Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />
Die alten Kunstschulen vermochten diese Einheit nicht<br />
zu erzeugen, wie sollten sie auch, da Kunst nicht lehrbar<br />
ist. Sie müssen wieder in der Werkstatt aufgehen. Diese<br />
nur zeichnende und malende Welt der Musterzeichner<br />
und Kunstgewerbler muß endlich wieder eine bauende<br />
werden. Wenn der junge Mensch, der Liebe zur bildnerischen<br />
Tätigkeit in sich verspürt, wieder wie einst seine<br />
Bahn damit beginnt, ein Handwerk zu erlernen, so bleibt<br />
der unproduktive "Künstler" künftig nicht mehr zu unvollkommener<br />
Kunstübung verdammt, denn seine Fertigkeit<br />
bleibt nun dem Handwerk erhalten, wo er Vortreffliches<br />
zu leisten vermag. Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle<br />
müssen zum Handwerk zurück! [...]<strong>Der</strong> Künstler ist eine<br />
Steigerung des Handwerkers. [...] �<br />
Und wenn wir den Begriff �Bau� <strong>schon</strong> wörtlich im Sinne<br />
eines Gebäudes sehen wollen, dann war das, was man<br />
da eher allegorisch meinte, die gotische Kathedrale mit<br />
ihren Bauhütten und dem Gemeinschaftswerk, das in<br />
Zusammenarbeit von Baumeistern, Bildhauern, Malern<br />
und Handwerkern entstanden war � die Einheit symbolisierend<br />
der Bildenden Kunst und der Künstler, die dem<br />
gemeinsamen Werk dienen, als Modell für die Einheit<br />
des Lebens, weitergeführt zur ganzheitlichen Sicht des<br />
Lebens, vom Dorf über den Staat bis zum Kosmos. Alles<br />
gehörte zusammen, hing zusammen, bedingte sich und<br />
war voneinander abhängig. Wenn Jedes seine Aufgabe<br />
hat und nützliches Teil des Ganzen ist, dann gelingt das<br />
Werk. Das war zu entdecken, herauszuarbeiten, zu vermitteln.<br />
Erkläre das ganz Große am Zusammenhang im<br />
ganz Kleinen � <strong>Reichwein</strong>s Konzept. Die Bauhauspädagogik<br />
hat ja auch Gemeinsamkeiten mit bestimmten<br />
Strömungen der Reformpädagogik. Josef Itten z.B., der<br />
das Interesse des Individuums in den Mittelpunkt des<br />
Lerninteresses stellt, hatte seine Wurzeln in der englischen<br />
'Arts and Crafts��� Bewegung, die einen Zusammenhang<br />
zwischen der ästhetischen Erziehung und den<br />
sozialen Verhältnissen einer Gesellschaft sah. Danach<br />
verstand der englische Dichter, Kunsthandwerker, Maler<br />
und Sozialpädagoge William Morris den Verfall des<br />
Kunstgewerbes analog zum Verfall der Gesellschaft.<br />
Auch hier die Utopie (sie ist es geblieben), dass sich<br />
durch die Erneuerung des Kunstgewerbes auch die gesellschaftlichen<br />
Verhältnisse der Menschen ändern würden.<br />
Seine Ideen bilden aber zweifellos den Ausgangspunkt<br />
für jene Reformpädagogik, die durch John Dewey<br />
mit seinem "Learning by Doing�, eine wesentliche<br />
Grundlage der modernen Pädagogik geworden ist. Dewey<br />
war es ja auch, nebenbei bemerkt, der, als Anhänger<br />
des amerikanischen Naturalismus, gemeinsam mit<br />
seinem Landsmann Monroe die These vertrat, dass<br />
Kunst die Aufgabe habe, im Erleben harmonischer Totalität<br />
die Qualität des Lebens zu verbessern. Womit wir<br />
erneut beim Thema wären.<br />
So sind die Grundprinzipien der Bauhauspädagogik in<br />
42<br />
einem �bildungsgeschichtlich komplexen Zusammenhang<br />
[zu] sehen, der mit Namen wie Herder, Humboldt,<br />
Goethe und Schiller belegbar ist�. 106 Da sind wir wieder<br />
einmal bei Heinz Schernikaus �Goetheschem� in <strong>Reichwein</strong>,<br />
oder mitten in Friedrich Junges Dorfteich als Lebensraum.<br />
Was sehen wir da alles bei Burger, Dexel, Bauhaus und<br />
<strong>Reichwein</strong>?<br />
Ist da der humanistische Bildungsgedanke vom �ganzen<br />
Menschen� ? Ist das auch der altgriechische Kosmosbegriff,<br />
welcher Natur als "harmonisch gegliederte Ordnung",<br />
als "einheitliches Ganzes im Gegensatz zum bloßen<br />
Nebeneinander von Teilen" sieht ? Ursprung jeder<br />
schönen Erscheinung ist <strong>schon</strong> für Platon die Ordnung<br />
(Kosmos) und das Maß, das Ins-Maß-Bringen (Philebos<br />
26b): Die Sinnliche Wirklichkeit ist als solche erst kraft<br />
ihrer Teilhabe am ordnenden Prinzip, am Schönen. Das<br />
nimmt dann ja auch Hegel auf, wenn er das Schöne in<br />
der Kunst als �sinnliches Scheinen der Idee� bezeichnet.<br />
Oder Schiller: �Nur durch das Morgentor des Schönen /<br />
drangst du in der Erkenntnis Land�<br />
Natürlich scheinen hier auch die Ästhetik-Ansätze Herders<br />
und Goethes sichtbar. Herder definiert ja bereits die<br />
Kunst als Abbild des menschlichen Lebens und Goethe<br />
sagt gar �Bild des Lebens� oder �Vorempfinden der<br />
Welt�, was uns nun ganz eng an den Ästhetik-Begriff<br />
Dexels und Zeitgenossen heranzuführen scheint.<br />
Viel humanistische Tradition steht also mit Sicherheit<br />
hinter den Konzeptionen Burgers, Dexels und <strong>Reichwein</strong>s.<br />
Die Idee des Bauhauses, künstlerische Prinzipien zu<br />
verbinden mit pädagogischen und damit auf den Menschen<br />
einzuwirken, hat ihre Wurzeln im Grunde ebenfalls<br />
in der Idee der Verbindung von Ästhetik und Pädagogik<br />
und damit eigentlich <strong>schon</strong> in der Nähe zu Herbart.<br />
Aber müssen wir nicht doch auch berücksichtigen, dass<br />
die Ansätze um die Jahrhundertwende durch einen sehr<br />
starken Zeitbezug geprägt waren und das �Sozial� oder<br />
gar �Sozialistisch� (Burger) in diesem Zusammenhang<br />
ein Stückchen differenzierter zu sehen wäre, als sie nur<br />
als Ergebnis dieser Traditionen zu werten ?<br />
<strong>Der</strong> Unterschied liegt bei den Letzteren auch darin, dass<br />
sie dem Kunstwerk bereits einen ganz bestimmten gesellschaftlich-politischen<br />
Inhalt, einen sozial bildenden<br />
Sinn, zuordnen, einen Sinn mit Zeitbezug.<br />
<strong>Der</strong> Aspekt der �Form� in <strong>Reichwein</strong>s Schularbeit<br />
Naturgemäß spielt die �Form� bei <strong>Reichwein</strong> vor allem in<br />
den musischen und ästhetischen Schulthemen eine Rol-<br />
106 Wick, Rainer: Bauhaus-Pädagogik. Köln: 1994, S. 80