Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2010 - Ärztekammer ...

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SEITE 3 2.739,72 Euro pro Tag Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Jahr Lebenszeit gegen eine Million Euro! Einer von fünf Deutschen würde sich nach einer repräsentativen Umfrage auf einen derartigen Handel Faustischer Prägung einlassen. Erstaunlich ist dabei, dass nicht die Bedürftigen und Armen, sondern gerade die Besserverdienenden und Gutsituierten die höchste Bereitschaft hierzu zeigen. Nicht erstaunlich ist dagegen, dass mit steigendem Lebensalter die Zustimmungskurve gegen Null tendiert. Die reale Nähe zur statistisch errechneten Lebenserwartung schlägt dann schon eher ins Gegenteil um – den Wunsch nach Überleben um jeden Preis, und sei es nur um eine kurze Spanne. Deshalb verwundert es auch nicht besonders, wenn in den USA, wo gerade eine Krankenversicherungspflicht mit hauchdünnen Mehrheiten und großen Abstrichen und Zugeständnissen gesetzlich auf den Weg gebracht wurde, das National Cancer Institute jährlich fünf Milliarden Dollar staatlicher Finanzmittel für Forschungszwecke zur Verfügung hat. Da muten die 300 Millionen Euro, die deutschen Forschungseinrichtungen für den gleichen Zweck zur Verfügung stehen, vergleichsweise bescheiden an. Ähnliches gilt übrigens für staatliche Transferleistungen ins Gesundheitswesen. Bereits heute subventioniert der Staat in den USA das mit Abstand teuerste Gesundheitswesen der Welt pro Kopf der Bevölkerung höher als in jedem anderen Land der westlichen Hemisphäre. Und billiger wird es durch die allgemeine Versicherungspflicht mit Sicherheit nicht. Die Zumutungen an die weiter bestehenden rein privatwirtschaftlich organisierten Krankenversicherungen mit Kontrahierungszwang und Verbot der Aussteuerung bei zu kostspieligen Erkrankungen – „life time limit!“ – lassen die jüngsten Diskussionen in der privaten Versicherungslandschaft in Deutschland als geradezu banal erscheinen. Und die hohen Zuzahlungen von bis zu 30 Dollar beim Primärarzt und 40 Dollar beim Facharztbesuch im arbeitgeberdominierten Managed Care System (MCS) dürften für die 15 Prozent der jetzt neu versicherungspflichtigen US-Bürger nicht niedriger ausfallen. All dies relativiert die bei uns geführte kleinmütige Diskussion über die Kosten des deutschen Gesundheitswesens, die, bezogen auf die gesetzliche Krankenversicherung, seit Jahren stabile 6,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Standard und Umfang der damit transferierten Gesundheitsleistungen übersteigen dabei sogar das Angebot aus Nachbarländern, die in bereinigten Statistiken pro Krankheitsfall deutlich höhere Kosten in Kauf nehmen. Im Norden Schleswig-Holsteins wird dies kurz in dem Slogan zusammengefasst: „Es ist optimal, in Dänemark Arzt und in Deutschland Patient zu sein“. Damit scheint die Frage nach den Ursachen des allseits diskutierten Ärztemangels in Deutschland einfach und schlüssig beantwortet (Seite 26). Aber ganz so einfach ist es natürlich nicht. Wie immer sind die Hintergründe derartiger Phänomene - erinnert sei an das bis vor wenigen Jahren gültige Paradigma der Ärzteschwemme mit hochgerechneten 40.000 arbeitslosen Ärzten in 2010 (!) - weitaus komplexer. Und unbedachtes Verändern einzelner Stellgrößen, wie von ärztlichen Strategen vielfach gefordert, hat nicht selten ungeahnte und unliebsame Effekte zur Folge. Besser ist es allemal, selbst und vor Ort an strukturellen Verbesserungen zu arbeiten, die sich dann wieder positiv auf die Berufszufriedenheit auswirken (Seite 23). Die Rahmenbedingungen hierzu müssen allerdings stimmen. Und dies sicherzustellen ist in der Tat Aufgabe der Politik. Übrigens: Die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in Deutschland 2007: 8,40 Euro am Tag. Mit freundlichen kollegialen Grüßen Ihr Dr. med. Franz-Joseph Bartmann Präsident Ausgabe 4 | April 2010 3
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