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Der Lehrer wird's schon richten,... - Adolf-Reichwein-Verein

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eichwein forum Nr. 8 / Juli 2006<br />

Was bewog den Tiefenseer Pädagogen zur Aufnahme<br />

bzw. Intensivierung dieser Kooperationsbeziehungen?<br />

Handelt es sich um einen politischen Anpassungsvorgang<br />

oder um taktisches Verhalten, das anderen Interessen<br />

diente?<br />

Zur Beantwortung der Frage ist es erforderlich, <strong>Reichwein</strong>s<br />

Einschätzung der Politik des Verbandes während<br />

der Vorkriegszeit zu rekonstruieren. Hierzu konfrontiere<br />

ich das vom �Reichsbauernführer� Walther Darré in Goslar<br />

gehaltene Hauptreferat mit <strong>Reichwein</strong>s Analysen globaler<br />

ökonomischer und politischer Wandlungsprozesse<br />

nach 1933.<br />

3.1. Walther Darre�s Propagierung einer �Erzeugungsschlacht�<br />

im Rahmen des Vierjahresplanes<br />

Vor dem Hintergrund der Kriegvorbereitung, deren konkrete<br />

Planungsdaten Hitler den Oberbefehlshabern der<br />

verschiedenen Wehrmachtsteile am 5.11.1937 bekannt<br />

gegeben hatte, wurden zugleich die Ziele des laufenden<br />

Vierjahresplanes modifiziert. Durch beschleunigte Wiederaufrüstung<br />

und Sicherung der Ernährungsgrundlage<br />

sollte die Kriegsfähigkeit des Landes in möglichst kurzer<br />

Zeit wiederhergestellt werden. Diese Orientierung der<br />

Politik an einem konkreten Ziel hatte weitreichende Folgen<br />

für den forcierten Modernisierungsprozess in sämtlichen<br />

Gesellschaftsbereichen. Die starke Betonung der<br />

�Weltanschauung� mit ihren zahlreichen Auslegungen<br />

während der Gleichschaltungsperiode trat zurück hinter<br />

den nun dringend nachgefragten Qualifikationen der<br />

Kompetenz, Effizienz und professionellen �Leistung�.<br />

(Vgl. Lingelbach 2004, S. 18f.)<br />

Darré demonstriert in seiner Rede den neuen, zielorientierten<br />

Pragmatismus. Durch Statistiken eindruckvoll untermauert,<br />

präsentiert er einen Zwischenbericht der �Erzeugungsschlacht�,<br />

durch die eine möglichst weitgehende<br />

wirtschaftliche Autarkie des Landes im Rahmen des<br />

Vierjahresplanes hergestellt werden sollte. Durch weitere<br />

Anstrengungen der Bäuerinnen und Bauern solle der<br />

Führer nun in die Lage versetzt werden, �große Politik�<br />

zu gestalten. Wachsende Schwierigkeiten auf diesem<br />

Weg werden bemerkenswert offen thematisiert. Im Zentrum<br />

der Sorgen steht die �Überbelastung� des Landvolks,<br />

im besonderen Maße der Bäuerinnen. Es fehle an<br />

moderner Technisierung und Lagerkapazität, vor allem<br />

aber am Personal. Die �Personalnot�, das ist die zentrale<br />

analytische These Darrés, sei durch �Landflucht� entstanden.<br />

Und dieses Übel, das ist seine zentrale programmatische<br />

Aussage, könne nur durch einen fundamentalen<br />

Bewusstseinswandel der gesamten Bevölkerung,<br />

in erster Linie des Landvolks, aber auch der Städter,<br />

eingedämmt werden. Hierzu fordert der Reichsbauernführer<br />

neben der wirtschaftlichen Besserstellung des<br />

Landvolkes, umfassende �Erziehungsmaßnahmen�. Um<br />

das Problem effizient und kurzfristig zu bearbeiten, führt<br />

69<br />

van Swinderen aus, habe man bereits ein Bündnis zwischen<br />

drei Parteiorganisationen geschlossen: dem<br />

Reichsnährstand, der HJ und dem NSLB. Um die Landschule<br />

für die gesamtpolitische Aufgabe zu mobilisieren<br />

und zu qualifizieren, werde zum ersten Mal auf einem<br />

Reichsbauerntag die Sondertagung: �Landvolk und<br />

Schule� veranstaltet. (Vgl. Reichsnährstand 1938, S. 29<br />

ff.; S. 155 ff.)<br />

3.2. <strong>Reichwein</strong>s typologische Beschreibung der<br />

�Vormachtspolitik� in �weltwirtschaftlichen Großräumen�,<br />

seine Präferenz des amerikanischen Modells<br />

und seine Einschätzung deutscher Kriegspolitik<br />

Auskunft über <strong>Reichwein</strong>s Einschätzung dieser Erzeugungsschlachtpolitik<br />

erhalten wir in seinen Analysen<br />

weltwirtschaftlicher und geopolitischer Wandlungsprozesse,<br />

die er seit 1933 in vier Artikeln in Rudolf Pechels<br />

�Deutsche Rundschau� verfasst hat: �Rohstoffe im Kräftespiel<br />

der Zeit� (August 1936); �Umschwünge in der<br />

Wirtschaft� (Mai 1937); �Warum kämpft Japan?� (Dezember<br />

1937) und �Amerikanischer Horizont� (Februar<br />

1938).<br />

Direkt angesprochen hat <strong>Reichwein</strong> das in Goslar thematisierte<br />

Verhältnis von Industrie und Landwirtschaft in:<br />

�Umschwünge der Wirtschaft� (1937). Im Rahmen längerfristiger<br />

Entwicklungsperspektiven beurteilt er den<br />

diagnostizierten �Umschlag� von einer überschätzten industriell<br />

betonten Exportwirtschaft zur �staatlich gedachten�,<br />

stärker agrarisch betonten �Naturalwirtschaft� im<br />

Sinne der Wiederherstellung einer Balance zwischen<br />

beiden Produktionsbereichen des rohstoffarmen Landes<br />

durchaus positiv. (Vgl. <strong>Reichwein</strong> 1937, S. 98) Auf einer<br />

allgemeinen, von der historisch konkreten Aufrüstungspolitik<br />

absehenden Ebene gab es demnach durchaus<br />

gewisse Berührungen mit der Argumentation der<br />

Reichsnährstandsführung. Auch Problematisierungen<br />

der �Landflucht� ließen sich von hierher, wie <strong>Reichwein</strong>s<br />

Vorträge in England vom Sommer 1938 belegen, auch<br />

international plausibel begründen (vgl. Berichte der Western<br />

Gazette und des Salisbury Journal über <strong>Reichwein</strong>s<br />

Lichtbildervortrag in der Bryanston School Salisbury am<br />

29.07.1938; Hasager 1938).<br />

Aber die Berührungsflächen auf der Ebene allgemeiner<br />

volkswirtschaftlicher Argumentation hindern <strong>Reichwein</strong><br />

nicht, die Bindung der Darré�schen �Erzeugungsschlacht�<br />

an die aktuelle Politik der Kriegsvorbereitung<br />

kompromisslos zu kritisieren.<br />

Entfaltet hat <strong>Reichwein</strong> die Kritik in Zusammenhängen<br />

seiner Analyse weltwirtschaftlicher Wandlungsprozesse.<br />

Nach dem Zusammenbruch der Weltwirtschaft als Folge<br />

der großen Krise, lautet seine Hauptthese, zeichnen sich<br />

während der 1930er Jahre �Bilder von fünf Großräumen�

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