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PDF 8.8 MB - orden pour le mérite

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Zeitabläufe in den Werken Conlon Nancarrows, sogar die frakta<strong>le</strong><br />

Geometrie, aus der Ligeti Anregungen für seine Technik schöpfte,<br />

aus einfachen Strukturen durch deren Vervielfältigung und Überlagerung<br />

höchst komp<strong>le</strong>xe Gebilde zu schaffen, die dann wieder in<br />

eine zweite Einfachheit umschlagen. Die Klavierstunden, das große<br />

Projekt der Jahre ab 1985, stoßen in diese Regionen vor, und wie<br />

beim Horntrio die Widmung an Brahms, so ist hier der provozierend<br />

altmodische Gattungsbegriff Etüde Programm. Daß sie unvol<strong>le</strong>ndet<br />

blieben, verbindet sie auf merkwürdige Weise mit einem anderen<br />

Spätwerk in der Tradition des musikalischen Kunstbuchs, Bachs Kunst<br />

der Fuge.<br />

Aber daß Ligeti dabei nicht stehenblieb, sosehr ihn die Etüden als<br />

e i n Prob<strong>le</strong>mfeld beschäftigen, zeigt sich an zwei eng verbundenen<br />

Aspekten, die ihm in seinen <strong>le</strong>tzten schöpferischen Jahren wichtiger<br />

wurden: Humor und Einfachheit. Sein Humor, immer selbstironisch<br />

getönt und immer spie<strong>le</strong>risch, machte ihn zu einer rara avis unter<br />

den zeitgenössischen Komponisten. Manifest wurde er in den Nonsense<br />

Madrigals, die man nach seinen Worten als reine, technisch<br />

virtuose Konstruktionen hören könne oder als emotionshaltige Botschaften<br />

– beides sei Nonsens (zitiert nach Ulrich Dibelius, György<br />

Ligeti. Eine Monographie in Essays, Mainz usw. 1994, S. 245). Manifest<br />

hätte er auch werden sol<strong>le</strong>n in der Oper über Alice in Wonderland<br />

und Through the Looking-Glass seines heißgeliebten Lewis<br />

Carroll, die <strong>le</strong>ider ein Plan geblieben ist. In einem Interview 1993<br />

hat er gesagt, »es wird ein sehr einfaches Stück sein«, und im selben<br />

Interview selbstironisch »Ich bin jetzt gerade dabei, durch das Haydn-<br />

Studium gegen meine eigene Musik vorzugehen«. Gestatten Sie mir<br />

dazu eine k<strong>le</strong>ine persönliche Abschweifung: Als ich 1995, genau 20<br />

Jahre nach Ligeti, in diesen Orden aufgenommen wurde, sprach<br />

Ligeti die Laudatio. Ich hatte etwas Strenges, Einschüchterndes<br />

erwartet – aber manche von Ihnen werden sich daran erinnern, wie<br />

er, vom Manuskript abweichend, begeistert über Haydns Präzision<br />

und Ökonomie und über seine so höchst kunstvol<strong>le</strong> zweite Einfachheit<br />

sprach und dadurch beinahe den Zeitplan der Sitzung ins<br />

Wanken brachte: Es war ein unvergeßlicher Moment des Gesprächs<br />

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