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Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />

schwistern. Es waren Waisenkinder, für die der Großvater<br />

mütterlicherseits sorgte. Sie lebten in Hannover, und<br />

neben dem ältesten Bruder, dem bekannten Dichter Otto-Erich<br />

Hartleben, gab es noch zwei jüngere Brüder:<br />

Otto und Leo.� 40<br />

Bereits drei Monate nach der Verlobung, am 25. August<br />

1900, heirateten der Hilfsarbeiter im Preußischen Kultusministerium,<br />

Ludwig Pallat, und die angehende Malerin<br />

Annemarie Hartleben in der Berliner �Kaiser Wilhelm-<br />

Gedächtnis-Kirche�. Sie führte seither ganz selbstbewusst<br />

den Doppelnamen �Pallat-Hartleben�. Die erste<br />

gemeinsame Wohnung befand sich am Schleswiger Ufer<br />

16, wo 1901 der erste Sohn Peter, später Architekt und<br />

Spieleerfinder 41 , geboren wurde. Ende desselben Jahres<br />

zogen Pallats nach Berlin-Halensee. Hier kam 1904 die<br />

erste Tochter, Rosemarie, später verheiratet mit <strong>Adolf</strong><br />

<strong>Reichwein</strong>, zur Welt. Im Frühjahr 1907 bezog die vierköpfige<br />

Familie ein eigenes Wohnhaus in dem Dorf Stolpe,<br />

dem späteren Berlin-Wannsee. Es war ein von dem<br />

Architekten Blunck gebautes spitzgiebliges Haus in<br />

Wannsee-Stolpe an einer primitiven, vor dem Wald gelegenen<br />

Straße. Und weil es das erste Villenhaus in dieser<br />

Straße war, durften Pallats selbst einen Namen für<br />

die Straße vorschlagen: Sie nannten sie nach dem<br />

<strong>schon</strong> 1905 im Alter von nur 40 Jahren verstorbenen<br />

Bruder von Annemarie Pallat-Hartleben, dem Lyriker Otto-Erich<br />

Hartleben, Otto-Erich-Straße, wie sie auch heute<br />

noch heißt. Ihr Haus bekam die Nr. 9. Und erster Logiergast<br />

im neuen Domizil war der befreundete Architekt<br />

Peter Behrens, der Mitbegründer der Darmstädter<br />

Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe.<br />

1910 und 1912 wurden hier die Kinder Rolf, der heute in<br />

Kanada lebt, und Marianne geboren, deren späterer Ehemann,<br />

Artur von Machui, den ersten deutschsprachigen<br />

Artikel über (seinen Schwager) <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong><br />

nach dem Ende des NS-Regimes veröffentlicht hat. 42<br />

Ludwig Pallat fuhr täglich, entsinnt sich Rosemarie<br />

<strong>Reichwein</strong> an ihren Vater, �mit der Dampfbahn von<br />

Wannsee zum Potsdamer Platz in sein Ministerium. An<br />

den Wochenenden, wenn Vater zu Hause war, herrschte<br />

Ordnung, besonders bei den Mahlzeiten. Es war dann<br />

ein patriarchalischer Haushalt. Mein Vater war Oberregierungsrat<br />

im preußischen Kultusministerium in der<br />

Wilhelmstraße, und später leitete er zusätzlich das �Zent-<br />

40 <strong>Reichwein</strong>, Rosemarie: �Die Jahre mit <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> prägten<br />

mein Leben�. Ein Buch der Erinnerung. München 1999, S.<br />

12.<br />

41 Er ist der Vater von Gabriele C. Pallat.<br />

42 Machui, Artur von: Dem Gedächtnis <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong>s. In:<br />

Die Sammlung, Jg. 1/1945-46, H. 1, S. 1-11.<br />

9<br />

ralinstitut für Erziehung und Unterricht� in der Potsdamer<br />

Straße, nahe dem Potsdamer Platz.� 43<br />

1919 zog die Familie in das kleinere Nachbarhaus, Otto-<br />

Erich-Str. 8, ein, das bis 2005 in Familienbesitz verblieb.<br />

In diesen Jahren vor dem Ersten Weltkrieg trafen und<br />

besuchten sich Pallats häufig mit befreundeten und ebenfalls<br />

in Wannsee lebenden Musikern, Malern und<br />

Schriftstellern. Durch Peter Behrens wurden sie mit dem<br />

Künstlerkreis um Henry van de Velde in Hagen bekannt<br />

gemacht, vor allem mit Ernst Osthaus, dem Gründer des<br />

Folkwang-Museums. Besonders bedeutsam für Annemarie<br />

Pallat-Hartleben wurde die Begegnung mit dem<br />

Architekten Hermann Muthesius und seiner Frau.<br />

Darüber schreibt wiederum Rosemarie <strong>Reichwein</strong>: �Meine<br />

Mutter versuchte bei ihrem ersten Kind, ohne Vorkenntnisse<br />

die Kinderkittel selbst herzustellen, und sie<br />

fand mit der Zeit immer mehr Interesse an selbstgearbeiteten<br />

Kinderkleidern. Wir trugen nur solche, im Gegensatz<br />

zu unseren Schulkameraden in Wannsee. Sie<br />

selbst trug durchgehende �Reformkleider� ohne Korsett,<br />

auch selbst hergestellt, und flache Absätze, damals<br />

meist Herrenhalbschuhe. Diese Vorliebe teilte sie mit der<br />

Frau des Architekten Hermann Muthesius, mit der sie<br />

befreundet war. Meine Mutter nahm später Kontakt zum<br />

Dürerhaus in Berlin auf, das ihre Schnitte für Kinder- und<br />

auch Puppenkleider mit der entsprechenden Anleitung<br />

herausbrachte. Mir gehörten die Puppen dazu, und ich<br />

hegte und pflegte sie auch später noch, um sie für neue<br />

Kleider aufzuheben, und war ganz unglücklich, als sie<br />

schließlich bei einem Dachstuhlbrand mit verbrannten.� 44<br />

Später erhielt Annemarie Pallat-Hartleben vom Berliner<br />

"Dürerhaus" den Auftrag, einen Beschäftigungskasten<br />

für Kinder zusammenzustellen und dazu eine Anleitung<br />

zum Basteln zu schreiben. Auf diese Wiese entstand der<br />

sog. "Dürerkasten", der für 10 Mark verkauft wurde, ein<br />

damals hoher Preis. Sie selbst erhielt ein Honorar von<br />

300 Mark. Für das Dürerhaus entwickelte sie auch den<br />

43 <strong>Reichwein</strong>, Rosemarie: �Die Jahre mit <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> prägten<br />

mein Leben�. Ein Buch der Erinnerung. München 1999, S.<br />

12.<br />

44 Ebd., S. 14.

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