Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2010 - Ärztekammer ...
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SchleSwig-holStein<br />
Untersuchung zur Wirkung des Didgeridoos<br />
Wie Blasmusik Kindern mit<br />
Mukoviszidose helfen kann<br />
Die Arbeit mit dem Didgeridoo ist ein therapeutisch sinnvoller Ansatz, ersetzt<br />
aber nach bisherigen Erkenntnissen keine Atemtrainingsgeräte für die Patienten.<br />
Kinder und Jugendliche mit Mukoviszidose können<br />
mit dem Griff zum Didgeridoo zwei Fliegen mit einer<br />
Klappe schlagen: Das Musizieren stärkt ihre Lungenfunktion<br />
und verbessert ihre Lebensqualität. Das<br />
zeigt eine neue Studie aus Kiel.<br />
Das Didgeridoo kommt aus Australien und ist eine<br />
Röhre, in die von oben durch ein Mundstück geblasen<br />
wird. Erdige, archaisch anmutende Klänge werden<br />
so erzeugt. Hier wird mit der Zirkuläratmung gearbeitet.<br />
Der gesamte Brustkorb gerät beim Musizieren<br />
ins Vibrieren – das ist der Effekt, der Inken Voges<br />
interessiert. Die 28-jährige Physiotherapeutin hat<br />
mit PD Dr. Tobias Ankermann, Lungenspezialist und<br />
Oberarzt an der Klinik für Allgemeine Pädiatrie des<br />
Universitätsklinikums auf dem Campus Kiel, die Wirkung<br />
des Didgeridoos bei Kindern und Jugendlichen<br />
untersucht, die an Mukoviszidose leiden.<br />
Von dieser Stoffwechselerkrankung sind bundesweit<br />
rund 8.000 Menschen betroffen. Bei ihnen verändert<br />
sich durch eine Fehlfunktion der Chloridkanäle<br />
die Zusammensetzung aller Sekrete exokriner<br />
Drüsen. Die Folge: Das Wasser wird in den Zellen zurückgehalten<br />
und kann nicht in das umliegende Gewebe<br />
abgegeben werden - daher haben die Sekrete<br />
in Lunge, Bauchspeicheldrüse, Leber, Darm und<br />
Schweißdrüsen einen zu niedrigen Wassergehalt<br />
und werden zähflüssig. Das sorgt für Funktionsstörungen<br />
in Organen und chronischen Husten, Infekte,<br />
aber auch Atemnot und chronischen Sauerstoffmangel.<br />
Eine Heilung ist bislang nicht möglich. Hauptziel<br />
der lebenslangen Behandlung ist das Freihalten der<br />
Atemwege, um die Lunge funktionsfähig zu erhalten<br />
und Bakterien den Nährboden zu entziehen. Daher<br />
ist ein tägliches Atem- und Lungentraining gefordert –<br />
für Kinder ist das oft belastender als die Krankheit<br />
selbst, sagt Ankermann.<br />
„Das Didgeridoospiel arbeitet mit therapeutischen<br />
Techniken wie der Lippenbremse und der Expiration<br />
gegen variierbare Stenosen. Sie kommen auch<br />
bei der symptomatischen Therapie von Mukoviszi-<br />
30 <strong>Schleswig</strong>-<strong>Holsteinisches</strong> <strong>Ärzteblatt</strong><br />
dose-Erkrankten zur Anwendung“, unterstreicht Voges.<br />
„Die klinische Wirkung des Didgeridoos auf die<br />
Atemwege lässt sich in hohem Maße mit der Wirkung<br />
der üblicherweise eingesetzten Geräte wie dem Vario<br />
Raw Prototyp 1 Flutter (VRP-1) vergleichen.“ Anders<br />
gesagt: Das Atemtrainigsgerät „Flutter“, mit<br />
dem die Kinder und Jugendlichen arbeiten müssen,<br />
und Didgeridoo haben beide ein und denselben Effekt:<br />
die Weithaltung der Bronchien durch verlängerte<br />
Ausatmung, Vibration, die den Schleim löst.<br />
Der feine Unterschied: „Für Kinder und Jugendliche<br />
ist der Griff zum Atemtrainingsgerät immer ein<br />
Zeichen ihrer Krankheit“, betont Ankermann. Ganz<br />
anders das Didgeridoo. „Das ist cool, motivierend,<br />
spielerisch“, so Voges. Sie hat über den Einsatz des<br />
Didgeridoos bei Kindern und Jugendlichen mit Mukoviszidose<br />
an der Fachhochschule Kiel unter Prof.<br />
Heidi Höppner ihre Bachelorarbeit im Fachbereich<br />
Physiotherapie geschrieben. Daran schloss sich für<br />
den Master eine wissenschaftliche Studie an, die<br />
sie zusammen mit Ankermann und dem Musiklehrer<br />
Jürgen Breuninger in der Fachklinik Satteldüne auf<br />
Amrum durchführte. Einen Monat lang griffen Kinder<br />
mit Mukoviszidose im Rahmen einer Rehamaßnahme<br />
zum Didgeridoo – daneben gab es eine Kontrollgruppe<br />
kranker Kinder, die nicht Didgeridoo spielte.<br />
Ergebnis: Zwischen Beginn und Ende der Kur auf<br />
Amrum war der Anstieg der Lungenfunktionsparameter<br />
bei den Didgeridoo-Spielern deutlich signifikanter<br />
als bei den Kindern der Vergleichsgruppe.<br />
Können das auch andere Instrumente leisten? Voges:<br />
„Mundharmonika, Klarinette, Oboe und Trompete<br />
sind zwar auch Blasinstrumente, doch sie arbeiten<br />
mit einer anderen (Luft-)Technik. Ihnen fehlen<br />
zudem die Vibrationen, die Schwingungen, die die<br />
Didgeridoos bieten.“ Für einen inhaltlichen Vergleich<br />
gibt es allerdings noch keine wissenschaftlich belastbaren<br />
Studien.<br />
Wichtig ist: Das Didgeridoo kann Atemtrainingsgeräte<br />
nicht überflüssig machen. Ankermann und Voges