Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />
Stoffkreis: der Siedlungsraum; seine Geschichte,<br />
seine Kultur (Sprache, Sitte, Brauch, Literatur, Kunst<br />
usf.), seine Natur, Wirtschaft und Technik, Gegenwartsfragen.<br />
79<br />
Besonders zu berücksichtigende Punkte:<br />
<strong>Der</strong> heimatliche Lebensraum werde auch als ein<br />
Ganzes beobachtet. Im Unterricht werden Stammbäume<br />
verwendet, um zunächst ein Verständnis der<br />
Grundbesitztümer von Familien und Bauern zu erhalten<br />
und den Schülern auf diese Weise einen ersten<br />
Kontakt mit Stammbaum- und Erblehre zu vermitteln.<br />
Ferner sollten die Kinder zu einem 'ganzheitlichen',<br />
d.h. �volkseinheitlichen� Beobachten und Denken<br />
angeleitet werden, wobei die Heimat als 'Boden', in<br />
dem die Lebensgemeinschaft wurzelt, zu betrachten<br />
sei.<br />
Siebtes Schuljahr:� �Die deutschen Landschaften -<br />
Westelbien und Ostelbien�<br />
Besonders zu berücksichtigende Punkte:<br />
Ostelbien sei als Kolonialboden zu betrachten. Es<br />
gäbe keine reinen völkischen Grenzen und es bestünde<br />
die 'Gefahr' einer polnischen Unterwanderung.<br />
Die einzelnen Gebiete werden als organische<br />
Einheiten und die regionalen Lebensbereiche vor<br />
dem Hintergrund der 'Erfahrung' behandelt, um die<br />
Phänomene in den kolonialisierten Regionen als<br />
Ganzheit zu vermitteln.<br />
Achtes Schuljahr:��<strong>Der</strong> deutsche Staats- und Volksraum<br />
und die Welt�<br />
Besonders zu berücksichtigende Punkte:<br />
Behandlung des deutschen Staatsraumes, insbesondere<br />
die Entstehung des dritten Reiches nach<br />
dem Weltkrieg, der kulturellen Erscheinungen der<br />
Kriegs- und Nachkriegszeit (Dekadenz und deutsche<br />
Kultur), die wirtschaftlichen Notwendigkeiten (Autarkie),<br />
die große volksdeutsche Kultureinheit und Verpflichtung<br />
ihr gegenüber im Hinblick auf den Volksraum,<br />
wobei auf �Rasse und Lebensraum�, �nordische<br />
Rasse und andere Rassen�, �Vererbung und<br />
Rassenpflege� besonders Wert gelegt wird. Als außenpolitische<br />
Themen werden die Situation im feindlichen<br />
Nachbarland Frankreich und Hitlers Friedensbemühungen<br />
betont. Ferner werde deutlich aufgezeigt,<br />
dass der westliche Parlamentarismus ein �Irrtum�<br />
sei, und das �Führerprinzip Hitlers� werde explizit<br />
erklärt.<br />
Hier wird die tatsächliche Situation der Bauern als Vorhut<br />
zur �Erzeugungsschlacht� im Rahmen der Sied-<br />
79 Dieser Aufbau wird auch in den siebten und achten Schuljah-<br />
ren verwendet.<br />
18<br />
lungspolitik 80 mit ins Blickfeld einbezogen, wobei die<br />
Vorstellung �Heimat� im Bewusstsein der Bauernkinder<br />
in Form rassistischer Betrachtungen als �Volksbewusstsein�<br />
eingepflanzt werden soll und somit ein typisches<br />
Beispiel für die Erziehungsreform darstellt. In diesem<br />
Falle handelt es sich um eine Reform des �ichbezogenen�<br />
Bewusstseins des Bauerntums, d.h. eine Ausweitung<br />
des Heimatbildes bei Kindern bedeutet letztlich die<br />
Wahrung des �Existenzrechtes eines Volkes�, zu dessen<br />
Verwirklichung sie als �bäuerliche, politische Soldaten� 81<br />
auf chauvinistische Weise im �Volksraum� eingeschlossen<br />
werden müssen.<br />
2.4. Andererseits hat <strong>Reichwein</strong> neben dem Bau des<br />
�Heimatreliefs� das Thema �Afrika� in den winterlichen<br />
Lehrplan aufgenommen, was im Kontrast zu der oben<br />
beschriebenen Reform steht. Er hat dieses Thema, so<br />
wie �Lebensnähe� in Verbindung mit �Bodenständigkeit�<br />
steht, gleichzeitig als eines der methodischen Prinzipien<br />
der NS-Erziehungsreform erfasst und absichtlich gewählt.<br />
Mit anderen Worten: An diesem Beispiel hat er<br />
aufgezeigt, dass �eine Erziehung, bewusst im Schicksal<br />
der engsten Heimat und des Volkes verwurzelt ist, sich<br />
auch von den fernsten Gegenständen immer wieder<br />
dorthin zurückbezieht� (III, S. 47). Hierbei wird der Lehrstoff<br />
�Afrika� erwähnt als ein Beispiel für die Brennpunkte<br />
der europäischen Kolonialfragen, deren Bedeutung für<br />
die deutsche Landwirtschaft als Ergänzungsraum der<br />
europäischen Ernährung betont hervorgehoben wird, so<br />
dass das Gesichtsfeld der Kinder durch die unterschiedlichen<br />
Anlässe (z.B. Kakao und Erdnüsse im Laden, Vogelzug<br />
und Flugverkehr) erweitert wird. Die Kinder sollen<br />
auf dem selbstgefertigten Relief aufbauend die Verteilung<br />
von Tieren und Pflanzen oder die Gebiete für die<br />
einzelnen Anbaufrüchte farbig markieren und durch diese<br />
Arbeit versinnlichen. Darüber hinaus werden anhand<br />
der schriftstellerischen und dichterischen Stoffe die Verhandlungen<br />
zwischen Europäern und Afrikanern im geschichtlichen<br />
Rahmen und der modernen Aufgabenstellung<br />
erlernt, wozu arbeitsteilig mit Bildern, statistischen<br />
Tabellen, Kartenskizzen und dergleichen als Lehrmittel<br />
gemeinsam Daten gesammelt und sortiert werden. Auf<br />
diese Weise wurde �Afrika� zu einem �plastischen Ganzen�<br />
verdichtet und für die Kinder �[...] fern doch näher<br />
als manches 'Nahe' [...]� (S. 46-47).<br />
<strong>Reichwein</strong> beabsichtigt mit dieser Lerntätigkeit folgendes:<br />
�[...] so begreifen auch wir heute in unserer ländlichen<br />
Erziehungsgemeinschaft die Welt wieder im Bilde<br />
solcher umeinander gelagerter Kreise, die einander in<br />
der Geschichte bedingten und ergänzten und auch heute<br />
ihre Kraftströme nach Deutschland hin entladen und<br />
deutsche Kraftströme aufnehmen.�(S. 47-48.) Hieraus<br />
kann klar abgelesen werden, dass er grundsätzlich eine<br />
80 J. E. Farquharson: a. a. O., S. 183ff.<br />
81 Dieses Menschenbild wurde vor allem im Landjahr gepriesen.<br />
Vgl. A. Schmidt-Bodenstedt (Hrsg.): Landjahr. Plan und<br />
Gestaltung, Leipzig 1937, S. 15.