Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein
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eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />
haupt verfasst hat, wie die einschlägige <strong>Reichwein</strong>forschung<br />
behauptet (vgl. Amlung 1999, S. 353; Link 1999,<br />
S. 321). Es handelt sich um den zweiten Teil einer Broschüre,<br />
die unter dem Titel �Landvolk und Schule� auf<br />
dem 6. Reichsbauerntag in Goslar Teilnehmern einer<br />
Sondertagung unter dem gleichen Titel verteilt wurde.<br />
(Vgl. Landvolk und Schule 1938, S. 11-23)<br />
Tatsächlich erwähnt <strong>Reichwein</strong> in seinem Brief an Rolf<br />
Gardiner vom 19.12.1938 Tagung und Broschüre mit<br />
dem Hinweis, den zweiten Teil �der Dir übersandten<br />
Druckschrift� habe er �im Auftrag des Reichsnährstandes�<br />
geschrieben (<strong>Reichwein</strong> 1999, S. 149). Bei der Lektüre<br />
der amtlichen Dokumentation des Reichsbauernstages<br />
stößt man zudem auf die Bemerkung eines hohen<br />
Funktionärs, die auf den ersten Blick in die gleiche<br />
Richtung weist. <strong>Der</strong> Hauptamtsleiter van Swinderen war<br />
in Personalunion mit der Organisation des Reichsbauerntages<br />
und der Leitung der erwähnten Sondertagung:<br />
�Landvolk und Schule� betraut worden. In seinem Einleitungsreferat<br />
erwähnt er die Broschüre und ihre Autoren:<br />
�Im ersten Teil gibt ein Angehöriger des Reichnährstandes<br />
einen kurzen Aufriss der Aufgaben der Schule, im<br />
zweiten Teil zeigt ein Landlehrer die Nutzanwendung in<br />
der Schularbeit� (vgl. Reichsnährstand 1938, S. 159).<br />
Die Bemerkung scheint nicht nur <strong>Reichwein</strong>s Outing als<br />
Textautor zu bekräftigen, sondern auch zur Beschreibung<br />
seiner Rolle in Goslar zu passen, wie er sie im<br />
Brief an Wilhelm Flitner vom 27.12.1938 schildert: Er<br />
habe Angebote, öffentlich �hervorzutreten� abgelehnt,<br />
sei aber �beratend� tätig geworden. (Vgl. <strong>Reichwein</strong><br />
1999, S. 146).<br />
Gleichwohl weckt die Wortwahl van Swinderens Zweifel<br />
an <strong>Reichwein</strong>s Urheberschaft des Textes. War <strong>Reichwein</strong>,<br />
der stets die unbeugsame Eigenständigkeit seiner<br />
Überzeugungen auch unter der NS-Herrschaft betonte,<br />
tatsächlich bereit, sein schulpädagogisches Konzept als<br />
�Nutzanwendung� einer vorangestellten parteiamtlichen<br />
Richtlinie zu verkaufen?<br />
Eine textkritische Analyse des Beitrags unter der offenen<br />
Frage nach möglichen Schreibern des Textes verstärkt<br />
den Zweifel.<br />
- Dargestellt wird eine schulpädagogische Programmatik,<br />
die in ihren äußeren und inneren Merkmalen deutlich<br />
vom Schulmodell Tiefensee abweicht. Von den sechs<br />
Fotos des Broschürenteils zeigen die letzten beiden<br />
Ausschnitte der schulischen Arbeit in Tiefensee, die anderen<br />
aber nicht. Die hohe Gewichtung täglicher Leibesübungen<br />
wird an Aktivitäten wie Frühsport und täglichen<br />
Turnstunden festgemacht, die es in Tiefensee ebenso<br />
wenig gab wie die geforderte Anpflanzung von Maulbeerhecken.<br />
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- Zu anderen Vorschlägen, wie die Anlage des Schulgartens,<br />
findet man in Tiefensee zwar Analogien, im Modell<br />
der �dorfeigenen Schule� (ein Konzept Franz Kades,<br />
nicht <strong>Reichwein</strong>s) erhalten sie aber eine andere didaktische<br />
Funktion. Gefördert wird hier nicht wie in Tiefensee<br />
die Vielseitigkeit kindlicher Kräfte, sondern ausschließlich<br />
die Einfügung der Heranwachsenden in die tradierte<br />
bäuerliche Lebens- und Arbeitswelt. Das gilt auch für die<br />
Beschreibung der Festgestaltungen, die von den<br />
wesentlich offeneren Formen in Tiefensee unverkennbar<br />
abweichen.<br />
- Insgesamt ist der Text in der Form schulpädagogischer<br />
Richtlinien abgefasst. Er zieht Folgerungen aus politischen<br />
Zuweisungen, die der sächsische Landesbauernführer<br />
Körner im �Geleit� der Broschüre vom �Reichsbauernführer�<br />
Walther Darré übernimmt. Die zentrale<br />
Aufgabe der Landschule bestehe gegenwärtig darin, der<br />
�Landflucht� entgegen zu wirken. Gelegentlich wird dieser<br />
politische Zweck gerade in dem <strong>Reichwein</strong> zugeschriebenen<br />
Textteil mit penetranter Direktheit angesteuert:<br />
�Das ländliche Leben soll dem Kind während<br />
seiner Schulzeit als ein so reiches Feld lebendigen<br />
Tuns, ... als ein so schöner und auch an Genüssen reicher<br />
Lebensraum begegnen, dass es gerne � auch das<br />
hochbegabte, strebende Kind, Junge oder Mädchen �<br />
dieser Welt treu bleibt, und es als sinnvoll empfindet,<br />
sich in dieser Welt ein lohnenswertes Leben aufzubauen.�<br />
(Landvolk und Schule 1938, S. 14)<br />
- An einer Stelle distanziert sich der Textschreiber sogar<br />
von dem Großvorhaben <strong>Reichwein</strong>s: �<strong>Der</strong> fliegende<br />
Mensch�. Zwar solle der Erdkundeunterricht, heißt es<br />
dort, die Wege vom Dorf zur Welt thematisieren, aber<br />
diese �Verkehrsgeographie� solle doch stets, auch wenn<br />
sie zum �Großschiffahrtsweg und Schienenzepp� vorstoße,<br />
�dorfbezogen� bleiben. (Landvolk und Schule<br />
1938, S. 22)<br />
- Stil und Semantik der Broschüre stimmen in beiden<br />
Teilen im Wesentlichen überein. <strong>Der</strong> richtlinienartig vorschreibende<br />
Duktus lässt auf einen Schreiber aus dem<br />
Führungszirkel des Reichsnährstandes schließen. Die<br />
Anklänge an <strong>Reichwein</strong>s Diktion könnten auf eine Vorlage<br />
zurückgehen, die in der Endredaktion �auf Linie� gebracht<br />
wurde.<br />
3. Annäherung an NS- Positionen oder taktisches<br />
Verhalten? <strong>Reichwein</strong>s Einschätzung der Reichsnährstandspolitik<br />
1938/39<br />
Andererseits macht das Beispiel klar, dass <strong>Reichwein</strong><br />
nach der Herausgabe seiner schulpädagogischen<br />
Hauptschriften mit dem �Reichsnährstand�, der HJ und<br />
bald auch mit dem NSLB (vgl. <strong>Reichwein</strong> 1939; Link<br />
1999, S. 321 ff.) zwar stets distanziert, aber doch hilfreich<br />
kooperiert hat.