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Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2010 - Ärztekammer ...

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SchleSwig-holStein<br />

im Westküstenklinikum und Mitglied des MB-Landesvorstandes,<br />

kann sich noch gut an Zeiten erinnern,<br />

in denen Kliniken vierstellige (DM-)Beträge aufwenden<br />

mussten, um das Rückporto für zurückgeschickte<br />

Initiativbewerbungen zu bezahlen. Im Jahr<br />

1998 gab es nach seinen Angaben am Westküstenklinikum<br />

auf eine ausgeschriebene Stelle rund 200<br />

Bewerbungen. Fünf Jahre später kippte das System,<br />

die Ärzte wurden knapp und der Stellenanzeigen-Teil<br />

im Deutschen <strong>Ärzteblatt</strong> wurde zunehmend dicker.<br />

Hermann präsentierte Zahlen, die diese Entwicklung<br />

unterstreichen und zeigen, dass eine Trendwende<br />

nicht in Sicht ist. So gab es im Jahr 2003<br />

noch 13.005 Medizinstudenten. Im Jahr 2008 waren<br />

es nur noch 10.684 – ein Rückgang um 18 Prozent.<br />

Die meisten Absolventen in der Humanmedizin gab<br />

es im Jahr 1994 mit rund 12.000, bis zum Jahr 2006<br />

fiel diese Zahl auf 8.700. Die Zahl der Erstmeldungen<br />

in den <strong>Ärztekammer</strong>n betrug 2004 9.305, 2008<br />

nur noch 8.972. Interessant ist dabei, dass die Zahl<br />

der Inländer von 7.473 nur auf 7.389 zurückging, die<br />

der ausländischen Ärzte aber von 1.832 auf 1.583.<br />

Zugleich wanderten allein 2008 2.060 deutsche und<br />

1.005 ausländische Ärzte von einem deutschen Arbeitsplatz<br />

ins Ausland ab – dies entsprach einem Zuwachs<br />

von 29 Prozent gegenüber 2007. Dieser Aderlass<br />

wirkt sich nicht nur auf die Kliniken aus. Im ambulanten<br />

Bereich wird die Zahl der neu zu besetzenden<br />

Arztsitze in den kommenden Jahren kontinuierlich<br />

anwachsen, gab Herrmann zu bedenken. Damit<br />

Deutschland den Ärztemangel, um nicht von „Ärzteflucht“<br />

zu sprechen, überwinden kann, stellte Hermann<br />

zwölf Thesen zur Diskussion. Sie betreffen das<br />

Studium (Erhalt der Studienplätze, Zugang zum Studium<br />

und Organisation), die Rahmenbedingungen<br />

(Tarifrecht), die Qualität der Weiterbildung, die Delegation<br />

ärztlicher Tätigkeiten, die Stärkung der ärztlichen<br />

Profession, das Personalmanagement, den<br />

Lebensarbeitsplatz Patientenversorgung, die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf, die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Leben und vernetzte Strukturen. An<br />

welchen Stellen tatsächlich angesetzt werden kann,<br />

überließ Herrmann der Versammlung.„Bislang hatten<br />

wir einen Wettbewerb um Patienten, jetzt zunehmend<br />

um das geeignete Fachpersonal. Wer auf dieses<br />

Problem die besten Antworten hat, wird bestehen“,<br />

sagte Herrmann an die Adresse der Klinikträger.<br />

Die intensive Diskussion machte deutlich, dass jeder<br />

einzelne Punkt in Herrmanns Liste ins Schwarze ge-<br />

28 <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holsteinisches</strong> <strong>Ärzteblatt</strong><br />

troffen hatte. Zum Beispiel die Stärkung der ärztlichen<br />

Profession, zu der Dr. Heike Lehmann anmerkte:<br />

„Die Wertschätzung der ärztlichen Tätigkeit muss<br />

wieder steigen.“ Besonders gegenüber Berufsanfängern<br />

ist sie nach ihrer Beobachtung verloren gegangen.<br />

Dr. Karl-Werner Ratschko appellierte in diesem<br />

Zusammenhang an die Ärzte, sich verstärkt um Leitungspositionen<br />

auch außerhalb der direkten Patientenversorgung<br />

zu bewerben und diese Felder nicht<br />

Ökonomen und Juristen zu überlassen. Der frühere<br />

Hauptgeschäftsführer der <strong>Ärztekammer</strong> <strong>Schleswig</strong>-Holstein<br />

sieht mit mehr Ärzten in solchen Leitungspositionen<br />

eine Chance, um „dafür zu sorgen,<br />

dass der ärztliche Beruf in seinem Charakter erhalten<br />

bleibt“.<br />

Oder der Bereich vernetzte Strukturen. Der niedergelassene<br />

Anästhesist Dr. Andreas Rinck, stellvertretender<br />

Vorsitzender der Ärztegenossenschaft<br />

<strong>Schleswig</strong>-Holstein, sieht trotz einiger Fortschritte<br />

noch zu viele Ressentiments unter seinen Kollegen<br />

gegen eine engere Vernetzung: „Wir müssen damit<br />

aufhören, gegeneinander zu arbeiten.“<br />

Viel Diskussionsstoff lieferte auch das Thema Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie. Wegen der zunehmenden<br />

Zahl von Ärztinnen haben einzelne Träger<br />

die Bedingungen zwar schon verbessert, aber nach<br />

Beobachtung vieler Ärzte noch nicht in ausreichendem<br />

Maße. Dr. Hauke Nielsen stellte fest: „Viele ältere<br />

Chefs verstehen nicht, dass sich die Welt gewandelt<br />

hat.“ Zugleich wurde deutlich, dass die MB-Ärzte<br />

die aktuelle Entwicklung nicht als pure Bedrohung<br />

auffassen, sondern auch die darin liegenden Chancen<br />

sehen. Dr. Dolores de Mattia sieht die Situation<br />

denn auch nicht als beklagenswert. Gerade der persönliche<br />

Rückblick Herrmanns habe gezeigt, dass<br />

sich in den vergangenen Jahren auch viel verbessert<br />

habe. „Es ist noch gar nicht so lange her, dass<br />

wir katastrophale Einstiegsbedingungen für junge<br />

Ärzte hatten“, gab de Mattia zu bedenken. Michael<br />

Wessendorf appellierte an seine Kollegen, Medizinstudenten<br />

in ihrem Wunsch zu bestärken, in der Patientenversorgung<br />

zu arbeiten und ihnen mehr Unterstützung<br />

zu geben. „Da könnten wir aktiver sein“,<br />

sagte Wessendorf selbstkritisch. Zugleich muss<br />

nach seiner Ansicht noch intensiv für mehr Teamarbeit<br />

und flache Hierarchien in den Krankenhäusern<br />

geworben werden. Im Vergleich zu anderen Branchen<br />

sieht Wessendorf Kliniken in diesen Punkten<br />

„nicht auf der Höhe der Zeit“.<br />

Dirk Schnack

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