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Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />

von dieser Haltung nicht ausnehmen. Vollkommene, ursprüngliche,<br />

reine Dinge in �rechter�, �echter� Form sollen<br />

den Menschen umgeben, und an ihnen soll er lernen,<br />

bewusst, effizient und vernünftig mit seiner Welt<br />

umzugehen.<br />

Das Bauhaus<br />

Auch der Einfluss des Bauhauses auf Dexel ist deutlich.<br />

Während seine frühen Bilder � vorwiegend Landschaften<br />

und Stadtsituationen � oft Anklänge an uns bekannte<br />

Bilder und Sujets, etwa von Cezanne, Kirchner, oder den<br />

Kubisten zeigen, wird mit Gründung des Bauhauses in<br />

Weimar und seiner Bekanntschaft mit dem �de Stijl�-<br />

Begründer van Doesburg seine Malerei schnell konstruktivistisch.<br />

Seine Typographie folgt merklich der des Bauhausmeisters<br />

Herbert Bayer, der 1925 die Leitung der<br />

Abteilung �Druck und Reklame� am Bauhaus übernimmt.<br />

Nahezu zeitgleich beginnen Dexels Aktivitäten in den<br />

Bereichen Reklame und Typographie.<br />

Wir assoziieren das Bauhaus fälschlich immer zunächst<br />

mit Architektur. Das ist nicht richtig, denn das Bauhaus<br />

war viel mehr. Auch die von Dexel propagierte Forderung<br />

der Einheit der Künste, der Zusammenführung von<br />

Kunst und Handwerk, von Kunstakademien und Kunstgewerbeschulen,<br />

die Idee, Kunst und Künstlerausbildung<br />

der Lebenswirklichkeit näher zu bringen, alles das<br />

ist mit dem Bauhaus verbunden. Nicht in jedem Falle<br />

aber ist es originär Bauhaus, sondern Weiterführung von<br />

Strömungen, die bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts<br />

beginnen und an denen noch heute berühmte Namen<br />

wie Schinkel, Semper oder Beuth festgemacht werden.<br />

So die Verbindung von Material, Zweck und Form.<br />

Schon bei Semper waren z.B. Material, Zweck und Form<br />

Leitprinzipien des künstlerischen Schaffens. Das wird<br />

von vielen Zeitgenossen aufgenommen, wie etwa Julius<br />

Lessing, Direktor des Berliner Kunstgewerbemuseums,<br />

der 1894 anmerkt, dass die Geräte aus der Zweckbestimmung,<br />

aus dem Material und aus der Technik ihre<br />

Form erhalten. Wir finden das dann später auch bei Dexel<br />

und <strong>Reichwein</strong> (z.B. �Kinder werken in Holz�) wieder.<br />

Und die Vorstellung von der Einheit der Kunst und Kultur<br />

kann man, wenn´s denn sein soll, sogar auf Nietzsche<br />

zurückführen: �Kultur ist vor allem Einheit des künstlerischen<br />

Stiles in allen Lebensäusserungen eines Volkes.<br />

Vieles Wissen und Gelernthaben ist aber weder ein<br />

nothwendiges Mittel der Kultur, noch ein Zeichen derselben<br />

und verträgt sich nöthigenfalls auf das beste mit<br />

dem Gegensatze der Kultur, der Barbarei, das heisst:<br />

der Stillosigkeit oder dem chaotischen Durcheinander<br />

aller Stile�. 101 Dieses chaotische Durcheinander aber<br />

101 Nietzsche, Friedrich: Unzeitgemäße Betrachtungen.<br />

Erstes Stück: David Strauss der Bekenner und der<br />

Schriftsteller.<br />

41<br />

lässt sich nur verhindern, wenn alle Künste engstens zusammenwirken<br />

und an dem gemeinsamen Werk arbeiten.<br />

Gropius: �Mit der Wiederbelebung jener erprobten Arbeitsweise<br />

[die mittelalterliche Bauhütte], die sich der<br />

neuen Welt entsprechend anpassen wird, muss das<br />

Ausdrucksbild unserer modernen Lebensäußerungen an<br />

Einheitlichkeit gewinnen, um sich wieder in kommenden<br />

Tagen zu einem neuen Stile zu verdichten�. 102<br />

Das Bauhaus repräsentiert aber auch keinen �Stil�, wie<br />

wir vielfach meinen, es ist viel eher eine Lehre, eine<br />

Weltsicht. Walter Dexel selbst hat die Annahme, es gäbe<br />

so etwas wie einen Bauhausstil, als Klischee und Mythos<br />

bezeichnet 103 .<br />

Das Bauhaus war vielmehr in einer gesellschaftlichen,<br />

wirtschaftlichen und politischen Krisensituation, in einer<br />

Aufbruchsituation auch, der vom Künstlerischen ausgehende<br />

Entwurf einer sozialen Utopie. Dahinter stand<br />

diese Idee von einer besseren Welt und einer besseren<br />

Gesellschaft auf der Basis von Harmonie und einer neuen<br />

Brüderlichkeit unter den Menschen. Die Bauhauslehre<br />

war eine Erziehungsutopie, die an der Heranbildung<br />

eines neuen Menschen für eine neue Gesellschaft arbeitete.<br />

Insofern spricht man durchaus zu Recht auch von<br />

einer Bauhauspädagogik. Sie hatte den neuen Menschen<br />

zum Ziel, an dem auch <strong>Adolf</strong> <strong>Reichwein</strong> mit seinen<br />

Mitteln arbeitete. Schon 1921 unterstreicht Oskar<br />

Schlemmer, dass das Bauhaus nicht im Sinne der Baumeister<br />

und Architekten baue, sondern am Menschen<br />

104<br />

, oder, wie Moholy-Nagy 1929 sagt, �nicht das Objekt,<br />

der Mensch ist das Ziel�. 105<br />

Diese Utopie war jener �große Bau�, an dem laut Gründungsprogramm<br />

von 1919 gearbeitet werden sollte. Das<br />

war aber nicht vordergründig architektonisch gemeint,<br />

sondern reicht darüber hinaus: "Das Endziel aller bildnerischen<br />

Tätigkeit ist der Bau. Ihn zu schmücken war<br />

einst die Aufgabe der bildenden Künste, sie waren unablösliche<br />

Bestandteile der großen Baukunst. Heute<br />

stehen sie in selbstgenügsamer Eigenheit, aus der sie<br />

erst wieder erlöst werden können durch bewußtes Mitund<br />

Ineinanderwirken aller Werkleute untereinander. Architekten,<br />

Maler und Bildhauer müssen die vielgliedrige<br />

Gestalt des Baues in seiner Gesamtheit und in seinen<br />

Teilen wieder kennen und begreifen lernen, dann werden<br />

sich von selbst ihre Werke wieder mit architektonischem<br />

Geiste füllen, den sie in der Salonkunst verloren.<br />

102 Wingler, Hans M.: Das Bauhaus 1919-1933. Bramsche<br />

1968, S. 30<br />

103 Dexel, Walter: <strong>Der</strong> Bauhausstil � ein Mythos. Hrsg. v. Walter<br />

Vitt, Szarnberg 1976, S. 19<br />

104 Schlemmer, Oskar: Briefe und Tagebücher. Hrsg. V. Tut<br />

Schlemmer. Stuttgart 1977, S. 48<br />

105 Moholy-Nagy, Lazlo: Vom Material zur Architektur<br />

(=Bauhausbücher. 14.) München 1929, S. 14

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