30.10.2012 Aufrufe

Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein

Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein

Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />

ne Mitwirkung von Eltern und Einwohnern gebeten wurde<br />

(z.B. beim Bau eines Gewächshauses), wurde durch<br />

Festlichkeiten auf gleiche Weise eine Vertiefung der<br />

grundlegenden Beziehung zwischen der Schule sowie<br />

Eltern und Einwohnern angestrebt. 77 Die Feste wurden<br />

dabei aus politischen und ideologischen Zusammenhängen<br />

herausgelöst und somit zu �[...] Formen des gestaltenden<br />

Lebens [...]� (III, S. 86), die als solche intensiv<br />

von einem menschenbildenden Blickwinkel aus verstanden<br />

werden. Das heißt: Feste sind für das Kind �[...] ein<br />

wirklicher Höhepunkt seines Daseins [...]�, bei denen es<br />

durch geistige Sublimation im Rahmen der gemeinsamen<br />

Tätigkeiten und einem vom Arbeitsablauf bestimmten<br />

Atmosphäre dazu kommt, dass das Kind �[...] über<br />

den üblichen Stand seines Lebens [...]� erhoben wird<br />

und die Feste somit eine �erzieherische Kraft� beinhalten<br />

(III, S. 85). Demgegenüber sind die nazistischen Feste,<br />

wie im Praxisbericht metaphorisch ausgeführt, ein �[...]<br />

Abgleiten ins Harmlose, ins kitschig Rührende [...]� sowie<br />

ein �[...] Abgleiten in ein bißchen weihnachtlich aufgewärmtes<br />

'soziales Theater'� , bei denen sich �[...] die<br />

Feier entwürdigt [...]� und daher �[...] niemals Sache von<br />

Erziehern sein sollte� (S. 90).<br />

In der Problematik der �Bodenständigkeit� der Landerziehung<br />

tritt wie oben beschrieben <strong>Reichwein</strong>s antinazistischer<br />

Standpunkt latent zu Tage. Im folgenden Teil<br />

wird seine Lehrtätigkeit mit der tatsächlichen NS-<br />

Erziehungsreform in Kontrast gesetzt.<br />

2.3. Entsprechend den Richtlinien der NS-Bauernpolitik<br />

sollte das Konzept der �Heimat� in die Schulerziehung<br />

eingebettet werden, wovon erwartet wurde, dass �[...] die<br />

Heimat der Ausgangs- und Kernpunkt der deutschen Erziehung<br />

wird, von dem aus das gesamtdeutsche Volkstum<br />

und Heimatland begrifflich und gefühlsmäßig erschlossen<br />

und zur völkischen Gesinnung ausgewertet<br />

wird�, wie es im �Erlass des preußischen Kultusministers<br />

vom 10. Februar 1934� aufgezeigt wurde (IX, S. 7). Die<br />

verschiedenen Pläne zur Erziehungsreform wurden ausgehend<br />

von Anerkennung dieser �Heimat� nach dem<br />

Prinzip vorgegeben, wonach die �Volksgenossen� ein<br />

�völkisches Bewusstsein� entwickeln, was somit eine<br />

gemeinsame Aufgabe bei der Konkretisierung der Erziehungspläne<br />

darstellte. Unter den Reformvorschlägen<br />

waren diejenigen für die Landschulen am besten durchdacht,<br />

was ich im Folgenden am Beispiel des vom Oberregierungs-<br />

und -schulrat P. Ingwersen vorgeschlagenen<br />

�Bildungsplans auf ländlicher Grundlage und im Gesamtunterricht<br />

für die Oberstufe der Landschule� untersuchen<br />

möchte.<br />

77 In Tiefensee zielte <strong>Reichwein</strong> darauf, "[...] keine Sonderung<br />

mehr in Schule und Familie, sondern nur eine Gemeinschaft<br />

beider um das Kind" zu konstituieren ( III, S. 173). Dies stellt<br />

seine ablehnende Haltung gegenüber der 1934 neueingeführten<br />

"Schulgemeinde" als Zustimmungsorganisation für NS-<br />

Erziehung dar. Vgl. O. Ottweiler: a. a. O., S. 73-80.<br />

17<br />

Ingwersen zufolge hat die Landschule folgende drei<br />

Kernziele:<br />

(a) die Unterstützung der überlieferten Werte des<br />

Bauerntums als �Urwerte� (Naturnähe und -<br />

verbundenheit, bodenständige Arbeitsgemeinschaft,<br />

Sitte und Brauch, Nachbarschaft, Dorf als Lebensraum,<br />

Gefühl der Stammeszugehörigkeit und dergleichen)<br />

und Pflege der Grundlagen der bäuerlichen Kultur.<br />

(b) die Vorbildung zu einem berufstüchtigen Bauernstand,<br />

der das deutsche Volk ernähern kann.<br />

(c) die �Ichbezogenheit des bäuerlichen Denkens� zu<br />

korrigieren, damit dieser �[...] in die Gemeinschaft<br />

'Deutsches Volk' [...]� eingegliedert werden kann. (IX,<br />

S. 16-17.)<br />

Unter diesen wird insbesondere Ziel (c) schwerpunktmäßig<br />

betrachtet, welches die Bauernethik betrifft und<br />

den psychologischen Tendenzen der Dorfjugend entspricht.<br />

Aus diesem Grunde hat Ingwersen in Bezug auf<br />

den �Gesamtunterricht� vorgeschlagen, neben den Vermittlerkonzepten<br />

von �Heimat� und �Volk� zusätzlich<br />

auch die Vorstellungen von �Landschaft� und �Stamm� in<br />

den Lehrplan aufzunehmen. <strong>Der</strong> angeführte �Gesamtunterricht�<br />

erfasst die verschiedensten Phänomene eindeutig<br />

als ein Ganzes und fördere die Ausbildung einer<br />

�seelischen Einstellung�, die den Einzelnen zum Handeln<br />

für das Ganze motiviere (S. 8). Hinzufügend kann<br />

gesagt werden, dass der �Gesamtunterricht� unter allen<br />

Erziehungsreformplänen besonders gelobt wurde, was<br />

seinen Grund darin hatte, dass die �Ganzheit� eine nazistische<br />

Interpretation erfuhr, die in der Redensweise<br />

�Du bist nichts, Dein Volk ist alles!� seinen Ausdruck findet<br />

(ebd.). 78 Darüber hinaus sagt er, �Landschaft� sei<br />

eine �Lebensgemeinschaft des Volksstammes�, ein<br />

�Siedlungsraum des Stammes� und bilde insgesamt das<br />

�Vaterland�. Die überlieferten Werte des Bauernstandes<br />

��Urwerte der Heimat�) würden sich in der �Landschaft�<br />

mit dem �Stammesvolkstum� verbinden und formten auf<br />

diese Weise das �gesamtdeutschen Volkstum�. Die Erziehung<br />

führe von der hier angesprochenen �Heimat�<br />

über die �Landschaft� und den �Stamm� hin bis zum �Vaterland�<br />

und zum �Volk�, wobei der Heimatkundeunterricht<br />

in der Grundschule nicht ausreichend und daher in<br />

der Oberstufe beginnend eine �Einbettung in Gefühl und<br />

Willen� möglich sei (S. 22). Aus diesem Kontext lässt<br />

sich ablesen, dass die Vorschläge zum Gesamtunterricht<br />

Fächer wie Erdkunde, Geschichte, Deutschkunde<br />

und Naturkunde umfassen (S. 23-77; nach Ordnung des<br />

Inhalts):<br />

Sechstes Schuljahr:� �Die Heimatlandschaft�: (Beispiel)<br />

Schleswig-Holstein<br />

78 Auch im Reformplan Kaisers wurde dieser Grundsatz betont.<br />

Kaiser sprach Sprangers Wort der "Schule des Totalitätssinnes"<br />

an und forderte folgendermaßen: die <strong>Lehrer</strong> sollten "[...]die Gegenstände<br />

nicht in ihrer stofflichen <strong>Verein</strong>zelung, sondern als<br />

Glieder eines Ganzen [...]erfassen" (X, S. 5).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!