stereoplay 35 Jahre (Vorschau)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
HiFi-Legenden<br />
Vorverstärker<br />
Einer für alles<br />
1980 erschuf Dieter Burmester den Vorverstärker 808. Eine HiFi-Legende,<br />
die sich im <strong>stereoplay</strong>-Testalltag bestens bewährte und die auch 30 <strong>Jahre</strong><br />
später – nun in der fünften Generation – ein Maß für sich ist.<br />
Uns Testern standen in der<br />
Ära von Chefredakteur<br />
Karl Breh (1984 – 1996) ideale<br />
Arbeitsverhältnisse zur Verfügung.<br />
Der Klangvergleich im<br />
Hörraum genoss oberste Priorität,<br />
er erfolgte unter kontrollierten<br />
Bedingungen, und dazu<br />
gehörten beim direkten A/B-<br />
Vergleich gleiche Pegelverhältnisse<br />
für die Kandidaten.<br />
Die Anzahl der Geräte, die<br />
damals die Tests durchliefen,<br />
war enorm. Für das Analog-<br />
Ressort stand mir Gott sei Dank<br />
ein zweiter Hörraum zur Verfügung,<br />
der vom ständigen Auf-,<br />
Um- und Abbau nicht betroffen<br />
war. Eine Oase mit Platz für<br />
viele Plattenspieler, mit nur<br />
einem Paar Lautsprecher (meist<br />
die Ecouton LQL 200) und häufige<br />
wechselnden Endstufen –<br />
und dem Burmester 808.<br />
Der Autor: Wilfried Kress<br />
Wilfried Kress hat viele<br />
<strong>Jahre</strong> mit dem 808 gearbeitet<br />
und weiß dessen<br />
Qualität zu schätzen.<br />
Wilfried Kress stieß nach<br />
seinem Buch „High End – Die<br />
hohe Kunst der Musikreproduktion“<br />
1990 zu <strong>stereoplay</strong>.<br />
Als Redakteur für Sonderaufgaben<br />
galt er bis 1996 als „der<br />
High-Ender“ der Redaktion<br />
und widmete sich gerne<br />
analogen Themen. Kress ist<br />
der Branche erhalten geblieben,<br />
heute ist er Herausgeber<br />
von hifi & records und dem<br />
Web-Magazin i-fidelity.net.<br />
Zugegeben, an ihn musste<br />
ich mich anfangs erst gewöhnen,<br />
aber dann wurde mir der<br />
808 MK III zum treuen Begleiter<br />
während meiner gesamten<br />
Zeit in der Redaktion. Seinen<br />
modularen Aufbau erachtete ich<br />
anfangs als zu unpuristisch,<br />
aber gerade der erlaubte es, den<br />
808 zum Phono-Vorverstärker<br />
mit sechs MM/MC-Eingängen<br />
aufzurüsten. Die Module für<br />
Moving-Magnet- (MM) und<br />
Moving- Coil-Systeme (MC)<br />
waren in der Redaktion vorhanden<br />
und perfekte Vergleichsmöglichkeiten<br />
damit gegeben.<br />
Pegelunterschiede zwischen<br />
unterschiedlichen Systemen<br />
konnte der 808 präzise ausgleichen,<br />
die Empfindlichkeit der<br />
Phonomodule ließ sich über einen<br />
weiten Bereich regeln und<br />
die Anpassung der Tonabnehmer<br />
am jeweiligen Eingang<br />
konnte individuell erfolgen. Dafür<br />
gab es Cinch-Stecker, die<br />
Parallel-Widerstände oder zusätzliche<br />
Kapazitäten in feinen<br />
Abstufungen enthielten.<br />
Einzigartig vielseitig<br />
Um die Bedeutung des 808 zu<br />
verstehen, muss man sich gedanklich<br />
in die Zeit zurückversetzen,<br />
als es noch nicht einmal<br />
den CD-Player gab. „Der wirklich<br />
faire Hörvergleich“, konstatierte<br />
Heinrich Sauer im Test<br />
des 808 MK II in Heft 9/1982<br />
zu Recht, „mit korrekter Abschluss-Impedanz,<br />
exakt gleicher<br />
Lautstärke der Systeme<br />
und kompensierten Balance-<br />
Unterschieden war schlechthin<br />
ein Ding der Unmöglichkeit.“<br />
Der 808 hat das ein für allemal<br />
geändert, aber er war auch<br />
klanglich sowie messtechnisch<br />
seiner Zeit weit voraus.<br />
Für die ultrapräzise RIAA-<br />
Entzerrung garantierte Burmester<br />
eine maximale Abweichung<br />
von einem Zehntel Dezibel,<br />
die Lautstärke wurde<br />
nicht über ein Potenziometer,<br />
sondern über logarithmisch abgestufte<br />
Festwiderstände eingestellt.<br />
Klirrzugaben erlaubte<br />
sich der 808 MK II im ersten<br />
Test so gut wie keine. Mit „unfassbar“<br />
geringen harmonischen<br />
Verzerrungen von 0,000<strong>35</strong> Prozent<br />
(nicht zu verwechseln mit<br />
dem Klirrfaktor THD+N, bei<br />
dem auch das Rauschen berücksichtigt<br />
wird) und Intermodulationswerten<br />
(SMPTE) von<br />
0,0005 Prozent kann sich ein<br />
High-End-Vorverstärker auch<br />
heute noch überall sehen lassen.<br />
Die Störabstände waren überragend,<br />
der Phono-MM-Eingang<br />
fast genauso gut wie das<br />
Hochpegelmodul; zwischen<br />
beiden lag ein Dezibel bei der<br />
Geräuschspannung. Das MC-<br />
Modul war gleichfalls Spitzenklasse,<br />
rauscharm, universell<br />
einsetzbar und ab 1985 sogar<br />
symmetrisch erhältlich.<br />
Berliner Prüf-Instrument<br />
Der Klang des 808 hatte immer<br />
etwas „Unbestechliches“, denn<br />
er trat selbst nur ganz wenig in<br />
Erscheinung. Neutralität war<br />
ihm oberstes Gebot, seine Sauberkeit<br />
und Präzision waren<br />
außergewöhnlich. Damals wurden<br />
Verstärker gerne für besondere<br />
Klangeigenschaften gelobt,<br />
nicht selten für das, was sie<br />
klanglich hinzufügten oder für<br />
ihre tonalen Abweichungen von<br />
der RIAA-Entzerrungs-Kennlinie.<br />
Der 808 dagegen war<br />
schon damals unauffällig bis<br />
zur Selbstverleugnung (was<br />
noch heute gerne mit „analytisch“<br />
verwechselt wird) und<br />
damit ideal, um die feinsten<br />
Klangeigenschaften von Tonabnehmern<br />
aufzuspüren.<br />
Aber auch bei Laufwerkoder<br />
Tonarm-Tests war der 808<br />
unverzichtbar. Für ein Heft hatten<br />
wir einmal fünf der<br />
32<br />
5/13 <strong>stereoplay</strong>.de