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Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />

pädagogischen Kollektivgedächtnis gelöscht, und mit<br />

ihm ist auch sein Lebenswerk, das Zentralinstitut für<br />

Erziehung und Unterricht (ZI) in Berlin, aus dem Blickfeld<br />

der historischen Forschung verschwunden. 2 Waren es in<br />

den ersten Jahren nach seinem Tod im Jahre 1946 zunächst<br />

Nachrufe von ehemaligen Mitarbeitern am ZI<br />

(Heinrich Deiters, Stephan Konetzky) oder Erinnerungslyrik<br />

aus der Feder von Freunden und Kollegen aus der<br />

geisteswissenschaftlichen Pädagogik Göttinger Prägung<br />

(Herman Nohl, Erich Weniger), die ein oft aus persönlichen<br />

Erlebnissen gefärbtes Charakterbild ihres Weggefährten<br />

zeichneten, so mutierte der ehemalige ZI-Leiter<br />

in der pädagogischen Fachöffentlichkeit mehr und mehr<br />

zur Marginalie; die Nennung Pallats kam über den Rang<br />

von Nebeneinträgen zumeist nicht mehr hinaus: Taucht<br />

sein Name überhaupt einmal auf, dann entweder im Zusammenhang<br />

mit der Herausgabe des fünfbändigen<br />

"Handbuchs für Pädagogik" (1928-1933; gemeinsam mit<br />

Herman Nohl) 3 oder in seiner Funktion als Schwiegervater<br />

des Reformpädagogen und Widerstandskämpfers<br />

<strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>. Selbst in der Lokalgeschichte Berliner<br />

Bildungsinstitutionen und einzelner prominenter Pädagogen<br />

werden das ZI und dessen Mitbegründer und<br />

langjähriger Leiter Ludwig Pallat in der Regel ausgespart.<br />

4<br />

Diese Tatsache der Nichtbeachtung erstaunt umso<br />

mehr, als Günther Böhme bereits 1971 mit seiner Monographie<br />

�Das Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht<br />

und seine Leiter �5 nicht nur eine kenntnisreiche Übersicht<br />

über die 30jährige Geschichte des ZI (1915-1945), quellenmäßig<br />

gestützt auf die in seinen Publikationsorganen<br />

kontinuierlich veröffentlichten Arbeitsberichte, sondern<br />

auch erste arbeitsbiographische Skizzen seiner beiden<br />

frühen Leiter Ludwig Pallat und Franz Hilker vorgelegt<br />

2 Beide Stichwörter fehlen in der neuesten, von Winfried Böhm<br />

bearbeiteten Auflage des vielgelesenen "Wörterbuchs der Pädagogik"<br />

(16. Aufl. Stuttgart 2005) ebenso wie in dem von Dietrich<br />

Benner und Jürgen Oelkers 2004 herausgegebenen �Historischen<br />

Wörterbuch für Pädagogik�. Selbst in dem historischbiographischen<br />

Lexikon �Neue Deutsche Biographie�, dessen<br />

22. Band (bis �Schinkel, Karl Friedrich�) 2005 erschienen ist,<br />

sucht man unter dem Buchstaben P vergeblich nach �Pallat,<br />

Ludwig�.<br />

3 Nohl, Herman/Ludwig Pallat (Hrsg.): Handbuch der Pädagogik.<br />

5 Bände und ein Registerband. Langensalza 1928-1933.<br />

4 Vgl. u.a.: Richter, Wilhelm: Berliner Schulgeschichte. Von den<br />

mittelalterlichen Anfängen bis zum Ende der Weimarer Republik.<br />

Berlin 1981; Schmoldt, Benno/Michael S. Schuppan<br />

(Hrsg.): Pädagogen in Berlin. Hohengehren 1991 sowie: Radde,<br />

Gerd: Schulreform in Berlin am Beispiel der Lebensgemeinschaftsschulen.<br />

In: Amlung, Ullrich/Dietmar Haubfleisch/Jörg-W.<br />

Link/Hanno Schmitt (Hrsg.): "Die alte Schule überwinden".<br />

Schul- und Unterrichtspraxis reformpädagogischer Versuchsschulen<br />

zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. Frankfurt/Main<br />

1993, S. 89-106.<br />

5 Böhme, Günther: Das Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht<br />

und seine Leiter. Zur Pädagogik zwischen Kaiserreich und<br />

Nationalsozialismus. Neuburgweier/Karlsruhe 1971.<br />

3<br />

hat. Über den in Böhmes institutionsgeschichtlicher Studie<br />

erreichten Forschungsstand ist die pädagogische<br />

Historiographie in den vergangenen 35 Jahren � trotz<br />

einiger Spezialstudien zu Einzelaspekten der Arbeit des<br />

ZI 6 - nicht wesentlich hinausgekommen. 7<br />

Bei meinem biographischen Annäherungsversuch an<br />

Ludwig Pallat greife ich zwar auf Böhmes Vorarbeiten<br />

zurück, stütze mich aber wesentlich stärker auf folgende<br />

seinerzeit noch nicht zugängliche und hier in diesem Zusammenhang<br />

erstmals ausgewertete Quellen:<br />

- Nachlass Dr. Ludwig Pallat im Geheimen Staatsarchiv<br />

in Berlin (Sign.: I HA Rep. 92 Pallat) 8 ;<br />

- Die unveröffentlichten Memoiren von Annemarie Pallat-<br />

Hartleben, die sie 1965 im Alter von 90 Jahren innerhalb<br />

weniger Monate geschrieben hat 9 ;<br />

- Die Erinnerungen von Rosemarie <strong>Reichwein</strong>, geb. Pallat.<br />

10<br />

1. Vom Sohn eines emigrierten Pianisten zum Oberregierungsrat<br />

in der preußischen Kultusministerialbürokratie:<br />

Die Musterkarriere des Ministerialbeamten<br />

und Unterrichtsreformers Ludwig Pallat<br />

Ludwig Pallat wurde am 3. Dezember 1867 in Ober-<br />

Ingelheim am Rhein geboren. Seine Eltern, der Pianist<br />

und Kapellmeister Karl Pallalat, gen. Pallat, und dessen<br />

Ehefrau Martha Elisabeth Margarete, wohnten zwar in<br />

Wiesbaden, aber die Mutter wollte gern ihr erstes Kind<br />

bei ihren Eltern in Ingelheim, wo diese als Weinbauern<br />

lebten, zur Welt bringen. Kurz nach der Geburt ihres 2.<br />

Sohnes im Mai 1870 starb Ludwigs Mutter noch im Wochenbett.<br />

In dieser schwierigen persönlichen Situation,<br />

6 Vor allem unter forschungsgeschichtlichen Gesichtspunkten<br />

vgl.: Tenorth, Heinz-Elmar: Das Zentralinstitut für Erziehung<br />

und Unterricht - Außeruniversitäre Erziehungswissenschaft zwischen<br />

Politik, Pädagogik und Forschung. In: Geißler,<br />

Gert/Ulrich Wiegmann (Hrsg.): Außeruniversitäre Erziehungswissenschaft<br />

in Deutschland. Versuch einer historischen Bestandsaufnahme.<br />

Berlin 1996, S. 89-109; unter dem Aspekt der<br />

Lagerschulung des ZI nach 1936 vgl. neuerdings: Andreas<br />

Kraas: <strong>Lehrer</strong>lager 1932-1945. Politische Funktion und pädagogische<br />

Gestaltung. Bad Heilbrunn/Obb. 2004.<br />

7 Zum Forschungsstand vgl. Amlung, Ullrich: Ludwig Pallat<br />

(1867-1946) - Leiter des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht<br />

in Berlin von 1915 bis 1938. In: Hansen-Schaberg, Inge<br />

(Hrsg.): "etwas erzählen" - die lebensgeschichtliche Dimension<br />

in der Pädagogik. Bruno Schonig zum 60. Geburtstag. Baltmannsweiler<br />

1997, S. 142-153.<br />

8 Die im Nachlass enthaltenen 139 Tage- und Notizbücher, in<br />

denen Ludwig Pallat jeden einzelnen Tag seines Lebens zwischen<br />

1886 und 1946 minutiös und mit geradezu an Pedanterie<br />

grenzender Genauigkeit festgehalten hat, konnten im Folgenden<br />

leider nicht ausgewertet werden.<br />

9 Typoskript 1965, 195 S. Ich danke Gabriele C. Pallat für die<br />

zeitweise Überlassung Ihres eigenen Exemplars.<br />

10 Publiziert unter dem Titel: �Die Jahre mit <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />

prägten mein Leben�. Ein Buch der Erinnerung. Herausgegeben<br />

und mit Beiträgen versehen von Lothar Kunz und Sabine<br />

<strong>Reichwein</strong>. München 1999.

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