stereoplay 35 Jahre (Vorschau)
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Paul Wilbur Klipsch: der Pionier<br />
Rasanter Aufstieg: Von der Baracke zur stolzen<br />
Manufaktur brauchte es nur wenige <strong>Jahre</strong>. Das<br />
Eckhornprinzip überzeugte (Werbung rechts),<br />
und von echtem Tiefbass konnten andere<br />
in den 1940er-<strong>Jahre</strong>n nur träumen.<br />
Nicht nur das<br />
Horn, das<br />
seinen Namen<br />
trägt, ist in die<br />
HiFi-Geschichte<br />
eingegangen,<br />
auch der<br />
Erfinder<br />
Klipsch selbst gilt als<br />
Legende, als frühester<br />
Prototyp eines rast- und<br />
kompromisslosen HiFi-<br />
Ingenieurs – lange bevor<br />
der Begriff „High Fidelity“<br />
erfunden wurde.<br />
Der 1904 geborene Paul<br />
Wilbur konstruierte schon<br />
zu Highschool-Zeiten<br />
eigene Lautsprecher und<br />
spielte Cornett. 1926<br />
erwarb er seinen Bachelor<br />
in Elektrotechnik und<br />
konstruierte fortan Mittelwellen-Radios<br />
für General<br />
Electric. Nach Stationen in<br />
der Öl- und Eisenbahnindustrie<br />
fand er erst während<br />
des Zweiten Weltkriegs<br />
als Offizier im (offenkundig<br />
langweiligen)<br />
Militärdienst die Zeit, an<br />
seinen Boxen zu feilen.<br />
Seinen Kameraden stellte<br />
er in der Kaserne das erste<br />
Eckhorn vor.<br />
Die Legende vom bassstarken<br />
und effizienten<br />
Lautsprecher, der die<br />
Raumecken als Verlängerung<br />
nutzt, verbreitete sich<br />
über die USA wie ein Lauffeuer.<br />
Klipsch gründete<br />
seine eigene Firma und<br />
baute die ersten Boxen in<br />
der Wellblechhütte einer<br />
Wäscherei: eigenhändig!<br />
Erst drei<br />
<strong>Jahre</strong> später stellte<br />
er die ersten Mitarbeiter<br />
ein, und die<br />
Firma Klipsch & Associates<br />
wuchs mit dem Bedarf<br />
nach lauten Speakern<br />
hohen Wirkungsgrads.<br />
Klipsch selbst galt bei<br />
Angestellten und Musik-<br />
Enthusiasten als geradlinig<br />
und perfektionistisch, aber<br />
auch als streitbar. Seine<br />
Angewohnheit, zwei oder<br />
drei Armbanduhren gleichzeitig<br />
zu tragen („zur<br />
Sicherheit!“) ist seinen<br />
Weggefährten ebenso eine<br />
Anekdote wert wie sein<br />
gelber „Bullshit“-Button,<br />
mit dem er Werbeaussagen<br />
seiner Mitbewerber ver-<br />
nichtend zu kommentieren<br />
wusste. So kam es auch,<br />
dass Grundkonstruktion<br />
und Größe des Klipschorns<br />
nie verändert wurden, allenfalls<br />
beim Material und bei<br />
der Abstimmung ließ Paul<br />
W. mit sich reden.<br />
Die Idee, eine kompakte<br />
Version ohne Basshorn zu<br />
entwickeln, bezeichnete er<br />
spaßeshalber als Lästerung<br />
der heiligen Gesetze der<br />
Akustik. Nach getaner Entwicklung<br />
nannte er sie Heresy<br />
(auf Deutsch: Ketzerei)<br />
und freute sich darüber,<br />
dass vor allem Kirchen und<br />
konservative Politiker sie<br />
als kompakte Beschallungs<br />
systeme nutzten.<br />
Als <strong>stereoplay</strong> 1981 eine<br />
überarbeitete Version<br />
testete, galt das Horn<br />
bereits als Oldie und ist<br />
heute die am längsten<br />
kontinuierlich produzierte<br />
HiFi-Komponente der Welt.<br />
Ähnlich zäh wie sein Erfinder,<br />
der das fast biblische<br />
Alter von 98 erreichte und<br />
1997 noch zu Lebzeiten in<br />
die nur 55 Namen zählende<br />
amerikanische Hall of Fame<br />
der besten Wissenschaftler<br />
und Ingenieure aufgenommen<br />
wurde – neben<br />
Thomas Edison und Nikola<br />
Tesla. Malte Ruhnke ■<br />
Die 40er<br />
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