Bergsteiger Die Paten - Berühmte Bergsteiger und ihre Wege (Vorschau)
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Großes Erlebnis bei vergleichsweise<br />
geringem<br />
Risiko macht den Reiz<br />
der Klettersteige aus.<br />
Kleines<br />
Sturzglossar<br />
Sturzfaktor: Seile dehnen sich bei Belastung<br />
<strong>und</strong> nehmen so Energie auf. Je kürzer<br />
das Seil, desto geringer sind Dehnung <strong>und</strong><br />
Energieverbrauch. Als Maß für die Sturzhärte<br />
gilt der Sturzfaktor: die Sturzhöhe geteilt<br />
durch die Länge des Seilstücks, das den<br />
Sturz abfängt. Wenn ein Sportkletterer also<br />
nach 20 Metern fünf Meter fällt, beträgt<br />
der Sturzfaktor also 0,25 (5/20). Beim<br />
Klettersteig-Set steht nur etwa ein Meter Seil<br />
zur Verfügung. Der Sturzfaktor beträgt beim<br />
gleichen Sturz 5/1 – die Belastung für Karabiner<br />
<strong>und</strong> Körper ist hier also 20 Mal höher<br />
als beim Klettern.<br />
Fangstoß: Fangstoß nennt man die maximale<br />
Kraft, die beim Sturz auf Körper <strong>und</strong><br />
Sicherungen wirkt – also den Ruck, den<br />
man beim Abbremsen spürt. Je höher der<br />
Sturzfaktor, desto höher der Fangstoß. Laut<br />
Norm darf er bei Klettersteig-Sets sechs<br />
Kilo-Newton betragen – das entspricht noch<br />
immer der Kraft eines Gewichtes von 600<br />
Kilogramm, das am Körper ziehen würde.<br />
Deshalb gilt: Am besten gar nicht stürzen.<br />
Statische Bremswirkung: Bei einem<br />
Sturz in ein fi xiertes Seil absorbiert dieses die<br />
gesamte Energie durch Dehnung. Am Klettersteig<br />
ist dieses Seilstück meist kurz, der<br />
Fangstoß damit hoch. Noch härter ist der Fall,<br />
wenn man Reepschnur oder Bandmaterial<br />
statisch verwendet, da sich diese so gut wie<br />
gar nicht dehnen.<br />
Dynamische Bremswirkung: Eine dynamisch<br />
wirkende Klettersteigbremse vernichtet<br />
die beim Fallen auftretende Energie durch<br />
Reibung, indem das Sicherungsseil durch<br />
die Bremse gezogen wird. Hier ist es egal,<br />
ob man Seil- oder Bandmaterial verwendet.<br />
Wenn Bremse <strong>und</strong> Seilmaterial ideal abgestimmt<br />
sind, wird der Sturz weich abgebremst<br />
wie durch ein Luftkissen.<br />
Tipp: Weitere Infos r<strong>und</strong> um Klettersteig, Sets<br />
<strong>und</strong> Bremsen gibt es in der »Klettersteigfi bel«<br />
von Mammut, abrufbar unter www.mammut.<br />
ch/images/Klettersteigfi bel_D_.pdf<br />
mehr zu tun«, meint Vorstandsmitglied Gotlind<br />
Blechschmidt. »Wir sind nicht generell<br />
gegen Klettersteige, aber genug ist genug.«<br />
Denn der Bau-Boom wirkt sich nicht nur negativ<br />
auf die Natur aus, auch die Zahl der Notfälle<br />
steigt. Laut der DAV-Unfallstatistik vom<br />
vergangenen Jahr haben sich die Meldungen<br />
seit 2006 verdoppelt, seit 2002 sogar auf r<strong>und</strong><br />
50 pro Jahr verdreifacht. Das Problem seien<br />
laut DAV weniger die ganz Unerfahrenen,<br />
sondern fortgeschrittene Anfänger. Nach 20,<br />
30 Einsteigertouren überschätzen sich viele<br />
<strong>und</strong> landen nicht selten in Situationen, in<br />
denen sie weder vor noch zurück wissen: Der<br />
Hälfte aller abgesetzten Notrufe liegt nicht<br />
etwa eine Verletzung zu Gr<strong>und</strong>e, sondern<br />
schlicht psychische Überforderung angesichts<br />
schwindelnder Tiefe.<br />
Schock für die Branche<br />
Hätte sich die Sicherungstechnik nicht rapide<br />
weiterentwickelt, lägen die Unfallzahlen<br />
wohl noch um einiges höher. Vor ungefähr<br />
20 Jahren nahm die Entwicklung der Klettersteig-Sets<br />
mit zwei entscheidenden Neuerungen<br />
Fahrt auf. Zum einen wurden spezielle<br />
Karabiner entwickelt, die sich nach dem<br />
Zuschnappen automatisch verriegeln <strong>und</strong><br />
bei einem Sturz nicht aufgehen können. <strong>Die</strong><br />
zweite Innovation waren Reibungsbremsen:<br />
<strong>Die</strong> beiden Arme des Klettersteig-Sets waren<br />
anfangs noch aus einem Seilstück gefertigt,<br />
das in der Mitte durch ein kleines Metallstück<br />
– die Seilbremse – gefädelt wurde. Fiel ein<br />
<strong>Bergsteiger</strong>, der jeweils nur einen Fangarm<br />
zur Sicherung benutzte, zog es die andere<br />
Seilhälfte durch die Seilbremse. Teile der<br />
Fallenergie wurden so in Reibungsenergie<br />
umgesetzt <strong>und</strong> somit die Kräfte, die auf den<br />
Körper wirkten, reduziert. Auch wenn diese<br />
V-Form heute als veraltet gilt, so basiert das<br />
heute noch gängige Prinzip (Y-Form) auf diesem<br />
Modell (siehe Kasten Seite 105).<br />
Vor einigen Jahren tauchte ein weiteres System<br />
in den Regalen auf: sogenannte Bandfalldämpfer<br />
mit gefalteten <strong>und</strong> vernähten Bändern.<br />
Sobald die Kraft beim Fall ins Set fünf<br />
Kilo-Newton übersteigt, reißen die Nähte<br />
Stück für Stück auf <strong>und</strong> federn so den Sturz<br />
ab. <strong>Die</strong> Systeme erfahren im Gegensatz zur<br />
Reibungsbremse auch bei Nässe oder Verschmutzung<br />
keinen Funktionsverlust <strong>und</strong><br />
werden daher von Sicherheitsforschern empfohlen.<br />
Seit neuestem gibt es auch Seilklemmen,<br />
die ähnlich wie eine Prusikschlinge am<br />
Drahtseil mitlaufen <strong>und</strong> im Falle eines Falles<br />
nicht zurückrutschen. Durch geringere<br />
Sturzhöhen sind die wirkenden Kräfte automatisch<br />
kleiner. Sicherheits-Experten finden<br />
die Entwicklung vielversprechend, mahnen<br />
aber eine bessere Handhabbarkeit an.<br />
Im Sommer 2012 traf die Branche dann der<br />
Schock: Ein unerfahrener 17-Jähriger stürzte<br />
im schwierigen Direttissima-Klettersteig am<br />
Walchsee, als beide Fangarme seines Leih-<br />
Klettersteig-Sets rissen. Untersuchungen<br />
ergaben, dass die elastischen Fangarme des<br />
Sets durch das häufige Dehnen geschwächt<br />
104 <strong>Bergsteiger</strong> 06⁄13