Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />
dem <strong>Reichwein</strong> auf den �großen Fahrten� nach Ostpreußen<br />
und Schleswig-Holstein im Kern seines Unterrichts<br />
folgte. Die politisch-geographisch bzw. geopolitische<br />
Thematik der Grenzbegegnungen in Memel und<br />
Flensburg ist allerdings in diese Kontinuitätslinie nicht<br />
ohne weiteres einzuordnen.<br />
- �Zivilisation � Angewandte Physik (Technik im Daseinskampf)�<br />
könnte auf die Filmreihe �Kohle, Eisen,<br />
Stahl� verweisen. Diese vermittelt einen Einblick in den<br />
technisch-ökonomischen Leistungszusammenhang,<br />
der von der Urproduktion über den Transport der Güter<br />
zu deren anschließende Verarbeitung und Veredlung<br />
führt. Oder ist hier das Datum �1830� am Platz?: �Industrie<br />
als Großform (Krupp), rechnende Wirtschaft,<br />
Verkehrsplanung (List), Fruchtwechsel (Thaer), Stoffwechselforschung<br />
und Düngung (Liebig)...� 8<br />
Das Winter-Diagramm bildet den strukturellen Zusammenhang<br />
des Unterrichts ab: Das Leitthema �<strong>Der</strong> gemeinschaftsbildende<br />
Mensch� wird in seiner kulturgeschichtlichen<br />
und landschaftsgeographischen Verzweigung<br />
dargestellt und sodann bis zur Gegenwart durchgeflluchtet.<br />
�Zivilisation� in der vorliegenden Positionierung<br />
an der unteren Spitze des Sechsecks steht, wenn<br />
ich recht sehe, als Kürzel für das �technisch-industrielle<br />
Zeitalter� im Sinne des strukturgeschichtlichen Paradigmas<br />
der Nachkriegszeit . 9<br />
1. 3 Die Untergliederung des �Jahresplans�: �Sommer:<br />
Die Natur�, �Winter: <strong>Der</strong> gemeinschaftsbildende<br />
Mensch�<br />
Diese Untergliederung entpricht der üblichen Einteilung<br />
des heimatkundlichen Unterrichts gemäß der Direktive<br />
im Sommerhalbjahr �mehr das Erdkundliche�, im Winterhalbjahr<br />
�mehr das Geschichtliche�. In entsprechender<br />
Weise formuliert der Landschullehrer aus Tiefensee:<br />
�Für die ländliche Erziehung gliedert sich das<br />
Jahr ganz natürlich in eine sommerliche und eine<br />
winterliche Hälfte. Die Ordnung der<br />
unterrichtlichen Vorhaben wird durch diese<br />
Gliederung bestimmt. Die sommerliche Zeit ist<br />
vor allem der Beobachtung draußen im Freien<br />
gewidmet, der Naturkunde im weitesten Sinne.<br />
Die Anschauung des pflanzlichen Werdens, der<br />
Entfaltung des tierischen Lebens, schafft eine<br />
Fülle und doch einen in sich geschlossenen<br />
Kreis von Einsichten in das natürliche Dasein.<br />
Aus dem unmittelbaren Umgang mit den<br />
Erscheinungen unserer ländlichen Umwelt<br />
ergeben sich jene Grunderfahrungen und<br />
Fragestellungen, die am Eingang zur<br />
Winterarbeit stehen. Mit der herbstlichen Ernte<br />
auf den Feldern beginnt auch für den Erzieher<br />
23<br />
den Erzieher die Zeit des Sammelns und Verdichtens<br />
aller sommerlichen Ergebnisse, des<br />
Sichtens und Ordnens für den Aufbau der<br />
winterlichen Menschenkunde�� 10<br />
Konkreter gesagt:<br />
�Die naturkundlichen Versuchsreihen (des Frühjahrs<br />
und des Sommers) werden auch während<br />
des Winters fortgesetzt, aber im Vordergrund<br />
stehen jetzt � innerlich <strong>schon</strong> ganz auf die Menschenkunde<br />
eingestellt � chemische Untersuchungen<br />
von Nahrungsmitteln, z.B. die einfachen<br />
Kartoffelversuche. Die Nahrungsmittelversuche<br />
stehen im engsten Zusammenhang mit<br />
der biologischen Menschenkunde. Vom Menschen<br />
aus erweitert sich auch der Blick in die<br />
Erdkunde der außerdeutschen Bereiche, je nach<br />
dem Stand der Arbeit werden Europa, Amerika,<br />
Afrika oder Asien in die Betrachtungen einbezogen.�<br />
11<br />
Die Sommer- Winter- Geometrie des Jahresplans muß<br />
also durch eine gedankliche Linie ergänzt werden, die<br />
vom Bereich �Natur� (�Pflanze, Keimung, Ernährung,<br />
Böden�) zum Bereich �<strong>Der</strong> gemeinschaftsbildende<br />
Mensch� (�Ernährung, Menschenkunde, Rassen, Erde<br />
als Wohnraum des Menschen�) führt.<br />
Dem Natur-Mensch-Zusammenhang, den <strong>Reichwein</strong><br />
hier am Beispiel seines Jahresplanes konkretisiert,<br />
entspricht in übergreifender geistesgeschichtlicher Perspektive<br />
das Deutungsmuster der �Erdbedingtheit�(H.<br />
Nohl) - das Verständnis des Menschen von den Naturgrundlagen<br />
her. Wegweisend war vor allem der kosmologisch-geographische<br />
und- völkerkundliche Aspekt in<br />
Herders �Philosophie der Erde�, unter dem seither in<br />
den einschlägigen Schulfächern und auch bei <strong>Reichwein</strong><br />
die Lebensformen der Naturvölker und der naturnahen<br />
Berufe besondere Beachtung fanden.<br />
Goethe glaubt im Sinne dieses Deutungsmusters �der<br />
Natur abgemerkt zu haben, wie sie gesetzlich zu Werke<br />
gehe, um lebendiges Gebild, als Muster alles Künstlichen,<br />
hervorzubringen.� 12<br />
In analoger Weise weist<br />
<strong>Reichwein</strong> wiederholt den Weg vom �natürlichen Vorbild<br />
zur technische Form�: � So schufen wir uns Bildreihen<br />
und Bildbänder, die von den einfachsten Fluggeräten<br />
draußen in der Natur bis zum heute vollkommensten<br />
Fluginstrument des Menschen führten, von dem<br />
Flugsamen des Löwenzahns, der �Pusteblume�, bis<br />
zum Fallschirm, vom rotierenden Ahornsamen zum<br />
Propeller, vom Schmetterling zum schwanzlosen Flugzeug<br />
und von der Möwe zum �Rhönadler� auf der Wasserkuppe.�<br />
13<br />
1. 4 Die übergreifende lebenskundliche Thematik