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stereoplay 35 Jahre (Vorschau)

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HiFi-Legenden<br />

Lautsprecher<br />

66 <strong>Jahre</strong> und kein<br />

bisschen leise<br />

Es wird seit 1946 kontinuierlich gebaut und widersteht allen Design-Trends.<br />

Dynamisch ist und bleibt das Eckhorn von Klipsch ohnehin eine Klasse für sich.<br />

Der Autor: Hans Martin Burr<br />

Burr ist Röhren-Fan und<br />

steht deshalb auf<br />

besonders „laute“<br />

Lautsprecher.<br />

Burr kam 1982 als Volontär zu<br />

<strong>stereoplay</strong>. Es folgten Stationen<br />

bei HiFi Vision, AUDIO<br />

und video. Er wurde Herausgeber<br />

des UE-Geschäftsbereichs<br />

– also auch <strong>stereoplay</strong>-<br />

Chef. 2005 wechselte er als<br />

Chefredakteur und Herausgeber<br />

von computerbild.de zum<br />

Mitbewerber. Heute ist er<br />

selbstständiger Berater und<br />

systemischer Business-Coach.<br />

Das müsste genügen – mit<br />

diesen handverlesenen<br />

Worten endete nach gefühlten<br />

27 Sekunden meine erste Begegnung<br />

mit dem Phänomen<br />

Klipsch. Nun sah ich als 16-Jähriger<br />

auch nicht so aus, als wäre<br />

ich in der Lage, die paar Tausend<br />

Mark für ein Pärchen La<br />

Scala mal so eben über den Tresen<br />

zu schieben. Also muss man<br />

dem Verkäufer des HiFi-Studios<br />

Kolban in Esslingen vor allem<br />

einmal dankbar sein, dass er in<br />

einem Anfall von Mitleid den<br />

Plattenspieler für mich angeworfen<br />

hat. Es war so schön.<br />

Den Gipfel meines Klipsch-<br />

Glücks erklomm ich <strong>Jahre</strong> später<br />

im Hörraum von <strong>stereoplay</strong>:<br />

das Eckhorn. Da standen sie<br />

nun wie zwei verunglückte Garderobenschränke<br />

von Möbel<br />

Mammut und versprühten den<br />

Charme von gediegenem Nussbaum<br />

Natur.<br />

Die ganze Tragweite des<br />

Projekts Eckhorn erschließt sich<br />

ohnehin nur anhand von Risszeichnungen.<br />

Wie raffiniert der<br />

alte Paul Klipsch (bereits damals<br />

war er schon 78 <strong>Jahre</strong> alt)<br />

den Schall des im Gehäuse verschanzten<br />

38er-Basses über ein<br />

hölzernes Labyrinth zu den beiden<br />

seitlichen Öffnungen bugsierte<br />

und die bessere Ankopplung<br />

an die Raumluft für hohen<br />

Wirkungsgrad ausnutzte. Wie<br />

genial er des Eckhorn-Besitzers<br />

eigene vier Wände als monströse<br />

Hornöffnung missbrauchte.<br />

Und welch überwältigenden<br />

Effekt er damit erzielte:<br />

Die Membran im Inneren<br />

muss gewissermaßen nur mit<br />

den Augen zwinkern und der<br />

Zuhörer holt sich ein posttraumatisches<br />

Bass-Erlebnis, von<br />

dem er noch lange zehren kann.<br />

Ohne „h“, mit viel Pegel<br />

Während ich noch, ganz in Gedanken,<br />

nach dem verschwundenen<br />

„h“ des Klipschorns<br />

fahndete, erklangen auch schon<br />

die ersten Takte Musik. Falsch:<br />

Es tobte ein orkanartiges Gewitter.<br />

Als Reaktion auf die übliche<br />

Stellung des Lautstärkereglers<br />

scheint das Eckhorn zu<br />

sagen: „Wenn Du die Antwort<br />

ertragen kannst.“ Und „Bring<br />

mal das Kofferradio!“.<br />

Mit gemessenen 96 Dezibel<br />

ist das Eckhorn einer der effektivsten,<br />

wenn nicht der effektivste<br />

Verwerter von Leistung.<br />

Das empfiehlt den Lautsprecher<br />

nicht nur für den blauen Umwelt-Engel,<br />

sondern auch für<br />

feinstes Röhrengerät, das sich<br />

bei 10 Watt Leistungsanforderung<br />

schon mal hilfesuchend<br />

umschaut. Ein Warnhinweis:<br />

Wie alle anderen Boxen unterscheidet<br />

auch das Klipschorn<br />

nicht zwischen Stör- und Nutzsignalen<br />

– über das Grundrauschen<br />

der Elektronik macht sich<br />

das Horn genauso gierig her wie<br />

über Musiksignale. Die Folge:<br />

ein eindringlicher Rauschteppich,<br />

wenn sich die Elektronik<br />

nicht um beste Signal-Rauschabstände<br />

bemüht.<br />

Gut, mit Röhren hatte man<br />

es in den 1970er- und 80er-<br />

<strong>Jahre</strong>n nicht so, man war vielmehr<br />

froh, dass der Transistor<br />

erfunden war. Aber auch mit<br />

der Referenz-Endstufe Denon<br />

POA 3000 war das Eckhorn<br />

nicht nur laut. Es bewies eindrücklich,<br />

dass ein Gutteil des<br />

Live-Erlebnisses vom Unterschied<br />

des leisesten zum lautesten<br />

Ton abhängt, und davon,<br />

wie unvermittelt das beim Zuhörer<br />

auf dem Sofa ankommt.<br />

Das „Orn“ macht süchtig<br />

Ich hörte mich in einen wahren<br />

Klipsch-Rausch. Mit Rock und<br />

Pop und Pop und Rock. Unglücklicherweise<br />

verlangte das<br />

Hörprotokoll von <strong>stereoplay</strong><br />

auch das Abspielen klassischen<br />

Liedguts. Die Instrumente ließen<br />

sich unterscheiden und die<br />

Celli kamen mehr von rechts<br />

und von links die Geigen.<br />

Aber spielte das eine Rolle?<br />

Für feingeistige Klassik-Liebhaber<br />

ist Klipsch ohnehin nicht<br />

die erste Wahl, der Rest der Welt<br />

lässt sich von ihrer Klang-Vorstellung<br />

einfach mitreißen.<br />

Auch Freunde gepflegter Tiefenstaffelung<br />

mögen vielleicht<br />

anmerken, dass die Mittelhochton-Hörner<br />

eventuell ein<br />

14<br />

5/13 <strong>stereoplay</strong>.de

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