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Weiterentwicklung und Profilierung der katholischen Sozialstationen in

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DAS KARITATIVE PROFIL KIRCHLICHER SOZIALSTATIONEN<br />

Von unserem Diözesanpatron, dem Heiligen Mart<strong>in</strong>us (316 -<br />

397), wird berichtet, dass ihm <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht nach se<strong>in</strong>er Mantelteilung<br />

Christus erschien, bekleidet mit dem Mantelteil, das er<br />

dem frierenden Bettler am Stadttor von Amiens gegeben hatte.<br />

Für Mart<strong>in</strong> war diese Erfahrung, dass ihn se<strong>in</strong>e Hilfe für den Notleidenden<br />

unmittelbar zu Christus führte, e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Lebenswende <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e tiefe Glaubenserfahrung.<br />

Die anhaltende heilende Nähe Jesu wirkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirche aller Zeiten<br />

<strong>und</strong> ist e<strong>in</strong>er ihrer elementaren Aufträge, wie es Papst Benedikt<br />

XVI. <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Enzyklika „Deus caritas est“ formuliert hat:<br />

„Das Wesen <strong>der</strong> Kirche drückt sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dreifachen Auftrag<br />

aus: Verkündigung von Gottes Wort (kerygma-martyria), Feier<br />

<strong>der</strong> Sakramente (leiturgia), Dienst <strong>der</strong> Liebe (diakonia). Es s<strong>in</strong>d<br />

Aufgaben, die sich gegenseitig bed<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> sich nicht vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

trennen lassen. Der Liebesdienst ist für die Kirche nicht<br />

e<strong>in</strong>e Art Wohltätigkeitsaktivität, die man auch an<strong>der</strong>en überlassen<br />

könnte … Die karitativen Organisationen <strong>der</strong> Kirche stellen<br />

(.) ihr opus proprium dar, e<strong>in</strong>e ihr ureigene Aufgabe, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sie<br />

nicht mitwirkend [geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d die Aktivitäten des Staates] zur<br />

Seite steht, son<strong>der</strong>n als unmittelbar verantwortliches Subjekt<br />

selbst handelt <strong>und</strong> das tut, was ihrem Wesen entspricht“ (Papst<br />

Benedikt XVI., Enzyklika „Deus caritas est“, 25 <strong>und</strong> 29).<br />

Die historische Entwicklung <strong>der</strong> Kirche zeigt, dass es immer die<br />

Caritas gab, die als selbstverständliche Frucht des Glaubens an<br />

„die Güte <strong>und</strong> Menschenliebe Gottes“ (Tit 3,4) <strong>und</strong> als e<strong>in</strong> Wesensmerkmal<br />

christlichen Lebens verstanden wurde. Der Dienst<br />

am Nächsten, beson<strong>der</strong>s aber die Sorge um Menschen <strong>in</strong> Not,<br />

ist für christliche Geme<strong>in</strong>den <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaften, für Orden<br />

<strong>und</strong> für die Kirche <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> unverzichtbarer Lebensvollzug<br />

ihres Christ- <strong>und</strong> Kirchese<strong>in</strong>s.<br />

Christen s<strong>in</strong>d dort auf <strong>der</strong> Spur Christi, wo e<strong>in</strong>er des an<strong>der</strong>en<br />

Last trägt: „Freude <strong>und</strong> Hoffnung, Trauer <strong>und</strong> Angst <strong>der</strong> Menschen<br />

heute, beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Armen <strong>und</strong> Bedrängten, s<strong>in</strong>d auch<br />

Freude <strong>und</strong> Hoffnung, Trauer <strong>und</strong> Angst <strong>der</strong> Jünger Christi. Und<br />

es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht <strong>in</strong> ihren Herzen<br />

se<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>hall fände.“ 1<br />

1 II. Vatikanum, Gaudium et spes 1<br />

8<br />

1.2 Historische Entwicklungen<br />

Die Betreuung pflegebedürftiger Menschen, die zu Hause <strong>und</strong><br />

nicht <strong>in</strong> Heimen lebten, war lange Zeit überwiegend Privatsache.<br />

Dabei kümmerten sich vor allem die christlichen Geme<strong>in</strong>den um<br />

kranke <strong>und</strong> alte Menschen <strong>und</strong> unterstützten <strong>der</strong>en Angehörige.<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Kirchengeschichte haben christliche Solidarität <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Wille zu sachgerechter Hilfe so e<strong>in</strong>e Fülle von sozialen E<strong>in</strong>richtungen<br />

entstehen lassen: Armenvere<strong>in</strong>e, Hauspflegewerke <strong>und</strong><br />

Stiftungen mit sozialem Auftrag. Die Initiative hierzu g<strong>in</strong>g vielfach<br />

von Geme<strong>in</strong>depfarrern aus – zuerst <strong>in</strong> den größeren Städten, dann<br />

auch <strong>in</strong> ländlichen Gebieten. Das zeigt sich noch heute <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diözese<br />

Rottenburg-Stuttgart an <strong>der</strong> Vielfalt von lokaler Organisation,<br />

Struktur <strong>und</strong> Trägerschaft <strong>der</strong> <strong>Sozialstationen</strong>.<br />

Seit Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden <strong>in</strong> den meisten Kirchengeme<strong>in</strong>den<br />

spezielle Krankenpflegevere<strong>in</strong>e <strong>in</strong>s Leben gerufen,<br />

die als Träger <strong>der</strong> Krankenpflege- <strong>und</strong> Schwesternstationen fungierten.<br />

Diese Krankenpflegevere<strong>in</strong>e sorgten mit den Beiträgen<br />

<strong>und</strong> Spenden ihrer Mitglie<strong>der</strong> für den Lebensunterhalt e<strong>in</strong>er Ordensschwester<br />

o<strong>der</strong> sie bezahlten e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>dekrankenschwester.<br />

Wer Mitglied im Krankenpflegevere<strong>in</strong> war, hatte im<br />

Gegenzug e<strong>in</strong> Anrecht, bei Hilfebedarf selbst gepflegt zu werden.<br />

Die Ordens- o<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deschwestern waren lebendiger<br />

Ausdruck <strong>der</strong> fürsorgenden Liebe zu den Kranken. Die Krankenpflegevere<strong>in</strong>e<br />

unterstützten diese Aufgaben f<strong>in</strong>anziell – sie<br />

waren <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d damit bis heute Ausdruck <strong>der</strong> Solidarität aller<br />

mit den Kranken <strong>und</strong> Hilfsbedürftigen <strong>der</strong> Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

(mehr zu Krankenpflegevere<strong>in</strong>en siehe Kapitel 5).

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