stereoplay 35 Jahre (Vorschau)
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
HiFi-Legenden<br />
Lautsprecher<br />
Schlankheitskur<br />
In ihrer über 30-jährigen Geschichte hat die Quadral Vulkan viel an Breite<br />
und Gewicht verloren. An Klangfaszination hat sie erheblich gewonnen.<br />
Nein, ich schreibe sie nicht:<br />
die rührende Geschichte<br />
vom Jüngling, der sich die Nase<br />
an den Schaufenstern seiner<br />
HiFi-Händler plattdrückte und<br />
von richtigem High End träumte.<br />
Obwohl sie wahr wäre.<br />
Und auch die Vulkan wäre<br />
drin vorgekommen. Womit<br />
schon mal eine Antwort auf die<br />
Frage gegeben wäre, warum ich<br />
ausgerechnet diese Lautsprecherbox<br />
ausgesucht habe.<br />
Die zweite: Kollege Biermann<br />
kann sehr überzeugend<br />
sein, wenn es darum geht, einen<br />
bekennenden Elektrostaten-Fan<br />
zu einem dynamischen Lautsprecher<br />
zu überreden.<br />
Die dritte: Der Hochtöner ist<br />
keine elektrodynamische Kalotte,<br />
sondern ein „echtes Bändchen“<br />
– und kommt damit an<br />
die von mir bevorzugte Art heran,<br />
aus Wechselspannungen<br />
Musik zu machen.<br />
Der Autor: Lothar Brandt<br />
Er schätzt den Klang von<br />
Elektrostaten, findet aber<br />
auch Bändchen klasse:<br />
Lothar Brandt.<br />
Die vierte bildet in dieser<br />
Phalanx von Antworten die<br />
Speerspitze: Die Titan, die<br />
große Schwester, hatte ich in<br />
ihrer Inkarnation Generation<br />
VIII bereits für das Schweizer<br />
Magazin Home Electronics getestet<br />
und für überragend befunden.<br />
Weil der Mittel- und<br />
Hochtöner der Vulkan VIII R<br />
denen in ihren großen Verwandten<br />
entsprechen, durfte ich ähnlich<br />
Gutes erwarten. Zudem hat<br />
sie – wenn auch mit kleineren<br />
21-cm-Chassis – die Druckkammer-Reflex-Konstruktion<br />
für den frontal abgestrahlten<br />
Tieftonbereich übernommen.<br />
Wie alles begann<br />
Seine fröhlichen Urstände feierte<br />
der schon immer zweitgrößte<br />
Quadral-Lautsprecher<br />
bei <strong>stereoplay</strong> in Ausgabe 10/82.<br />
Die Titan war dort im Vorjahr<br />
Referenz bei den Passivboxen<br />
Lothar Brandt, Jahrgang 1961,<br />
absolvierte seine Ausbildung<br />
ab 1986 bei der motorpresse<br />
Stuttgart. Von Februar 1996<br />
bis August 2001 verantwortete<br />
er als geschäftsführender<br />
Redakteur die Geschicke von<br />
<strong>stereoplay</strong>, bevor er zu AUDIO<br />
übersiedelte. Der bekennende<br />
Analogfan und Musiksammler<br />
wechselte 2011 in die Schweiz,<br />
wo er auch das Magazin Home<br />
Electronics leitet.<br />
geworden. Dem Trio Dietrich<br />
Benn, Hans-Martin Burr und<br />
Joachim Reinert jedenfalls fiel<br />
an der Vulkan auf, dass sie wie<br />
ihre Schwester zur Bass-Kräftigung<br />
eine Transmissionline<br />
im Gehäuse-Inneren gefaltet<br />
hatte, dass sie einem Langhub-<br />
Konus-Mitteltöner den wichtigen<br />
Stimmbereich anvertraute<br />
und dass ein Bändchenhochtöner<br />
den im Messlabor ermittelten<br />
recht strammen Höhenanstieg<br />
zu verantworten hatte.<br />
So gipfelte der nicht sehr<br />
ausführliche Hörtest der damals<br />
immerhin 5200 Mark (Paarpreis)<br />
teuren Vulkan I (Basis-<br />
Preis der VW Gold 2 C zur<br />
Markteinführung 1983: 13490<br />
Mark) in dem Urteil: „kräftige,<br />
recht saubere Tieftonpassagen<br />
drangen mit Druck zum Hörer.<br />
... Die Vulkan gab Mitten und<br />
Höhen sehr gut wieder. ... Die<br />
Höhen brachte sie betonter als<br />
der englische Kandidat“ (gemeint<br />
war die eineinhalbmal so<br />
teure B&W 801F). Aus dem<br />
Test wurden die Leser mit dem<br />
Rat entlassen: „Deshalb ist vor<br />
dem Boxenkauf ein Hörtest<br />
beim Händler sehr wichtig, um<br />
persönliche Präferenzen zu berücksichtigen.“<br />
Wir nervten den Quadral-<br />
Händler in unserer kleinen<br />
Stadt, um unsere persönlichen<br />
Präferenzen zu berücksichtigen.<br />
So gewaltig die damalige Vulkan<br />
mit ihrer gigantischen<br />
Schallwand auf heutige Betrachter<br />
wirkt, kam sie uns damals<br />
nicht vor. Vielleicht, weil<br />
viele große Lautsprecher damals<br />
so groß waren. Der damalige<br />
Quadral-Entwickler Helmut<br />
Schaper jedenfalls freute<br />
sich: „Das viele Holz kommt<br />
eben gut an“. Die asymmetrische<br />
Positionierung und die<br />
Reihenfolge der Töner auf und<br />
in besagtem Holz, Tieftöner<br />
oben, Höchtöner unten, kamen<br />
uns freilich schon eigenartig<br />
vor. In der Tat blieb von den<br />
prägnanten Höhen, die man im<br />
Sitzen um die Ohren geweht<br />
bekam, nach dem Aufstehen<br />
nicht mehr ganz so viel übrig.<br />
Begriffe wie vertikale Bündelung<br />
fielen uns nicht dazu ein.<br />
Viel Bass ist nicht besser<br />
Klar freuten wir uns über den<br />
tatsächlich mächtigen Bass.<br />
Doch insbesondere denen, die<br />
Band-Erfahrung in den Händler-Hörraum<br />
mitbrachten, fiel<br />
dann doch auf, dass die Bassdrum<br />
und die tiefen Saiten eines<br />
Fender Precision da nicht so<br />
richtig mitkamen mit dem Rest<br />
der Instrumente. Die Vulkan<br />
erhitzte ein wenig die Gemüter<br />
und konnte mindestens einen<br />
glühenden Verehrer für sich gewinnen,<br />
bei uns anderen löste<br />
sie indes nicht wirklich Begeisterung<br />
aus.<br />
Das ist lange her. Die vielen<br />
<strong>Jahre</strong> seitdem bescherten uns<br />
die CD, die ernstzunehmenden<br />
Varianten des Mehrkanal-<br />
Sounds, etliche Rohrkrepierer<br />
der HiFi-Technik, den schon<br />
wieder abgeflauten Sturmlauf<br />
von MP3 und die digitale<br />
48<br />
5/13 <strong>stereoplay</strong>.de