26.02.2014 Aufrufe

stereoplay 35 Jahre (Vorschau)

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Musik Klassik<br />

VOKAL<br />

„Alleluia“: Motetten von Vivaldi, Händel, Porpora und Mozart Lezhneva, Il Giardino Armonico, Antonini (2013)<br />

LAUTE<br />

Im 18. Jahrhundert war die Laute das<br />

wichtigste Zupfinstrument im<br />

deutschsprachigen Raum, und von<br />

berühmten Lautenisten erwartete<br />

man geradezu, dass sie fremde Kompositionen<br />

für ihr Instrument einzurichten<br />

verstanden. Davon ausgehend,<br />

hat sich der spanische Lauten-Virtuose<br />

Miguel Rincón Violinwerke Johann<br />

Sebastian Bachs vorgenommen<br />

und für sein Instrument transkribiert:<br />

Mit der viersätzigen Sonate in g-Moll,<br />

BWV 1001, und der fünfsätzigen Partita<br />

in d-Moll, BWV 1004, dehnte<br />

Musik: ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■<br />

Klang: ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Bach auf geradezu geniale Weise die<br />

Carpe diem 16295 (52:19)<br />

Was für eine Stimme! Die 1989 im<br />

fernsten Osten Sibiriens geborene Julia<br />

Lezhneva, ausgebildet in Moskau<br />

und Cardiff, ist eine Sopranistin, wie<br />

ich sie lange nicht mehr gehört habe:<br />

kraftvoll in der tiefen, fast wie ein<br />

Mezzosopran gefärbten Lage, funkelnd<br />

wie ein Diamant und perfekt<br />

fokussiert in der Höhe, von einer<br />

schier unglaublichen Leichtigkeit und<br />

Agilità in den Koloraturen und Passagen,<br />

dabei absolut makellos in der<br />

Intonation – es kann einem geradezu<br />

Musik: ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ schwindelig werden beim Zuhören!<br />

Klang: ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ Trotz des geringen Vibrato ist ihr So-<br />

Decca 478 5242 (60:46)<br />

pran keine typische Alte-Musik-Stimme,<br />

und auf ihrem ersten Solo-Album<br />

(2011 unter Marc Minkowski, bei<br />

Naïve) war sie denn auch mit Rossini-Arien<br />

zu erleben.<br />

Inzwischen ist Julia Leszhneva exklusiv<br />

bei Decca, wo nun ihre erste CD<br />

mit drei Barock-Motetten und Mozarts<br />

„Exsultate, jubilate“ erschienen<br />

ist: ein affekt-geladenes Repertoire,<br />

das von rasender Wut zur Abgeklärtheit<br />

der strahlend hellen Sterne des<br />

Himmels reicht, vom „In furore“ Antonio<br />

Vivaldis zu den „Stelle clare in<br />

caelo“ Nicola Porporas. Giovanni Antonini<br />

und Il Giardino Armonico begleiten<br />

(wie immer) ein wenig „ruppig“,<br />

aber das unterstreicht vielleicht<br />

noch das Raffinement der jungen<br />

Russin, die alle Facetten ihrer wunderbaren<br />

Stimmen leuchten und schillern<br />

lässt. Bleibt nur zu hoffen, dass<br />

ihr neues Label ihr die Zeit lässt, sich<br />

zu entwickeln und zu reifen. Das Potenzial,<br />

eine der ganz Großen ihres<br />

Fachs zu werden, hat Julia Lezhneva<br />

je denfalls.<br />

Michael Stegemann<br />

Johann Sebastian Bach: Sonata BWV 1001, Partita BWV 1004 Miguel Rincón (2012)<br />

klanglichen Möglichkeiten der Violine<br />

aus, die vorrangig zum Spiel einstimmiger<br />

Melodielinien befähigt ist.<br />

Wie in der Lautenfassung der Fuge<br />

aus Sonate BWV 1001, die höchstwahrscheinlich<br />

von Bach selbst<br />

stammt (BWV 1000), nutzt Rincón<br />

die Möglichkeiten seines Instruments<br />

zur polyphonen Erweiterung der<br />

Kompositionen.<br />

Beim Einsatz zusätzlicher Bassnoten,<br />

Stimmführungen und Akkorde zeigt<br />

Rincón sich so selbstbewusst und feinfühlig,<br />

dass seine Eingriffe sowohl stilistisch<br />

als auch künstlerisch überzeugen.<br />

Mit meisterlicher Spieltechnik,<br />

leuchtenden Nuancen und edler<br />

Klangkultur dringt er in die Tiefenschichten<br />

der Musik vor.<br />

Miguel Rincóns sinnliche Auseinandersetzung<br />

mit Johann Sebastian Bach<br />

erlaubt einen so ungewöhnlichen wie<br />

bereichernden Blick auf zwei der bedeutendsten<br />

Werke des Violin-Repertoires<br />

und zieht den Zuhörer in ihren<br />

Bann. Ein beeindruckendes Lauten-<br />

Album.<br />

Miquel Cabruja<br />

Voigts Kolumne<br />

Scheinbar schwerelos:<br />

Daniel Behles Bach-Recital,<br />

seine erste CD für Sony<br />

„Ein exquisites Debüt-Album“, schrieb<br />

Jürgen Kesting 2009 über die erste Liedplatte<br />

von Daniel Behle (Phoenix Edition).<br />

Seither hat der Tenor, Sohn und<br />

Schüler der Sopranistin Renate Behle,<br />

Karriere gemacht: als Opern-, Lied- und<br />

Konzertsänger sowie im Platten-Business.<br />

Ob als Tamino in der „Zauberflöte“<br />

unter Jacobs (harmonia mundi) oder<br />

als Interpret der „Dichterliebe“ und der<br />

„Schönen Müllerin“ (Capriccio) – Behle<br />

gehört zu den wenigen Sängern von heute,<br />

die den Vergleich mit großen Vorgängern<br />

nicht scheuen müssen. Dass er nicht<br />

nur das lyrische Tenorfach, sondern auch<br />

den verzierten Stil beherrscht, weiß man<br />

spätestens seit seinem Ramiro in Rossinis<br />

„Cenerentola“ in Stockholm. Doch<br />

gegen das, was Bach seinen Sängern an<br />

Schwierigkeiten zugemutet hat, wirken<br />

Mozart- und Rossini-Koloraturen fast<br />

wie ein Kinderspiel. Selbst Sänger mit<br />

versierter Technik hatten mit Bach-Kantaten<br />

ihre liebe Not, man denke nur an<br />

diverse Aufnahmen prominenter Sopranistinnen<br />

von „Jauchzet Gott in allen<br />

Landen“.<br />

Daniel Behle aber hält sich auf diesem<br />

allzu glatten Parkett souverän. Nicht zuletzt<br />

dank seiner Ausbildung als Posaunist<br />

verfügt er über die meisterhafte Atemtechnik,<br />

die für Vocal Stunts wie „So<br />

schnell ein rauschend Wasser fließet“<br />

(Kantate BMV 26) erforderlich sind.<br />

Dieses wahnwitzig rasante Stück ist für<br />

meine Begriffe das absolute Highlight<br />

der CD, trotz ernstem Inhalt beschwingend<br />

– zumindest wenn es so gut klingt<br />

wie hier. Auch im ebenso anspruchsvollen<br />

„Bleibt Ihr, Engel, bleibt bei mir“ (aus<br />

BWV 19) kann Behle all den virtuosen<br />

Counter-Tenören, die seit <strong>Jahre</strong>n im Barock-Repertoire<br />

„abräumen“, etwas Eigenständiges<br />

entgegensetzen.<br />

Das „Verhältnis von Engel und Mensch<br />

als ein vertontes Spiel von Flöte und Gesang“<br />

– so beschreibt der Musikwissenschaftler<br />

Niko Dörr im Booklet-Text das<br />

Konzept des Albums, das Behle mit der<br />

Flötistin Anne-Cathérine Heinzmann<br />

entwickelt hat. Die Flötistin, die mit der<br />

Sonate BMV 1013 auch als Solistin zu<br />

hören ist, erweist sich als ideale Dialogpartnerin.<br />

Es ist lange her, dass ich an einem Bach-<br />

Recital so viel Freude hatte wie mit dieser<br />

CD. Unbedingt empfehlenswert! (Sony<br />

CD 88765477802).<br />

158 5/13 <strong>stereoplay</strong>.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!