Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2010 - Ärztekammer ...
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cumcision sei problemlos. Für den Patienten bedeutet<br />
es weiterhin Beschwerden, wieder Absetzen der<br />
Thrombozytenaggregationshemmer eine Woche<br />
vorher, Organisation eines Rollstuhltransportes, Belastung<br />
durch diese Ereignisse seiner körperlich und<br />
psychisch schwer kranken Ehefrau.<br />
Fall 3: Ein Patient (Diab. mell., abs. Arhythmie,<br />
zust.n.Apoplex und Mesenterialarterienembolie) mit<br />
einer Ileumneoblase und einer Uretherenendoprothese<br />
befindet sich zum routinemäßigen Katheterwechsel<br />
bei gestauter Niere in einer urologischen<br />
Klinik und klagt während des Aufenthaltes über starke<br />
Schmerzen im linken Bein. Er wird wie vorgesehen<br />
am Freitag entlassen mit der Empfehlung, sich<br />
Montag beim Hausarzt vorzustellen und die Schmerzen<br />
abklären zu lassen. Die sofortige Einweisung am<br />
Montag bestätigt den Verdacht eines arteriellen Gefäßverschlusses<br />
und das Bein ist hochgradig gefährdet.<br />
Fall Nr. 4: Bei einem Patienten wird der Verdacht eines<br />
Pankreasschwanzkarcinoms mit pulmonalen<br />
Metastasen geäußert und er erhält von einer Universitätsklinik<br />
einen Aufnahmetermin zur histologischen<br />
Abklärung. Er wird Dienstag aufgenommen, Mittwoch<br />
wird laut Entlassungsbericht eine explorative<br />
Laparoskopie mit atypischer Leberteilresektion des<br />
Segmentes 3 durchgeführt. Donnertag erfährt er bei<br />
der Visite, er könne seine Sachen packen und sich<br />
ein Taxi bestellen, er könne nach Hause, alles Weitere<br />
schriftlich über den Hausarzt. Auf den Einwand, er<br />
könne ein Taxi nicht bezahlen, wurde erwidert, dann<br />
müsse er den Zug nehmen. Nach dem Eingriff mit<br />
Koffer und ohne Begleitperson! Er hat sich dann von<br />
seiner Frau mit dem PKW abholen lassen und alles<br />
ist gut gegangen.<br />
Was macht mir zu schaffen?<br />
Zu Fall 1: Es ist unabdingbar, dass die Patientin vor<br />
und nach dem Eingriff nicht nur vom Anästhesisten,<br />
sondern auch vom Gynäkologen aufgeklärt wird,<br />
wer den Eingriff durchführt, wie und warum und hinterher<br />
welches Ergebnis er hatte, und er muss sich<br />
überzeugen, dass die Patientin entlassungsfähig ist.<br />
War das aus irgendeinem Grunde nicht möglich, hätte<br />
der Eingriff meines Erachtens nicht durchgeführt<br />
werden dürfen.<br />
Zu Fall 2: Nach Auskunft dauert eine Circumcision in<br />
LA rund eine Viertelstunde, es gibt für mich keinen<br />
plausiblen Grund, warum dieser kleine Eingriff bei einem<br />
schwer kranken Patienten mit erheblichen Belastungen<br />
durch Vorbereitung und Transport (22 km)<br />
Dialog<br />
nicht noch an diesem Abend durchgeführt wurde,<br />
es sei denn, ein akutes (gesundheitliches) Ereignis<br />
macht den Operateur operationsunfähig, und selbst<br />
dann hätte ich erwartet, dass man einen chirurgischen<br />
Kollegen im Hause bittet, den Eingriff durchzuführen.<br />
Bürokratische Einwände lasse ich für diesen<br />
Fall nicht gelten.<br />
Zu Fall 3: Meine Krankenhaustätigkeit liegt 25 Jahre<br />
zurück, und es hat sich unbestritten in dieser Zeit Erhebliches<br />
dort verändert und die Arbeitssituation ist<br />
nicht mehr vergleichbar. Aber auch heute muss es<br />
möglich sein, dass man ein Konsil erbittet, um den<br />
Befund abzuklären (akut behandlungsbedürftig oder<br />
Zeit bis nächste Woche beim Hausarzt).<br />
Zu Fall 4: Kann man nach diesem Eingriff einen Patienten<br />
bedenkenlos mit seinem Gepäck in die Bahn<br />
setzen? Wie groß ist die Gefahr der Nachblutung?<br />
Oder sind das inzwischen Risiken, die der Patient in<br />
heutiger Zeit zu tragen hat (aus Kostengründen natürlich,<br />
DRG!!!)?<br />
Würde jeder der an diesen Fällen beteiligten Kollegen<br />
wollen, dass es ihm oder seinen engsten Angehörigen<br />
genauso ergeht? Würden sie es widerspruchslos<br />
als selbstverständliches Verhalten akzeptieren?<br />
All diese Urkunden, Zertifizierungen, QM<br />
etc. sollte man vielleicht auf den Müllhaufen des sich<br />
selbst versorgenden Bürokratismus werfen und vielleicht<br />
Kants kategorischen Imperativ gerahmt sowohl<br />
in das Büro des ärztlichen Direktors als auch<br />
des Verwaltungsleiters hängen sowie in die Arbeitszimmer<br />
aller nachgeordneten Ärzte und Angestellten,<br />
die mit Patienten zu tun haben.<br />
Mich erschrecken diese Fälle und dieses ärztliche<br />
Verhalten. Liegt es an mir? Habe ich wesentliche<br />
Entwicklungen nicht mitbekommen? Ist es ein Zeichen<br />
von Senilität und sollte ich lieber aufhören und<br />
die Praxis abgeben und das Feld denen überlassen,<br />
die damit gut umgehen können, es normal finden<br />
und diese offensichtlich neue Definition von Arztsein<br />
verinnerlicht haben? Klären Sie mich auf, wenn ich<br />
etwas übersehen habe oder falsch sehe. Erklären<br />
Sie es mir oder sagen Sie mir ruhig, es wäre besser,<br />
ich zöge mich zurück. Nur lassen Sie uns darüber<br />
sprechen und es klären. Mir ist sehr daran gelegen<br />
zu erfahren, wie ältere und jüngere Kollegen darüber<br />
denken. Und ob vielleicht die Aussicht besteht,<br />
dass es sich in meinem Sinne zum Positiven wenden<br />
lässt. Nur, dann müssten wir aktiv werden und denen,<br />
die meinen, ärztliches Handeln definieren und<br />
bestimmen zu können, ihre Grenzen aufzeigen.<br />
Ausgabe 4 | April <strong>2010</strong> 45