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Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />

funk oder im Bereich der Auslandsabteilung, deren Leiter<br />

Franz Hilker es vor allem zu verdanken war, dass<br />

Ansätze und Erfahrungen ausländischer Schulreformkonzeptionen<br />

in Deutschland bekannt und für die Schulentwicklung<br />

im Deutschen Reich fruchtbar gemacht<br />

werden konnten.<br />

Neben der Gesamtleitung des ZI leitete Ludwig Pallat<br />

zudem die ZI-eigene Kunstabteilung und hatte zumindest<br />

zeitweilig die Federführung für deren Unterabteilungen<br />

für Zeichen- und Werkunterricht, Kunstbetrachtung<br />

und Körpererziehung. In dieser Funktion war er u.a.<br />

auch verantwortlich für die großen, nachwirkenden Tagungen<br />

�Künstlerische Körperschulung� 1922 34 , �Jugend<br />

und Bühne� 1924 35 und auch für die Tagung �Museum<br />

und Schule� im Jahre 1929 36 , auf die sich sein späterer<br />

Schwiegersohn <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> bei seiner museumspädagogischen<br />

Arbeit im Volkskundemuseum in Berlin seit<br />

1939 wiederholt beruft.<br />

Das Berliner ZI wurde unter der Leitung von Ludwig Pallat<br />

zur wohl wichtigsten Vermittlungsinstanz zwischen<br />

staatlicher Bildungspolitik und Schulverwaltung einerseits,<br />

Erziehungstheorie und pädagogischer Praxis andererseits<br />

in der Zeit der Weimarer Republik � und damit<br />

von außerordentlicher Relevanz für die Umsetzung reformpädagogischer<br />

Konzepte in die schulische und außerschulische<br />

Erziehungs- und Unterrichtspraxis der<br />

verschiedenen Bildungsinstitutionen in den 1920er und<br />

frühen 1930er Jahren.<br />

Gleichwohl: Kritik an der Rolle des ZI in der Weimarer<br />

Republik wird zu Recht bereits von seinem Chronisten<br />

Böhme formuliert, der die Position des ZI gegenüber der<br />

Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Zeit als überwiegend<br />

unkritisch charakterisiert, ohne Distanz auch gegenüber<br />

der Reformpädagogik, fern der systematischen<br />

und gesellschaftskritischen Analyse. 37 Auch Tenorth<br />

(1996) erkennt in dem Anspruch des ZI, die Wirklichkeit<br />

unverfälscht und theorielos zu dokumentieren, eines der<br />

wesentlichen Defizite in der Arbeit des ZI. "Seine Leistung<br />

liegt auf einem anderen Feld, und der Wissenstypus,<br />

den es pflegt und favorisiert, ist nicht dominant der<br />

Forschung oder der Wissenschaft im strengen Sinne,<br />

34 Pallat, Ludwig/Franz Hilker (Hrsg.): Künstlerische Körper-<br />

schulung. 1. Aufl. Breslau 1923.<br />

35 Pallat, Ludwig/Hans Lebede (Hrsg. im Auftr. d. Zentralinstituts<br />

f. Erziehung u. Unterricht): Jugend und Bühne. Breslau<br />

1924.<br />

36 Pallat, Ludwig: Einleitung. In: Museum und Schule. Herausgegeben<br />

vom Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht. Berlin<br />

1930, S. 5-13.<br />

37 Vgl.: Böhme, Günther: Das Zentralinstitut für Erziehung und<br />

Unterricht und seine Leiter. Zur Pädagogik zwischen Kaiserreich<br />

und Nationalsozialismus. Neuburgweier/Karlsruhe 1971,<br />

S. 50f.<br />

8<br />

sondern primär die reformbegleitende Reflexion." 38 Tenorth<br />

spricht von der spezifischen Form der "Berichterstattung",<br />

durch die die Arbeit des ZI wesentlich repräsentiert<br />

wird: "'Berichterstattung', das scheint eine gegenüber<br />

Ideologie und Politik, auch gegenüber den Interessen<br />

der reform-orientierten Pädagogen neutrale,<br />

quasi unberührte Form der Produktion pädagogischen<br />

Wissens - die Realisierung des alten Traumes (und des<br />

Selbstmissverständnisses) der empirischen Pädagogik:<br />

Praxisbeobachtung ohne Ideologie und Theorie, 'rein'<br />

der Wirklichkeit und der pädagogischen Aufgabe verpflichtet."<br />

39<br />

In der von Tenorth analysierten spezifischen Arbeitstypik<br />

des ZI könnte einer der Hauptgründe dafür liegen, dass<br />

die Geschichte des ZI auch über 1933 hinaus andauerte.<br />

Zwar ist die Zäsur deutlich markiert, sie dokumentiert<br />

sich primär in den Inhalten und ideologischen Erklärungen,<br />

auch in personeller Hinsicht: Fast alle Abteilungsleiter<br />

des ZI, unter ihnen Franz Hilker und Stephan Konetzky,<br />

werden entlassen, Pallat lässt sich beurlauben,<br />

die kommissarische Leitung des ZI übernimmt 1933/34<br />

vorübergehend der NS-Ministerialrat Ernst Bargheer, so<br />

dass von bruchloser Kontinuität keine Rede sein kann.<br />

Pallat bleibt schließlich bis 31. Juli 1938 als Leiter im<br />

Amt, die Struktur und Funktionsweise der Arbeit des ZI<br />

scheinen nach 1933 und auch durch den letzten Institutsleiter,<br />

Ministerialrat Rudolf Benze, nach jetzigem<br />

Kenntnisstand keine radikale Änderung erfahren zu haben.<br />

Die Geschichte des ZI endet mit seiner Zerstörung<br />

in den letzten Kriegsmonaten des Jahres 1945.<br />

3. Ludwig Pallat privat: Ehemann von Annemarie<br />

Pallat-Hartleben und Schwiegervater <strong>Reichwein</strong>s<br />

Kennen gelernt hatten sie sich kurz vor der Jahrhundertwende:<br />

Bei einem seiner Besuche bei seinem<br />

Freund, dem Archäologieprofessor Ferdinand Noack in<br />

Jena, war Ludwig Pallat auf die acht Jahre jüngere Annemarie<br />

Hartleben getroffen, deren ältere Schwester mit<br />

Noack verheiratet war. Sie fanden wohl schnell Gefallen<br />

aneinander, denn sie verlobten sich bald darauf im Mai<br />

1900.<br />

Annemarie Pallat, so erinnert sich später die älteste<br />

Tochter Rosemarie <strong>Reichwein</strong> an ihre Mutter, �war eine<br />

Gartenliebhaberin und hatte künstlerische Veranlagungen.<br />

Als mein Vater sie kennenlernte, machte sie gerade<br />

eine Ausbildung als Malerin, während ihre beiden älteren<br />

Schwestern in Gesang bzw. als Pianistin ausgebildet<br />

wurden. Meine Mutter war das jüngste von sechs Ge-<br />

38 Tenorth, Heinz-Elmar: Das Zentralinstitut für Erziehung und<br />

Unterricht - Außeruniversitäre Erziehungswissenschaft zwischen<br />

Politik, Pädagogik und Forschung. In: Geißler,<br />

Gert/Ulrich Wiegmann (Hrsg.): Außeruniversitäre Erziehungswissenschaft<br />

in Deutschland. Versuch einer historischen Bestandsaufnahme.<br />

Berlin 1996, S. 106.<br />

39 Ebd., S. 104.

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