />
Kober vgl. auch HAUFE 2003). KOBER<br />
fordert 1944 bereits im Jargon der Durchhalteparolen<br />
eine unbesiegbare „Revolutionsarmee<br />
der Heimat“ 18 (zit. in HAUFE<br />
2003, S. 444).<br />
Zweifellos geraten Heimat- und Naturschützer<br />
mit Parteistellen in Einzelfällen<br />
vor Ort aneinander. Diese sporadische Renitenz<br />
im Einzelfall, die für Kolbow, Seifert<br />
und Klose überliefert ist, kann jedoch nicht<br />
über die generelle politische Rolle des Heimat-<br />
und Naturschutzes zwischen 1933 und<br />
1945 hinwegtäuschen. 19<br />
6. Nach 1945 wird jede Rangelei der<br />
Landschaftsanwälte und Heimatschützer mit<br />
Parteistellen zum Akt des Widerstands aufgebauscht.<br />
Das „Dreigestirn“ Klose,<br />
Schwenkel und Schoenichen agiert nach 1945<br />
weiter. Seifert, Wiebking und schließlich<br />
sogar Konrad Meyer werden wieder auf<br />
Lehrstühle berufen. Ich kenne kein Schriftstück,<br />
in dem einer der damaligen Protagonisten<br />
Bedauern oder Reue an den Tag legt.<br />
Darin unterscheidet sich die Naturschutzelite<br />
allerdings nicht von Martin Heidegger,<br />
Ernst Jünger, Gottfried Benn, Otmar von<br />
Verschuer und Carl Schmitt. Der Naturschutz-Jargon<br />
der frühen Adenauer-Zeit ist<br />
voll von „Volk ohne Raum“ (Hans Grimm),<br />
„Untergang des Abendlandes“ (Oswald<br />
Spengler), Kritik an der „Vermassung“<br />
(Ortega y Gasset). 20 Ich teile hier<br />
uneingeschränkt die Auffassung von<br />
OBERKROME: „Die Konstanz der Denkschemen,<br />
Wertorientierungen und intellektuellen<br />
Selbstverortungen seiner Protagonisten<br />
ist offenkundig. Sie stellt zweifellos<br />
eine drückende moralische Hypothek dar,<br />
deren Abtragung erst in den siebziger und<br />
achtziger Jahren unter erheblichen Mühen<br />
einsetzte“ (2004, S. 400). Der Naturschutz<br />
hatte den „langen Weg nach Westen“ noch<br />
vor sich. Interessanterweise ignorierte auch<br />
die 1968er Generation, aus der die Ökologiebewegung<br />
hervorging, lange Zeit die<br />
Naturschutzgeschichte fast völlig, was sich<br />
erst durch die Arbeiten von Wolschke-<br />
Bulmahn und Gröning änderte.<br />
Angesichts der Forschungslage verbietet es<br />
sich zu behaupten, dass eine biedere, unpolitische<br />
Heimat- und Naturschutzbewegung<br />
ohne eigenes Verschulden von 1933 bis<br />
1945 von bösen Nazis missbraucht wurde<br />
und dass die Rückbesinnung auf den Heimatschutz<br />
im Rahmen eines neuen Patriotismus<br />
nun ungebrochen an moralisch intakte Traditionen<br />
anknüpfen könnte.<br />
Die heutigen Heimatverbände sind Verbände,<br />
die fest auf dem Boden der freiheitlichdemokratischen<br />
Grundordnung stehen. 21 Es<br />
ist für Heimatverbände von Grund auf verfehlt,<br />
in der Hoffnung auf die Schwäche des<br />
kollektiven Gedächtnisses z. B. Personen<br />
wie Hermann Löns, Karl Kolbow, Julius<br />
Kober oder Paul Schultze-Naumburg wieder<br />
in die Galerie der großen Ahnen des deutschen<br />
Naturschutzes aufzunehmen. Gefährlich<br />
wäre eine Entwicklung, in der ein kleiner<br />
Kreis von Historikern die Geschichte<br />
des deutschen Natur- und Heimatschutzes<br />
immer besser erforscht, während die Mehrheit<br />
derer, die sich gegenwärtig aus ehrenwerten<br />
Motiven in Heimat- und Naturschutzverbänden<br />
engagieren, mit einer selektiven,<br />
weichgezeichneten und schöngefärbten<br />
Erinnerungspolitik versorgt werden. Der<br />
Forschungsstand der Historie und das Selbstverständnis<br />
der Heimatverbände dürfen nicht<br />
auseinander klaffen.<br />
III „Heimat“ in Philosophie und<br />
Umweltethik<br />
1. Heimatliebe zählt, so der Kommunitarist<br />
Alasdair MACINTYRE (1995), wie eheliche<br />
Treue, Solidarität mit Verwandten und<br />
Freunden, Familiensinn und Anhängerschaft<br />
zu Vereinen zu den sog. loyalitätsbezeugenden<br />
Werten. Es handelt sich dabei<br />
immer um eine Loyalität gegenüber etwas<br />
Partikularem. Es muss jedoch, was bei<br />
MACINTYRE nicht immer hinreichend<br />
deutlich wird, immer vorausgesetzt werden<br />
können, dass diese Partikularität die ihr<br />
entgegen gebrachte Loyalität auch verdient.<br />
Andernfalls endet man bei bedingungslosen<br />
Fahneneiden und der Maxime „Right or<br />
wrong, my country!“, die man wohl kaum<br />
als allgemeines Gesetz wollen kann (obwohl<br />
sie widerspruchslos verallgemeinerbar<br />
ist). MACINTYRE möchte die Differenz<br />
zwischen partikularen Loyalitäten und<br />
universalistischer Moral in eine einzige<br />
Konzeption der „Moral des Patriotismus“<br />
überführen, in der man unterscheiden können<br />
soll, „für welche Verbrechen meiner<br />
Nation ich Wiedergutmachung leisten muß,<br />
für welche empfangenen Vorteile ich meiner<br />
Nation gegenüber Dankbarkeit empfinden<br />
muß“ (1995, S. 99). Genau diese Differenz<br />
setzt jedoch mehr an moralischem Bewusstsein<br />
voraus als die Verstrickung der<br />
eigenen Identität in die jeweilige Nationalgeschichte.<br />
Kurzum: Loyalitäten müssen<br />
moralkonform sein und nicht die Moralität<br />
loyalitätskonform. Dies gilt auch für die<br />
Heimatliebe.<br />
2. In der deutschsprachigen Umweltethik<br />
sind Heimat-Argumente lange Zeit unter-<br />
17 Die Raumplaner im Reichskommissariat für<br />
die Festigung des deutschen Volkstums<br />
(RKF) verstanden sich als Elite. Mäding,<br />
Schwenkel, Wiebking-Jürgensmann, Meyer<br />
u. a. waren sich der politischen Dimension<br />
der „Landschaftsregeln“ und des „Generalplan<br />
Ost“ vollauf bewusst und bejahten ihre<br />
Rolle innerhalb einer „kämpfenden Verwaltung“.<br />
Hierzu siehe WILDT (2002) sowie<br />
HARTENSTEIN (1998), FEHN (2003) und<br />
OBERKROME (2004, S. 236 ff.). Instruktiv<br />
sind Wildts Darstellungen von Mädings<br />
Rekrutierung zu SS und SD durch<br />
HEYDRICH (2002, S. 160 ff.) und die Rolle<br />
von Konrad Meyer bei der Abfassung des<br />
„Generalplan Ost“ (2002, S. 663 ff.).<br />
18 Julius KOBER: „Die politische Aktivierung<br />
der Heimat- und Wandervereine“. In: Berg –<br />
Burg – Wald, 1944, zit. in HAUFE (2003, S.<br />
444).<br />
19 Es ist auch völlig müßig darüber zu spekulieren,<br />
wie eine langfristige Naturschutzpolitik<br />
im NS-Staat ausgesehen hätte, obwohl Anna<br />
Bramwells höchst anfechtbare Thesen eines<br />
angeblichen „Green Wing“ innerhalb der<br />
NS-Führung solche Spekulationen nach wie<br />
vor beflügeln (BRAMWELL 1985). Unbestrittene<br />
Tatsache ist es, dass die Nazis<br />
beispielsweise den viel beschworenen deutschen<br />
Wald aufgrund ihrer Autarkie-Politk<br />
nicht nachhaltig nutzten. Dies gab Göring<br />
1939 unumwunden zu (GÖRING 1939).<br />
Auch Darré hat sich erst nach 1945 zu einem<br />
Vorkämpfer für die „lebensgesetzliche<br />
Landbauweise“ stilisiert (GERHARD 2003).<br />
20 Erst in der Arbeit an diesen Quellen wird<br />
deutlich, wie isoliert die „Frankfurter Schule“,<br />
an der ein anderer Geist wehte, in der<br />
BRD in dieser Zeit war. Vgl. hierzu<br />
HABERMAS (2003).