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NADA-Trainerhandbuch

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Block C<br />

Was zählt wirklich?<br />

Leistungskultur in der Erfolgsgesellschaft<br />

Es ist kein historischer Zufall, dass der Beginn<br />

der Industrialisierung mit der „Erfindung“<br />

des Sports vor ca. 200 Jahren in England<br />

korrespondiert. Sport kann durchaus als<br />

Abbild der modernen Leistungsgesellschaft<br />

aufgefasst werden. In kaum einem anderen<br />

gesellschaftlichen Teilsystem ist die Sieg-<br />

Niederlage-Codierung so ausgeprägt und<br />

damit so wegweisend für die Gesamtgesellschaft<br />

wie im Leistungssport. Der Sieg-Niederlage-Code<br />

ist die Grundlage sportlichen<br />

Handelns, Leistung stellt das Kriterium für<br />

die zentralen Akteure im System dar. Nur<br />

der Erfolg scheint zu zählen. Damit geht die<br />

Gefahr einher, dass der Erfolg alle Mittel heiligt.<br />

Die in vielen Bereichen zu beobachtende<br />

Radikalisierung des Erfolgswillens kann<br />

zum Verlust anderer Werte in der Erfolgsgesellschaft<br />

führen. Wie in der Wirtschaft, so<br />

werden auch im Hochleistungssport dem<br />

Streben nach Erfolg immer häufiger die Gesundheit<br />

der Athleten und das Prinzip des<br />

Fairplay geopfert. Die kompromisslose Leistungs-<br />

und Konkurrenzbereitschaft moderner<br />

Gesellschaften hat ihre Entsprechung in<br />

dem unbedingten Willen, im Sport zu siegen.<br />

Ist man bereit, die personalen und sozialen<br />

Ressourcen zur Verfügung zu stellen,<br />

die notwendig sind, um das Gelingen<br />

jugendlicher Entwicklung sicherzustellen?<br />

Ist man bereit, Athleten eine berufliche<br />

Perspektive auch nach dem Ende der aktiven<br />

Karriere zu eröffnen?<br />

Ist man bereit, Athleten letztendlich<br />

auch vor den Gefährdungen und Risiken<br />

des Hochleistungssports wie Doping<br />

nachhaltig zu schützen?<br />

Jugendliche Athleten, die im System des<br />

Hochleistungssports für den Spitzenwettkampf<br />

trainiert werden, haben jenseits aller<br />

Systemzwänge ein Recht auf Unversehrtheit<br />

und Schutz ihrer persönlichen Entwicklung.<br />

Der Schutz Jugendlicher im Hochleistungssport<br />

ist eine Querschnittsaufgabe, zu<br />

der alle aufgefordert sind – Trainer, Eltern,<br />

Schulen, Sportärzte, Verbände und auch die<br />

Sportberichterstattung.<br />

Ein Merkmal der modernen<br />

Leistungsgesellschaft ist es,<br />

dass natürliche Grenzen der<br />

menschlichen Leistungsfähigkeit<br />

nicht mehr akzeptiert, sondern auf inhumane<br />

Weise überschritten werden. Wie im Arbeitsleben<br />

werden auch im Leistungssport<br />

die handelnden Personen austauschbar,<br />

wenn sie keine Top-Ergebnisse (mehr) erzielen.<br />

Mit dem Leistungsrückgang ist der Verlust<br />

der öffentlichen Wahrnehmung und Anerkennung<br />

verbunden. Dieses System erhöht<br />

die Bereitschaft, zum Beispiel durch Doping<br />

die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit<br />

zu überschreiten.<br />

Nachgedacht<br />

Die zunehmende Kommerzialisierung des Sports<br />

verstärkt die Tendenz hin zu einem radikalisierten<br />

Erfolgswillen. Das zeigt sich auch in der Doping-<br />

Diskussion: Es liegt auf der Hand, dass Fairplay<br />

den Verzicht auf Doping voraussetzt. Gelegentlich<br />

wird jedoch argumentiert, dass gerade für Athleten,<br />

die nicht dopen, Chancengleichheit nicht<br />

mehr gegeben sei, weil die Konkurrenz in der Regel<br />

ungestraft weiter dopen könne.<br />

Um Doping nachhaltig zu verhindern, muss<br />

eine Debatte darüber einsetzen, wie viel<br />

einer offenen modernen Gesellschaft der<br />

Hochleistungssport wert ist.<br />

C4 <strong>NADA</strong>-<strong>Trainerhandbuch</strong> 2. Auflage – Juni 2012

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