Dissertation GeiÃler - ProfNet
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Deutsche auf Deutsche, Verwandte auf Verwandte schießen müssen.<br />
4 2 ) Diese innerdeutsche Tragik wird noch dadurch verschärft,<br />
daß es sich, wie Erler bemerkt hat, 4 3 ) beim sowjetzonalen Gegner<br />
in der Regel nicht um einen überzeugten oder gar verbrecherischen<br />
Feind handeln wird, sondern um einen Deutschen, der gegen<br />
seinen Willen zum Kampf gezwungen wird.<br />
Faßt man die Frage von den objektiven Grenzen des Selbstverteidigungsrechts<br />
an, so muß von der Tatsache ausgegangen werden, daß<br />
die Bundesrepublik Deutschland ein selbständiger Staat ist. Ob dies<br />
ebenfalls für die sowjetisch besetzte Zone zutrifft oder ob die dort<br />
aufgestellte Armee völkerrechtlich als Hilfstruppe der UdSSR aufzufassen<br />
ist, bedarf dabei keiner Entscheidung. Denn in jedem Fall<br />
hat die Bundesrepublik als Staat ein objektives Verteidigungsrecht,<br />
entweder der "DDR" als Staat oder der hinter dieser stehenden Macht<br />
gegenüber.<br />
Gegen eine Limitierung dieses Verteidigungsrechtes ist das Argument<br />
vorgebracht worden, daß es für den Wehrdienst keinen Unterschied<br />
machen dürfe, ob er sich "gegen den deutschen Bruder"<br />
oder "gegen den Menschenbruder überhaupt" richte.<br />
Dem ist nur bedingt zuzustimmen. Zwar ist grundsätzlich das Leben<br />
eines Angehörigen oder Landsmannes nicht wertvoller als das eines<br />
Fremden. Dennoch besteht ein Unterschied, und zwar im subjektiven<br />
Bezug. Mancher wird seinem Vater, der ihn ungerecht schlägt, keinen<br />
Widerstand leisten, eben weil es sein Vater ist. Die besonderen<br />
biologischen und psychischen Bindungen bewirken eine Sonderstellung<br />
verwandter und völkisch zusammengehörender Menschen, die<br />
sie von anderen abhebt. Die Lösung der Frage kann wiederum nur<br />
in einer Güterabwägung liegen: Richtet sich der Angriff nicht gegen<br />
den Bestand und die elementaren Güter der Bundesrepublik und<br />
ihrer Bürger, so kann auf das Verteidigungsrecht verzichtet werden.<br />
Im andern Falle geht das Wohl aller und der Schutz der höchsten<br />
Güter, die auch dem einzelnen, der sich im Konflikt befindet, anvertraut<br />
sind, dem individuellen Wohl vor. Da der militärische<br />
42) Gegen eine entsprechende Begrenzung des Verteidigungsrechtes<br />
wenden sich u. a.: Eilinghaus, Gutachten S. 37; Scherer - Flor,<br />
Komm. § 25 IV 4; bejahend: Simon, aaO, S. 53.<br />
43) Abg. F. Erler SPD, 2. dt. BT, 143. Sitzung,Prot. S. 7499 C.<br />
44) Scherer - Flor, Komm. § 25 IV 4.