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PDF 8.8 MB - orden pour le mérite

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fenen Systemzwängen von Dodekaphonie und Serialismus verschrieben<br />

hatte. Es war ein außer<strong>orden</strong>tliches Zeichen innerer Unabhängigkeit,<br />

daß sich der unbekannte und mittellose junge Mann diesen<br />

Zwängen nicht anpaßte, wie es bequem und erfolgversprechend gewesen<br />

wäre, sondern eigensinnig s e i n e n Weg abseits der Systeme<br />

suchte. Und es war ein ebenso außer<strong>orden</strong>tliches Zeichen seiner<br />

künst<strong>le</strong>rischen Potenz, daß und wie er diesen Weg fand und daß ihm<br />

dabei f a s t die Quadratur des Kreises gelang: ein fast populärer Komponist<br />

Neuer Musik zu werden.<br />

Zum Eigen-Sinn von Ligetis eigenem Weg gehörte aber auch, daß er<br />

sich nicht geradlinig, sondern über Wendepunkte vollzog. Der erste<br />

war, noch in Ungarn, der Versuch einer radika<strong>le</strong>n Abkehr vom großen<br />

Vorbild Béla Bartók und damit von der ganzen Tradition der<br />

abendländischen Kunstmusik, um, in Ligetis Worten, »eine neue Art<br />

von Musik, sozusagen vom Nullpunkt ausgehend, aufzubauen … Ich<br />

stellte mir Aufgaben wie: Was kann ich mit einem Ton anfangen? Was<br />

mit zwei Interval<strong>le</strong>n? Was mit bestimmten rhythmischen Beziehungen<br />

…?« Aber sobald die Ebene der einfachen musikalischen E<strong>le</strong>mente<br />

verlassen wurde, schlich sich die Tradition zurück, und das fertige<br />

Werk, die Musica ricercata für Klavier (1951-1953), beschreibt eine<br />

Entwicklung, die noch mehrfach wiederkehren sollte: von einem e<strong>le</strong>mentaren<br />

und durch seine Einfachheit überwältigend starken Einfall<br />

zu dessen immer komp<strong>le</strong>xerer Ausarbeitung, und das heißt auch:<br />

immer komp<strong>le</strong>xerer Anreicherung mit E<strong>le</strong>menten der Tradition. Das<br />

ist hier nicht im einzelnen zu verfolgen, aber die Wendepunkte seien<br />

angedeutet: der nochmals radika<strong>le</strong> Neuansatz, wieder »sozusagen<br />

vom Nullpunkt ausgehend«, mit der Reduzierung der kompositorischen<br />

Mittel auf Klang und Lautstärke in den Orchesterstücken Apparitions<br />

und Atmosphères, die als ein Befreiungsschlag aus den seriel<strong>le</strong>n<br />

Systemzwängen gefeiert wurden und Ligeti den Durchbruch<br />

zum Weltruhm brachten. Und wieder folgte die Anreicherung dieser<br />

E<strong>le</strong>mentarstrukturen durch immer komp<strong>le</strong>xere Traditionsbezüge,<br />

jetzt aber nicht mehr als Quasi-Unfall wie in der Musica ricercata,<br />

sondern in einer Reihe strukturell und historisch immer weiter und<br />

tiefer ausgreifender Werke, in denen der Begriff und die Würde des<br />

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