Dissertation GeiÃler - ProfNet
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Die Intimität des Gewissens bewirkt außerdem z. B,, daß wir unser<br />
Gewissensurteil über die Verwerflichkeit des Tötens im Kriege nicht<br />
auch für andere verbindlich erklären können; mit anderen Worten; Der<br />
Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen kann keine Gewissensbedenken<br />
dagegen haben, daß andere das Verteidigungsrecht ausüben.<br />
Damit ist auch jenen Bestrebungen der Boden entzogen, die<br />
Art. 4 III 1 als rechtliche Basis dazu benützen wollen, auf politischem<br />
Wege die Gesamt verteidigung zu verhindern.<br />
Es widerspricht dem Wesen des Gewissens und damit dem Geist dieses<br />
Grundrechts, wenn von bestimmten Stellen und Organisationen, sei<br />
es allgemein oder bei aktuellen politischen Anlässen,, zur Wehrdienstverweigerung<br />
gemäß Art. 4 III 1 aufgerufen wird. Das Gewissen<br />
als intimer Vorgang entzieht sich einer derartigen Reglementierung.<br />
VI. Die Situationsbezogenheit des Gewissens<br />
Die Analyse des Gewissensvorgangs zeigt, daß das warnende Gewissen<br />
ein "Urteil über die Unerlaubtheit der geplanten Verhaltungsweise"<br />
zum Inhalt hat. Wir wiederholen außerdem noch einmal, daß ein allgemeines<br />
Moralurteil kein Gewissensurteil sein kann. Der GewiSsensruf<br />
kann daher nur in einer ganz bestimmten Situation und nur in einer<br />
ganz bestimmten Person ertönen, nämlich dann, wenn diese in<br />
sich den Konflikt erlebt: Soll ich diese (geplante) Tat ausführen, obwohl<br />
mich das Gewissen davor warnt, indem es eben diese Tat als<br />
schlecht verurteilt? Wäre das Gewissen nicht situationsbezogen, so<br />
müßte es sich dauernd oder doch willkürlich zu jedem Zeitpunkt geltend<br />
machen. 4^ Das Gegenteil ist jedoch richtig: "Das Gewissen<br />
urteilt immer nur über die sittlich relevante Antwort dieser- Person<br />
auf die ethischen Forderungen dieser einmaligen, genau<br />
so noch nie dagewesenen und nie wiederkehrenden Situationen. "49)<br />
Nur zur Ergänzung sei darauf aufmerksam gemacht, daß wir diese<br />
Situationsgebundenheit, die sich letztlich daraus erweist, daß das Gewissen<br />
eben kein allgemeines moralisches Urteil ist, bei bedeutenden<br />
Denkern eindeutig formuliert finden. Nach Thomas von<br />
Aquin ist das Gewissen ein "üudicium seu dictamen practicae<br />
rationis, quo iudicamus, quid h i c et nunc sit agen-<br />
48) Eisermann, Gewissenserziehung, S. 16.<br />
49) Eisermann, Gewissenserziehung, S. 17 und S. 1909.