Bergsteiger Die Paten - Berühmte Bergsteiger und ihre Wege (Vorschau)
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INFO<br />
Campiglia <strong>und</strong> die Azaria-Ebene<br />
Der sehenswerte Ort Campiglia<br />
(1350 m; im Bild der<br />
mittelalterliche Kirchturm,<br />
der neben dem barocken<br />
Kirchenschiff steht) liegt im<br />
obersten Teil des Soana-Tales.<br />
Früher lebten hier um die<br />
250 Menschen, 1901 waren<br />
es noch 209 <strong>und</strong> heute gibt<br />
es nur noch zwei ganzjährige<br />
Bewohner – eine Entwicklung,<br />
schriftlich fixiert wurde, beschreibt den<br />
Heiligen Besso als einen römischen Soldaten<br />
der thebäischen Legion, die aus Christen<br />
bestand <strong>und</strong> von Mauritius angeführt<br />
wurde. <strong>Die</strong>se weigerten sich im Jahr 287 n.<br />
Chr. vor einer Schlacht bei Martigny (Wallis)<br />
den Göttern zu opfern, weshalb die meisten<br />
von ihnen umgebracht wurden. Besso<br />
gelang es jedoch, ins Soana-Tal zu fliehen,<br />
wo er die dortigen Bewohner missionierte,<br />
was seine Verfolger jedoch nach einiger Zeit<br />
mitbekamen. Als Besso sich einmal auf der<br />
Alm aufhielt, luden ihn die dortigen Hirten<br />
ein, die gerade ein gestohlenes Lamm aßen.<br />
<strong>Die</strong>s lehnte er jedoch empört ab <strong>und</strong> hielt<br />
ihnen eine heftige Strafpredigt. Da die Hirten<br />
Angst hatten, dass Besso <strong>ihre</strong>n <strong>Die</strong>bstahl<br />
weitererzählte, packten sie ihn <strong>und</strong> warfen<br />
ihn vom Gipfel des Monte Fantono in die<br />
Tiefe. Durch Bessos Sturz entstand am Fuß<br />
des Felsens eine Delle, die noch heute zwischen<br />
Felswand <strong>und</strong> Kapelle gut zu sehen<br />
ist. Besso überlebte wie durch ein W<strong>und</strong>er<br />
den Aufprall, hatte aber Pech: Gerade in<br />
diesem Augenblick erreichten seine römischen<br />
Verfolger die Alm <strong>und</strong> töteten ihn.<br />
Christianisierter Kult<br />
Robert Hertz erfährt bei seinen Recherchen<br />
1912 in Cogne eine andere Version dieser<br />
Legende: San Besso war ein besonders from-<br />
die für diese Alpenregion<br />
typisch ist. Ganze Täler haben<br />
sich vor allem in den 1960er-<br />
Jahren regelrecht entvölkert,<br />
die Bewohner suchten in den<br />
Industrieregionen der Poebene<br />
nach Arbeit <strong>und</strong> besseren<br />
Lebensbedingungen.<br />
Oberhalb dieses Ortes<br />
erstreckt sich in 1500 bis<br />
1600 Meter Höhe die vom<br />
Rio Campiglia durchfl ossene<br />
Azaria-Ebene (Pian d’Azaria)<br />
– geschaffen durch den<br />
eiszeitlichen Gletscher –, die<br />
von bis zu 3000 Meter hohen<br />
Bergen umrahmt wird.<br />
Neben den traditionellen<br />
Almsiedlungen gibt es hier<br />
eine barocke Kapelle, ein ehemaliges<br />
königliches Jagdhaus<br />
<strong>und</strong> ein großes Holzgerüst zur<br />
Beobachtung von Wildtieren,<br />
das der Nationalpark Gran<br />
Paradiso errichtete.<br />
Der italienische Alpinist <strong>und</strong><br />
Schriftsteller Mario Rigoni<br />
Stern bezeichnete Azaria als<br />
»den schönsten Platz der<br />
Alpen«. Und dies gilt heute<br />
umso mehr, weil der Nationalpark<br />
hier alle modernen<br />
Hässlichkeiten wie Zweitwohnungskomplexe,<br />
Tourismusanlagen<br />
oder Fahrstraßen<br />
verhindert hat.<br />
mer Schafhirte aus Campiglia, der sehr<br />
häufig auf dem Gipfel des Monte Fantono<br />
betete, <strong>und</strong> dessen Schafe auf der Alm außergewöhnlich<br />
fett wurden <strong>und</strong> ihm überallhin<br />
nachfolgten, so dass er sie nie suchen<br />
musste. <strong>Die</strong>s erweckte den Neid der anderen<br />
Hirten, <strong>und</strong> zwei von ihnen warfen ihn<br />
vom Monte Fantono herab. Robert Hertz<br />
legt dar, dass die christliche Legende die<br />
Neuinterpretation einer sehr viel älteren<br />
religiösen Tradition ist, so wie es die katholische<br />
Kirche im Mittelalter häufig machte,<br />
um »heidnische« Traditionen ins Christentum<br />
zu integrieren.<br />
Am Anfang war der Fels<br />
Er argumentiert sehr überzeugend dafür,<br />
dass auch die Cogne-Version dieser Legende<br />
nicht die älteste Form sein kann, weil sich<br />
der Kern dieser religiösen Tradition nicht<br />
um eine Heilige Person, sondern um einen<br />
Heiligen Felsen rankt, der als Fels selbst heilig<br />
war – deshalb die hohe Bedeutung der<br />
Felseintiefung, deshalb der kreisförmige<br />
Prozessionsumgang um den Felsen herum.<br />
Noch 1912 schlugen die Gläubigen vom Felsen<br />
kleine Felsstückchen ab <strong>und</strong> trugen sie<br />
dann als eine Art Talisman lebenslang bei<br />
sich. Deshalb dürfte der Ursprung dieses<br />
religiösen Kultes sehr alt sein. Das könnte<br />
bedeuten, dass er in der Zeit entstand,<br />
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