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Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein

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und<br />

reichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />

nur für die Modellierung unserer engsten Heimat,<br />

sondern auch für das Gesicht des ganzen<br />

Europa. Wieder ein �Erdleben�-Problem: der<br />

Gletscher als eine lebendige, sich verändernde<br />

Erscheinung.� 20<br />

�<strong>Der</strong> Wind, die bewegte Luft, ist für das �Erdleben�<br />

von vielfältiger Bedeutung. Wir greifen<br />

zwei seiner Wirkungsformen heraus, die als<br />

große Formen das Auge auf sich ziehen und<br />

dank ihrer Vielgestaltigkeit eine reiche Anschauung<br />

vermitteln: Düne und Wolke. Wir suchen<br />

nach Bildgruppen, die uns durch ihr Nebeneinander<br />

den beständigen Wandel dieser<br />

Schöpfungsformen des Windes zeigen, und<br />

durch die Strukturbilder, die sie vermitteln, das<br />

Geschehen, den Vorgang deutlich, wie unsere<br />

Sprache richtig sagt: augenfällig machen.� 21<br />

Hier interessiert nicht der mediendidaktische Kontext,<br />

in dem diese Sätze stehen. Von Bedeutung sind im<br />

vorliegenden Zusammenhang vielmehr die Phänomene<br />

und deren Beschreibung, zum Beispiel in der vitalistischen<br />

Prägung �Schöpfungsformen des Windes� sowie<br />

der Begriff des �Erdlebens� selbst.<br />

Dieses Charakterwort ist in der <strong>Reichwein</strong>forschung<br />

bisher, wenn ich recht sehe, ohne Erwähnung oder gar<br />

Kommentierung geblieben. Die eigene Spurensuche<br />

führte von den Schulschriften zum �Kosmos� Alexander<br />

von Humboldts. Dort verweist es in unterschiedlichen<br />

Sinnzusammenhängen auf das Ganze der Lebenserscheinungen<br />

in der tellurischen Sphäre des Planeten,<br />

das Humboldt nicht nur im �allgemeinen Naturgemälde�<br />

des �Kosmos� (1845 � 1858) beschreibt,<br />

sondern vornehmlich auch in jener Passage seiner<br />

�Ansichten der Natur� (1807), in der er sich die �allverbreitete<br />

Fülle des Lebens vom �bewegten Luftmeer� bis<br />

in die �verborgenen Räume der Schöpfung� vergegenwärtigt.<br />

Carl Gustav Carus, der in den Bahnen Schellings,<br />

Goethes und Humboldts schaffende Naturforscher,<br />

Arzt und Künstler, hat diesem Begriff in seinen<br />

�Neun Briefen über Landschaftsmalerei� (1815 � 1824)<br />

und �Zwölf Briefe über das Erdleben� (1841) schärfere<br />

begriffliche und gegenständliche Konturen verliehen:<br />

�Im Sinne romantischer Naturphilosophie soll der<br />

Künstler in seinem Werk von den geheimen Kräften<br />

zeugen, die hinter den Dingen stehen, ihre Gestaltung<br />

und deren Wandel bedingen. Sie sind das, was das<br />

Wesen der dinglichen Welt, der Landschaft, des Kosmos<br />

ausmachen.� 22 Den Kanon der Erdlebensphänomene<br />

umreißen folgende Sätze: � Fester Boden, mit<br />

allen seinen vielartigen Gestalten, als Fels und Gebirg<br />

und Tal und Ebene, ruhendes und bewegtes Gewässer,<br />

Lüfte und Wolken, mit ihren mannigfaltigen Erscheinungen,<br />

dies sind ungefähr die Formen, unter<br />

welchen das Leben der Erde sich kundgibt...� 23 <strong>Der</strong><br />

26<br />

�Pflanzenwelt� wird besondere Beachtung geschenkt,<br />

dabei den goethischen Phänomenzusammenhang der<br />

Metamorphose noch weiter durchzeichnend �Sieh, wie<br />

die Pflanze langsam , aber kräftig aus dem Boden sich<br />

erhebt, wie von Stufe zu Stufe ihre Blätter sich entfalten,<br />

in stiller Entwicklung vorwärts schreitend zu Kelch<br />

und Blume sich verwandeln, und endlich im Samenkorn<br />

den Ring beschließend, zugleich wieder das Eröffnen<br />

eines neuen veranlassen.� 24<br />

<strong>Der</strong> �Pflanzenwelt� ist auch im formenkundlichen Unterricht<br />

<strong>Reichwein</strong>s wiederkehrend der Blick zugewandt:<br />

- vermittels des Filmes: Den Kreislauf des pflanzlichen<br />

Lebens imaginiert der Film �Entwicklung und Vermehrung<br />

der Erbse�<br />

�<strong>Der</strong> Film zeigt zuerst das in der Erde ruhende<br />

Samenkorn, aus dem zunächst die Hauptwurzel<br />

hervorwächst, der die Nebenwurzeln bald folgen.<br />

Danach durchbricht der Stengel den Boden,<br />

nachdem die ersten grünen Blätter sich<br />

entwickelt haben. <strong>Der</strong> höher gewordene Stengel<br />

sendet Ranken aus, die in kreisenden Bewegungen<br />

nach Stützpunkten suchen. Danach<br />

erscheinen die Blüten. Von einer richtet sich<br />

zuerst die Fahne auf. Die Flügel werden ausgebreitet<br />

und ihr Zusammenhalt mit dem Schiffchen<br />

klargelegt. Durch Herabziehen der Flügel<br />

und des Schiffchens werden Stempel und<br />

Staubgefäße sichtbar. Aus den (auf der Narbe<br />

haftenden) Pollenkörnern wachsen Pollenschläuche<br />

mit lebhafter Protoplasmaströmung<br />

hervor bis zu den Samenanlagen im Fruchtknoten,<br />

wo die Befruchtung vor sich geht, auf die<br />

das Verwelken der Blüte folgt und das Wachstum<br />

der Hülse. Die reifen Samen werden fortgeschleudert<br />

und erhalten die Art oder gehen<br />

auf hartem Boden ein.� 25<br />

- als Gegenstand der Skizze und des Scherenschnitts:<br />

�Unsere Scherenschnitte sind nicht nur Übung<br />

im Formen an sich oder Handfertigkeiten um<br />

ihrer selbst willen, sondern sie stellen eine innere<br />

Auseinandersetzung des formschaffenden<br />

Kindes mit der gewachsenen, natürlichen<br />

Form dar. Sie sind eine Probe darauf, ob das<br />

Kind richtig gesehen hat; nicht in dem äußerlichen<br />

Sinne, daß es jede Einzelheit im Gedächtnis<br />

behielt, sondern in dem wesentlichen<br />

Sinn, daß die Form als Ausdruck eines Wesens<br />

erfaßt und begriffen wurde (Löwenzahn,<br />

Mohn, Schneekristall). Sehen ist hier als Vorbedingung<br />

eigenen und handwerklichen Gestaltens<br />

gemeint.� 26

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